Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 07-2019

Nur Planspiele? IWF-Ökonomen diskutieren Bargeldabwertungsszenarien

„Nur Bares ist Wahres!“ Dieser Spruch wird konterkariert durch Planspiele, wie die Notenbanken auch für Bargeld Negativzinsen durchsetzen könnten.

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Gerade erst hat die Bundesbank untersuchen lassen, wie wir Deutschen bezahlen. Im deutschen Einzelhandel wird immer noch von 78 Prozent der Kunden bar bezahlt. Barzahlung ist übrigens laut Bundesbankanalyse auch die kostengünstigste Zahlungsart mit 24 Cent pro Transaktion, ganz im Gegensatz zur Kreditkartenbezahlung, die mit rund 1 Euro pro Zahlungsvorgang zu Buche schlägt. Doch Bargeld ist nicht nur das immer noch gebräuchlichste Zahlungsmittel im Land. Bargeldbesitz steht auch für bürgerliche Freiheit, weil die lückenlose elektronische Überwachung der Zahlungsströme damit unterlaufen wird. Man erinnert sich an die kochende Volksseele, als vor wenigen Jahren die Abschaffung des Bargelds diskutiert wurde. Bisher hat die EZB nur die Neuausgabe des großen 500 Euro-Scheins gestoppt.

Doch hinter den Kulissen werden nach wie vor Szenarien durchgespielt, wie man den Bargeldbesitz erschweren und ebenfalls mit Negativzinsen belasten kann. Denn sowohl Bürger wie Finanzinvestoren können die aktuellen Negativzinsen unterlaufen, wenn sie Bargeld horten. Im Augenblick bezahlen Banken für Einlagen bei der EZB 0,4 Prozent Negativzinsen. Darauf haben eine Reihe von Instituten reagiert und bunkern Bargeld lieber in ihren Tresoren, um diese Strafzinsen zu sparen. Das reduziert die Macht der Zentralbanken, hohe Negativzinsen durchzusetzen. Weil inzwischen alle Anzeichen auf eine globale Konjunkturabschwächung hinweisen, fällt Zentralbankern, aber auch Mitarbeitern des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, dass die Niedrigzinspolitik den Spielraum für einen geldpolitischen Konjunkturstimulans massiv beschränkt. Starken Rezessionen begegneten die Zentralbanken in der Vergangenheit meist mit Senkungen der Leitzinsen zwischen 3 und 6 Prozent. Doch dieses geldpolitische Pulver haben sie längst verschossen. Um den Konsum zu stimulieren, fabulieren manche dann eben von hohen Strafzinsen. Doch die wiederum scheitern am Bargeld.

Wie pfiffig sich IWF-Ökonomen die Durchsetzung von Strafzinsen auf Geldbesitz vorstellen, präsentierten die IWF-Mitarbeiter Ruchir Agarwal und Signe Krogstrup am 5. Februar auf dem offiziellen Internet-Blog des Währungsfonds. Laut ihres Vorschlags sollen die Zentralbanken künftig die Geldmenge teilen. Es gibt ein „E-Geld“, das elektronisch auf den Spar- und Girokonten verbucht ist. Und dann gibt es das Bargeld, das im Bedarfsfall in einem Umfang abgewertet wird, der dem Negativzins fürs E-Geld entspricht. Bei einem Negativzins von 3 Prozent würde das in den Geschäften dann so funktionieren, dass eine doppelte Preisauszeichnung vorgenommen werden muss. Kostete ein Produkt anfänglich beispielsweise 100 Euro, würde es nach einem Jahr 103 Euro kosten. Die Schlussfolgerung der IWF-Ökonomen: „Bargeld würde dadurch an Wert verlieren, sowohl gegenüber Waren als auch gegenüber dem E-Geld. Dadurch würde es keinen Vorteil mehr geben, Bargeld statt Bankkonten zu halten.“

Dass dies faktisch auf eine Enteignung von Geldbesitz hinausläuft, versteht sich von selbst. Früher praktizierte man das mittels Inflation. Doch in Zeiten, in denen sich viele auf dauerhaft niedrige Inflationsraten einstellen, weil die Notenbanken den Zins als Risikoprämie ausgeschaltet haben, werden andere Enteignungspfade angedacht. Wir werden die Menschen schon zum Konsumieren zwingen, um die Konjunktur zu stimulieren, steckt als Idee hinter solchen Planspielen. Das hört sich für mich wie Pfeifen im Walde an. Die japanische Notenbank betreibt jetzt bereits seit 20 Jahren unorthodoxe Niedrigzinspolitik, hält wegen ihrer Anleihenkaufprogramme inzwischen 50 Prozent der Staatsschuldentitel Japans in ihren Büchern. Bei rund 240 Prozent des BIP liegt im Augenblick die ausgewiesene japanische Staatsschuld. So monetarisiert die Zentralbank diese exzessive Staatsverschuldung. Die amerikanische Fed hat die japanische Strategie nach der Finanzkrise gecovert, die EZB in Frankfurt ebenso. Nur die Fed ist bisher auf einen Normalisierungspfad ihrer Geldpolitik eingeschwenkt, scheint aber das Tempo unter dem Eindruck der Wachstumsschwäche deutlich drosseln zu wollen. Und die Frankfurter Währungshüter denken über eine Zinswende, wenn überhaupt, erst im kommenden Jahr nach.

Dass auch in der Europäischen Zentralbank Überlegungen zur Abwertung von Bargeld angestellt werden könnten, zeigt eine Personalie. Denn bereits im August des vergangenen Jahres erschien auf dem Internet-Blog des IWF ein Papier von Signe Krogstrup zum Thema effektive Negativzinsen. Ko-Autorin war damals Katrin Assenmacher, immerhin Leiterin der Division geldpolitische Strategie der EZB in Frankfurt.