Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 18-2019

Gradmesser für das Absurde

Das „Trump-Risiko“ lässt die Börsen hyperventilieren. Gymnasiasten demonstrieren fürs Klima und gegen schweres Mathe-Abitur.

© Spencer Platt/Getty Images

„Politische Börsen haben kurze Beine“, lautet ein eherner Leitsatz auf dem Börsenparkett. Seit Donald Trump gilt das nicht mehr. Der US-Präsident sorgt mit seinen Twitter-Nachrichten regelmäßig für gewaltige Marktbewegungen an den Weltbörsen, ob mit seinen jüngsten Strafzoll-Verschärfungen gegen China oder auch mit konkreten Attacken auf deutsche und japanische Autobauer. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb jüngst vom „Trump-Risiko“ und fragte: „Wer will schon sein Portfolio den limbischen Twitter-Stürmen Trumps aussetzen?“

Die Irrationalität eines egomanen Präsidenten scheint inzwischen gar den Einfluss der Notenbanken zu toppen, die mit ihrer ultralockeren Geldpolitik seit Jahren Aktien und Vermögenspreise haussieren lassen. Wenn eine Notenbank zur geldpolitischen Normalität zurückkehren will, wie es die US-Notenbank in den vergangenen zwei Jahren eingeleitet hat, dann entfaltet nicht nur die Politik einen gewaltigen Druck, vorgeblich aus Sorge um die Konjunktur, in Wahrheit eher wegen der steigenden Zinsen für die immensen Staatsschulden, sondern auch die Märkte gieren nach billigem Notenbankgeld und Staatsanleihenkäufen der Zentralbanken. Denn alles, was die Renditen für „sichere“ Staatspapiere senkt, lässt Billionen von Anlegerliquidität in die Finanzmärkte fließen und treibt dort die Kurse.

Einen Gradmesser für das Absurde liefert ein Index, der „Bloomberg-Barclays-Global-Aggregate-Negative-Yielding-Index“. Im vergangenen Jahr ist das Volumen von ausstehenden Anleihen in Europa, die eine negative Rendite aufweisen, um ein Fünftel auf 10.000 Milliarden Dollar geklettert. Als Anleihen mit einer negativen Rendite vor rund zehn Jahren erstmals auf den Markt kamen, hielten das die meisten für eine vorübergehende Anomalie aufgrund der Finanzkrise. Doch die Illusion ist längst geplatzt. Wer heute dem Staat Geld leiht, erhält dafür häufig keine Zinsen mehr, sondern muss dafür sogar bezahlen. Für die im Vergleich zu Unternehmensanleihen große Ausfallsicherheit wird so eine Art Zusatz-Steuer fällig. Besonders bemerkenswert: Noch vor Jahren sahen viele Investoren den Euro als Währung vor dem Aus. Doch jetzt bezahlen Anleger Geld dafür, dass sie Deutschland, aber auch Frankreich, Euro-Anleihen abkaufen dürfen. Die Finanzwelt ist aus den Fugen geraten.

Auch an der Bildungsfront regiert die Irrationalität. Unter dem Applaus der breiteren Öffentlichkeit schwänzen Zehntausende von Schülern Freitag für Freitag den Unterricht, um für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren. Aktuell schreiben Zehntausende von Gymnasiasten Petitionen, weil sie das diesjährige Mathe-Abitur zu schwer empfunden haben und deshalb einen günstigeren Bewertungsschlüssel für die Benotung einfordern. Wer diesen Kontext für zu polemisch einstuft, dem sei ein nüchternes Argument für den deutschen Bildungswahnsinn an die Hand gegeben. Vor allem in städtischen Regionen liegt die Übergangsquote aufs Gymnasium bei bis zu 100 Prozent. Oft sind die Eltern die Antreiber. Glauben wir wirklich, dass alle Kinder und Jugendlichen das Abitur schaffen können?