Tichys Einblick
Ansichtssache

Ist SUV fahren rational?

In einem Video über den Kauf von SUVs habe ich argumentiert, dass die Entscheidung für ein unpraktisches Auto aus Sicht der Spieltheorie vollkommen rational sein kann – sowohl für die Anbieter als auch für die Nachfrager. Wieso das so ist, fasse ich hier zusammen.

Beginnen wir mit der Sicht der Anbieter. Wenn die Kunden dicke Autos bevorzugen, dann spielen die Anbieter ein leichtes Spiel. Denn man braucht jetzt nur sein Auto ein klein bisschen größer zu machen als das der Konkurrenz, schon verkauft man mehr davon; und da man bei einem teureren Auto meist auch eine größere Marge hat, gewinnt man gleich auf zwei Dimensionen: mehr Stücke verkauft und an jedem Stück mehr verdient. Man braucht kein Spieltheorie-Experte zu sein um zu erkennen, was hier die bessere Entscheidung ist.

Aber neu ist vielleicht die Erkenntnis, dass diese Entwicklung aufgrund der Konkurrenz innerhalb der „Spezies“ der Automobilhersteller auf einen Pfad führt, der für alle Anbieter auf lange Sicht von Nachteil sein kann. Denn wenn die verkauften Autos für ihren eigentlichen Zweck zu groß und zu teuer geworden sind, dann kann die Konkurrenz von außen auf einmal Fuß fassen, indem sie gänzlich andere Angebote macht: andere Mobilitätskonzepte (wie Carsharing oder Elektrofahrräder) könnten sich in einer Lücke verbreiten, die die Autohersteller durch ihre interne Konkurrenz offen gelassen haben. Oder es könnten sich kleinere Elektroautos verbreiten, die letztlich zu einem Systemwechsel führen.

Wenn diese Situation auf die Spitze getrieben wird, dann nennt man sie in der Biologie evolutionären Selbstmord, weil hier die artinterne Konkurrenz auf eine Pfad führt, der den Angehörigen dieser Art einen starken evolutionären Nachteil gegenüber anderen Arten beschert. Obwohl sie immer weiter ins Hintertreffen geraten, können die einzelnen Mitglieder nichts gegen diesen Weg tun, weil sie artintern dazu getrieben werden. Ob es bei der Automobilindustrie so weit ist, ist natürlich keineswegs klar, aber zumindest der amerikanischen Autobranche ist es bereits so ergangen – damals gegen die Konkurrenz ausländischer Autobauer.

Vom Vorteil eines unhandlichen Autos

Kommen wir nun zu den SUV-Käufern. Es ist richtig, dass SUVs auch im Stadtverkehr Vorteile bieten, wie etwa mehr Schutz bei Unfällen – was dann übrigens einen weiteren Größen-Wettlauf entfacht, diesmal unter den Autokäufern. Denn wenn man sicherer fährt, sofern das eigene Auto größer ist als der Rest, dann gibt es hier ebenfalls eine Zwangsläufigkeit für immer größere Autos. Das lustigste Argument für einen SUV hat mir ein Zuschauer meines SUV-Videos in die Kommentare geschrieben: Mit einem SUV kann man über die Verkehrsberuhigungsschwellen fahren, ohne sich den Kopf am Autodach zu stoßen. Vielleicht ist das schon Grund genug, den SUV-Kauf als rational einzustufen. Aber ich will hier noch ein weiteres Argument nennen, diesmal ein spieltheoretisches:
SUVs haben unbestreitbar erhebliche Nachteile bei der Parkplatzsuche. Hier setzt nun eine subtile Argumentation ein: Wenn jemand ein Auto fährt, das diesen Nachteil hat, dann muss das heißen, dass dieser Nachteil für ihn weniger schlimm ist als für andere. Also zum Beispiel, weil er ein besserer Autofahrer ist und auch mit einem noch so dicken Auto problemlos einparkt. Der Besitzer eines solchen Autos sendet somit das Signal an seine Umgebung, dass er ein guter Autofahrer ist. Aber er verbindet dieses Signal zugleich mit persönlichen Kosten. Wäre er ein Smart-Fahrer, wäre es eine reine Behauptung; doch jetzt, wo er einen unhandlichen SUV fährt, ist es eine belegte Behauptung, die er gar nicht mehr gesondert nachweisen oder auch nur erwähnen müsste.

Er kauft sich damit nicht nur eine hüpffreie Fahrt durchs verkehrsberuhigte Wohngebiet, sondern auch einen höheren Sozialstatus durch nachgewiesene Fahrfähigkeiten. Und das kann den Kauf eines teureren und dickeren Autos durchaus vernünftig (also rational) werden lassen.