Tichys Einblick
Eine Mehrparteien-Linke braucht keine neue

Aufstehn – und wieder hinsetzen!

In einer Situation, wie sie die versammelte Linke von Merkel über Nahles bis Göring-Eckardt längst realisiert hat, bedurfte es keiner linken „Bewegung“ mehr. Sie war schlicht überflüssig, weil all ihre Ziele längst erfolgreich auf dem Weg sind.

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Welch eine Riesenwelle rauschte durch den Deutschen Medienwald, als die mit dem Altkommunisten Oskar Lafontaine verbandelte Salonkommunistin Sahra Wagenknecht eine neue „Bewegung“ aus der Taufe hob. „Aufstehn!“, so die Aktivistin, die sich begrifflich bei früheren, revolutionären „Bewegungen“ wie Spartakus und NSDAP bediente, sollte als überparteiliche „EnMarche“ der versammelten Linken der etablierten Politik Feuer machen, um nun endlich den immer noch unvollendeten Weg in das sonnenumkränzte Paradies der Arbeiter des Geistes und der Faust zum glücklichen Ende zu führen.

Das Feld der Unterstützer las sich wie das Who is Who der üblichen Verdächtigen: Ob aussortierte Grüne wie Antje Vollmer und Ludger Volmer, die ARD-Putin-Propagandistin Luc Jochimsen, Möchtegern-Linksintellektuelle wie Lisa Fitz und Eugen Drewermann oder Unvermeidliche wie Annette Humpe, Joachim Witt und Nina Hagen – sie alle wollten mit dem dynamischen Duo Oskar-Sahra aufstehen und die Republik rocken.

Nicht einmal ein Jahr Dynamik

Doch noch kein Jahr alt, ist das bewegte Projekt bereits gefloppt. Zusammengefallen wie ein Soufflé, das zu früh aus dem Ofen geholt wurde. Denn die selbstempfundene Reinkarnation jener Kommunistenlegende Rosa Luxemburg – jene Dame, die es für notwendig erachtete darauf hinzuweisen, dass innerhalb der kommunistischen Revolutionäre auch Abweichler ein gewisses Recht auf Meinungsfreiheit hätten – hat irgendwie die Lust verloren. Kurz nacheinander erklärte sie im März 2019 erst ihren Rückzug aus der Spitze der „Bewegung“, dann selbigen von der Fraktionsspitze der als „Linkspartei“ getarnten KPD, die sie bereits zuvor in der Partei entsorgt hatte. Die immer adrett gekleidete Sahra überließ damit Langweilern wie Bernd Riexinger und verbohrten Linksideologen wie Katja Kipping den Acker der Ewig-Gestrigen.

Die Katastrophe der Altkommunisten

Für die Altkommunisten ist Sahras Rückzug eine Katastrophe. Erst ohne jenen Gregor Gysi, dessen Nähe zur Staatssicherheit der DDR nie unzweifelhaft widerlegt werden konnte und den ich im März 1990 in einem Kamingespräch in Buckow am See (Gysi hatte dort seine Privatvilla) als überaus eloquenten Politiker kennenlernen durfte, nun auch ohne Gysis fremdgängerisches Gewächs Wagenknecht stehen die SED-Nachfolger abschließend ohne präsentables Markenschild da. Neben den bereits Genannten, die bestenfalls noch auf die 150-prozentigen Parteigänger eine gewisse Wirkung entwickeln können, ist da nur noch der angebliche Linksrealo Dietmar Bartsch – ein Mann, der sich selbst in der historischen Bandschleife der ewigen Konterrevolution verfangen hat, nach 50 Jahren Kulturkampf von Links davon faselt, die Rechte habe nun der Republik eben genau einen solchen Kulturkampf erklärt.

Dabei hatten sich die Linksmedien doch so viel Mühe gegeben, der Splitterpartei PdL mit Sahra Wähler zuzutreiben – immer nach dem eurokommunistischen Motto eines Sozialismus‘ mit menschlichem Gesicht. Sahra war es, die trotz mancher Ausflüge in „rechtspopulistische“ AfD-Gefilde zur Ikone der Kommunisten werden und für das Vorwärts in die Vergangenheit eines Karl Marx werben durfte. Und das machte sie nicht einmal schlecht – denn immerhin unterschied sie sich von den meisten anderen ihrer politischen Couleur durch die Fähigkeit, ihr Gehirn zu nutzen. Nicht jede Kritik, die sie am bestehenden System verlautbarte, entbehrte daher jeglicher Grundlage.

Sahras Denkfehler

Doch Sahra hatte einen Denkfehler, der letztlich sowohl ihre Bewegung wie auch ihre Partei überflüssig macht. Es ist diese unerfüllte Idee davon, dass auch die linke Gesellschaft niemals das evolutionäre Endprodukt einer Utopie sein kann, die den Menschen als eigenständig denkendes Wesen final überwindet, solange noch irgendjemand vorhanden ist, der ohne Anleitung durch die Partei selbständig zu denken wagt. Dabei ist die Umwandlung der einstmals bürgerlich-liberalen Republik in die systemische Rätedemokratie längst vollzogen. Mit Quotenparlamenten und gezielter Entindustrialisierung wird gegenwärtig der Sargdeckel auf das gehämmert, was bürgerliche Studenten nach 1848 an gesellschaftlicher Freiheit und Unabhängigkeit des Denkens erkämpft und womit sie den Grundstein für den Aufstieg der Deutschen an die Weltspitze gelegt hatten.

In einer solchen Situation, wie sie die versammelte Linke von Merkel über Nahles bis Göring-Eckardt längst realisiert hat, bedurfte es keiner linken „Bewegung“ mehr. Sie war schlicht überflüssig, weil all ihre Ziele längst erfolgreich auf den Weg gebracht sind.

So bedarf es nun auch keiner Kommunistischen Partei mehr – egal, in welchen Schafspelz sie sich kleidet. Denn das, was dereinst Marx, Engels und andere als Wahnbild einer idealen Gesellschaft an die Wand schrieben, ist längst in modernem Gewande eingetütet in das grüne Kleid einer angeblichen Ökobewegung. Den Altkommunisten, die immer noch Lenin und Stalin, Ulbricht und Honecker nachtrauern, sei gesagt: Ihr habt gegen Euren maoistischen Erzfeind verloren. KB-Maoist Jürgen Trittin hat durch seine Implementierung des Verbandsklagerechts die Umwandlung des deutschen Bürgerstaates in die Räterepublik auf den Weg gebracht – und mit seiner schrittweisen Einführung der Öko-Diktatur das Feld beackert, auf dem Huxleys politisches System des 21. Jahrhunderts erwächst. Mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock verfügen die Ökomaoisten nun selbst über eigene und zeitgemäße Reinkarnationen von Liebknecht und Luxemburg – nicht ganz so altbacken-postrevolutionär wie die beiden Herrschaften, die in den Wirren der untergegangenen Kaiserrepublik ihr Leben ließen, dafür aber richtig schön mainstreamig vor allem dann, wenn ihnen die Heilige Greta als leicht kernenergetisch verstrahlte Ikone mit Goldenen Kameras und Friedensnobelpreisanwartschaften die Richtung in die Klimadiktatur weist.

Die schlaue Sahra hat es offensichtlich erkannt: Die Altkommunisten haben ihren Zenit überschritten. Die angestrebte DDRisierung der alten BRD ist vollzogen – Egon Bahr, der sich öffentlich nur bis zum angestrebten Wandel durch Annäherung wagte, aber das aktuelle Ergebnis meinte, wäre begeistert. Eine Partei, die sich immer noch maßgeblich aus den aussterbenden Altkadern der DDR-Nomenklatura speist, verweht zu Staub. Und eine Aufstehn-Bewegung, die überflüssig ist wie ein Kropf, kann sich einfach wieder hinsetzen. Nichts als ein netter Versuch von der Sahra, noch einmal ein wenig Öffentlichkeitswirksamkeit zu erproben. Doch mit dem Aufstehn hatten schon manche auf den Gründungsveranstaltungen ihre Probleme, wenn sie vom Stuhl wieder auf Rollator umsteigen wollten.

Die genetflixte Generation der YouTuber und Instagramer konnte mit den altbackenen Echokammern der Aufsteher nichts mehr anfangen. Sie hat längst ihre eigenen – irgendwo zwischen Greta, Gender und schulschwänzendem Freitagsgebet.