Tichys Einblick
Senderantwort an eine TE-Leserin

Der NDR zur Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi

Warum übernimmt der NDR unreflektiert die Darstellungen der geflohenen Bengalen – die natürlich gute und nachvollziehbare Gründe haben, um die Regierung in Myanmar zu verteufeln.

© VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

Zum Thema Myanmar hatte die TE-Leserin Heike Selter beim NDR angefragt, welche Position – die öffentlich-rechtliche oder die meine – denn nun die zutreffende sei. Dankenswerterweise hatte sie die Antwort hier in der Kommentarspalte veröffentlicht. Diese Antwort ist in mancherlei Hinsicht äußerst aufschlussreich – und offenbart gleichzeitig klassische Mängel im öffentlich-rechtlichen Mediensystem, die es lohnen, hier aufgezeigt zu werden.

Vorab die Antwort des Auslandsredakteurs Udo Schmidt auf Heike Selters Anfrage. Sie lautete demnach wie folgt:

„Da ich selber in den Jahren 2014 und 2015 zur Lage der Rohingya in Myanmar recherchiert habe, antworte ich auch im Namen des jetzigen Korrespondenten Holger Senzel. Die Situation der muslimischen Rohingya im Rakhine Staat ist seit Jahren ohne Übertreibung als katastrophal zu bezeichnen. Die Rohingya, in der Regel arm und ungebildet, weil ohne jeden Zugang zu Bildung und Arbeit, leben in Lagern, besitzen keine Staatsbürgerschaft und versuchen seit Jahren, aus Myanmar zu fliehen, weil ihnen dort jede Lebensperspektive fehlt. Von einer aggressiven Muslim-Bewegung, die das buddhistische Myanmar überrennen will, kann keine Rede sein.

Natürlich hat es auch Übergriffe von Muslimen auf Buddhisten gegeben, in übergroßer Mehrheit waren aber eben die Buddhisten für die gewalttätigen Überfälle verantwortlich. Buddhisten und auch buddhistische Mönche haben die Stadtviertel der Rohingya und deren Dörfer in Brand gesteckt und Männer, Frauen und Kinder getötet. Die Radikalisierung, die jetzt leider geschieht, ist eher Folge als Ursache der Vorkommnisse des letzten Jahres.

Natürlich ist so ein komplexes Weltgeschehen nicht einfach und eindimensional erklärt. Ich vertraue allerdings der Recherche meines Kollegen Holger Senzel, der selber die Lager besichtigt und mit beiden Seiten gesprochen hat. Die Enttäuschung darüber, dass die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi keine andere Politik betreibt als die Militärs zuvor, ist vor diesem Hintergrund zu sehen.“

Wir lernen als erstes: Schmidt war Vorgänger des jetzigen Südostasien-Korrespondenten Holger Senzel, in dessen Namen er ebenfalls antwortet. Schmidt war im Rahmen dieser Aufgabe zweimal in Myanmar, um zur Lage der Bengalen zu recherchieren. Dabei ist er zu der Überzeugung gelangt, dass die Lage der Muslime im „Rakhine Staat“ seit Jahren katastrophal ist. Nun, seine Besuche datieren auf 2014 und 2015 – und aus diesen schließt er, dass die Lage der Muslime schon seit langen Jahren verheerend gewesen sei.

Die Feststellung der schlechten Lebensverhältnisse  soll übrigens nicht angezweifelt werden. Die hohe Fertilitätsrate einer Zuwanderergruppe, die wegen Armut und mangelnder Bildung ihre Heimat verlassen hat und sich ohne sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit in einem Land findet, das durch Besetzung und Diktatur ohnehin heruntergewirtschaftet gewesen ist, wird dafür Sorge tragen, dass einem Europäer die Lebensumstände als „katastrophal“ erscheinen müssen. Das aber trifft nicht minder auf andere Ethnien in Myanmar – und anderswo in Fernost – zu. Katastrophal sind auch die Lebensumstände in den Slums auf den Philippinen oder von Delhi und Dhaka. Inwieweit diese Zustände der Regierung anzulasten sind, wird damit jedoch nicht festgestellt. Vielmehr wird unterschwellig der Eindruck erweckt, dass ausschließlich die Regierung die Verantwortung für diese Zustände trüge – das klassisch-europäische Denken, wonach der Staat die Rundumversorgung seiner Bürger abzusichern hat. Schmidt blickt also auf die Zustände in Myanmar mit seiner hübsch rosarot eingefärbten, sozialistischen Euro-Brille.

Sodann  stellt er fest, dass die Bengalen, die Schmidt in kritikloser Übernahme der auf die Gründung eines islamischen Staates zielenden Diktion unreflektiert als „Rohingya“ bezeichnet, „seit Jahren versuchen aus Myanmar zu fliehen“. Diese Information erstaunt angesichts der vorherrschenden Darstellung, dass diese Bengalen wider Willen aus Myanmar vertrieben würden und sollte einen Fernost-Korrespondenten doch eigentlich zu einem eigenen, breit angelegten Bericht veranlassen. Denn wenn diese Aussage Schmidts zutrifft (was durchaus vorstellbar ist), dann stellt sich doch die Frage, was die bengalischen Muslime bislang daran gehindert hat, das Land, in das ihre Vorfahren in den vergangenen gut 120 Jahren eingewandert sind, zu verlassen. Die birmanische Regierung wird es sicherlich nicht gewesen sein – also müsste wohl die Regierung in Bangladesh die Heimkehr unterbunden haben. Insofern wäre – folgen wir Schmidt – nunmehr lediglich eine Situation eingetreten, die von den in Myanmar lebenden Bengalen schon seit langen angestrebt wurde.

Waren die Grenzsicherungen von Bangladesh nicht mehr in der Lage, den Rückstrom aus dem Nachbarland aufzuhalten? Zumindest würde es erklären, warum die Heimkehrer in Lager gepfercht statt in die Gesellschaft integriert werden. Nicht erklären würde es, warum die sogenannten Rohingya, die nun endlich ihren langjährigen Wunsch der Heimkehr erfüllt haben, von der Weltgemeinschaft wieder zurückgetrieben werden sollen dorthin, wo sie offensichtlich nicht sein wollen – und nach Auffassung der Mehrheitskultur auch nicht sein sollen.

Anschließend nun kommt eine fast schon klassische Behauptung des Redakteurs, die eine umfassend beleuchtete und mit nur wenig Gegoogel nachvollziehbare Tatsache schlicht ausblendet: „Von einer aggressiven Muslim-Bewegung, die das buddhistische Myanmar überrennen will, kann keine Rede sein.“

Tatsache ist, dass im Ausland ausgebildete Islam-Aktivisten die Konflikte gezielt hochgefahren haben. Dass die „armen und ungebildeten Rohingya“ dabei nur Bauern auf einem globalen Schachbrett der Macht sind, soll nicht angezweifelt werden. Das seit 1.400 Jahren bestehende und ständig fortgesetzte, islamische Ziel, Fernost unter die Herrschaft Mohameds zu bringen – nachgewiesen in Indien, Indonesien, Philippinen, Thailand, Vietnam – blendet der NDR-Redakteur schlicht als unwahr aus. Naivität? Dummheit? Verblendung? Oder einfach einem innerredaktionellen Mainstream gefordert, wonach in klassischer Morgenstern-Logik nicht sein kann, was nicht sein darf? Wir wissen es nicht – aber es belegt, dass ungewünschte Fakten im ÖR schlicht ausgeblendet werden.

Um einen Rest an Objektivität bemüht, folgt nun die Aussage, dass es  „natürlich“ auch Übergriffe von Muslimen auf Buddhisten gegeben habe. Stellt sich die Frage: Was daran ist „natürlich“? Soll damit gesagt werden, dass Übergriffe auf Andersgläubige bei Muslimen derart selbstverständlich sind, dass wir sie als „natürlich“ zur Kenntnis nehmen können? Für mich jedenfalls ist rassistische Gewalt niemals „natürlich“ – für NDR-Redakteure offenbar schon. Und weil auch hier nicht sein kann, was nicht sein darf, wird nun schnell wieder relativiert. Der zweimalige Vorort-Redakteur behauptet, „in übergroßer Mehrheit waren aber eben die Buddhisten für die gewalttätigen Übergriffe verantwortlich“.

Der Westen ist blind
Wenn Engel fallen – Der Islam erobert Birma
Den Beleg für diese Behauptung, die ausschließlich von jenen Bengalen kolportiert wird, die Myanmar verlassen haben, liefert Schmidt nicht. Kann er auch nicht, denn bislang hat es keinerlei unabhängige Untersuchung der aktuellen Vorgänge in Rakhaing gegeben. Die Bengalen behaupten, die Buddhisten würden sie verfolgen, die Buddhisten behaupten, es hätte massive Angriffe seitens muslimischer Kämpfer gegeben. Jüngst sollen sogar Massengräber mit buddhistischen Opfern gefunden worden sein – der beweissichere Nachweis allerdings steht notwendig auch hier noch aus. Nicht ganz nachvollziehbar ist auch, wieso die „Rohingya“ im ersten Absatz der Antwort „seit Jahren in Lagern“ leben, im zweiten Absatz hingegen deren „Stadtviertel und Dörfer“ von „Buddhisten und auch buddhistischen Mönchen“ in Brand gesteckt worden sein sollen.

Der NDR-Redakteur übernimmt also ungeniert und unreflektiert die Behauptungen der Bengalen. Er bezieht einseitig Stellung, ohne dass seine Position durch objektive Quellen bestätigt werden kann und nur mit den subjektiven Eindrücken weniger persönlicher Kurzbesuche begründet wird. Insofern ist dann auch die Aussage, dass die „Radikalisierung eher Folge als Ursache der Vorkommnisse des letzten Jahres“ sei, nichts anderes als eine einseitige Positionierung, die besagen soll: Die bösen Buddhisten haben angefangen – nur deshalb werden die Muslime nun plötzlich radikal. Jenseits der Tatsache, dass ähnliche islamische Bestrebungen auch in Thailand, Vietnam und auf den Philippinen gezielt seit Jahren gegen die Mehrheitsbevölkerung bestehen und aus Arabien finanziert werden, ist dieses simple Ursache-Folge-Denken eines Journalisten eigentlich unwürdig.

Bei all dem sollte sich der unabhängige Journalist ohnehin auch fragen, warum bereits 2012 – also vor fünf Jahren – das Bundesministerium des Äußeren eine Reisewarnung für die Region ausgegeben hatte. Damals hatten die islamischen Umtriebe mit dem erklärten Ziel, aus der birmanischen Provinz einen islamischen Staat zu machen, längst begonnen. Schmidt weiß davon offenbar nichts – oder er will es nicht wissen.

Dann allerdings kommt ein kleiner Hauch von Erkenntnis, wenn Schmidt von einem „so komplexen Weltgeschehen“ spricht, welches „nicht einfach und eindimensional“ zu erklären sei. Bleibt die Frage: Warum hat er es denn dann zwei Absätze lang getan? Warum übernimmt er unreflektiert die Darstellungen der geflohenen Bengalen – die selbstverständlich gute und nachvollziehbare Gründe haben, um die Regierung in Myanmar zu verteufeln. Und sei es nur deshalb, weil Mitleid immer noch die beste Waffe ist, um nicht nur Hilfsgelder fließen zu lassen, sondern in der sogenannten Weltmeinung auch Unrecht zu Recht zu machen. Soll sagen: Weder ein Muslim noch ein Buddhist, der in irgendeiner Weise von dem Konflikt persönlich betroffen ist, wird eine andere Darstellung geben als jene, die er gern verbreitet wissen will. Mit der Wirklichkeit muss das nicht das Geringste zu tun haben – und mit Wahrheit hat es schon gar nichts zu tun. Doch Schmidts Nachfolger Holger Senzel ist ja dort gewesen, hat sich angeblich die jeweiligen Propagandadarstellungen beider Seiten angehört – und selbstverständlich im europäischen Mitleidskomplex sofort die Position der Bengalen in den Lagern (also dieses Mal wohl in Bangladesh) übernommen. Woraus – nur nebenbei – auch zu schließen ist, dass es kein Problem darzustellen scheint, zwischen Rakhaing und Bangladesh die Grenze zu überqueren. Denn andernfalls hätte Senzel ja nicht auch mit den Buddhisten sprechen können.

Anschließend dann bestätigt Schmidt dankenswerterweise die Kernaussage meines jüngsten Textes. Die Möchtegern-Intellektuellen Europas sind „enttäuscht“ darüber, dass Suu Kyi keine andere Politik als die Militärs zuvor betreibt. Der Engel ist gestürzt – und von der normativen Kraft des Faktischen ist zu diesen Journalisten offenbar noch nicht das Geringste durchgedrungen. Denn selbst, wenn Suu Kyi hier nun eine andere Politik als das Militär „betreiben“ wollte – was offenbar nicht der Fall ist, weil sie ihre buddhistische Kultur bedroht sieht – würde sie damit ihr großes Ziel, ihr Land in eine funktionsfähige, demokratische Zukunft zu führen, unmittelbar aufs Spiel setzen. Denn dann wäre sie schneller vom Militär weggesperrt, als sie gucken könnte.

Derartige Überlegungen allerdings sind den Bessermenschen in den öffentlich-rechtlichen Redaktionen abhold – es lässt sich ja auch trefflich der unbegrenzte Edelmut nebst Selbstaufopferung der wirklich Mutigen einfordern, wenn man selbst mit einem hübschen Säckel aus Zwangsgebühren im warmen Redaktionsbüro sitzt und der Welt erzählen kann, dass sie eigentlich doch so viel besser sein könnte, als sie ist – und das die klagenden Opfer immer die Opfer sind und niemals vielleicht auch die Täter oder deren Instrumente sein können.