Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 19-2018

Die Politik verriegelt den Arbeitsmarkt

Empathie für das Unternehmertum ist Mangelware bei politischen Entscheidungsträgern. Die allermeisten Berufspolitiker sind sozialisiert im Dunstkreis des öffentlichen Dienstes mit seinem vom Berufsbeamtentum geprägten Anspruch: Einmal dabei, immer dabei!

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„Wenn es dem Esel zu wohl wird, dann geht er aufs Eis.“ Diese Redensart passt zur übermütigen Leichtfertigkeit, mit der SPD und Union seit vielen Jahren und systematisch die unternehmerische Freiheit beschränken und die Beschäftigung von Mitarbeitern bürokratisch überregulieren. Damit wird von der Koalition rückabgewickelt, was im Jahr 2003 mit der Agenda 2010 zur Fexibilisierung des Arbeitsmarkts gestartet wurde – und zwar in einer faktischen überparteilichen Koalition, weil die damalige rot-grüne Bundestagsmehrheit auf die Unterstützung des schwarz-gelb dominierten Bundesrats angewiesen war. Dass diese politische Flexibilisierungsoffensive enorme Erfolge zeitigte, belegt der gewaltige Beschäftigungsaufbau, der seit der Rekordarbeitslosigkeit von 5,3 Millionen im Februar 2005 stattgefunden hat.

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Statt Ursache- und Wirkungsmechanismen zu analysieren, scheint das Beschäftigungswunder aber Sozialdemokraten wie Union, erst recht natürlich Grüne und Linke anzuspornen, „Wunschkonzerte für Arbeitnehmer“ (NZZ-Aufmacher zum Brückenteilzeit-Gesetz) auszurichten. Obwohl viele Betriebe aufgrund des leergefegten Arbeitsmarkts ihren Beschäftigten im eigenen Interesse flexible Arbeitsbedingungen ermöglichen, um sie im Betrieb zu halten, schafft das erste Gesetz von Bundesarbeitsminister Heil für Mitarbeiter einen Rückkehr-Rechtsanspruch auf ihre alte Vollzeitstelle, die zuvor für ein bis fünf Jahre auf Teilzeitarbeit reduziert hatten. Außerdem sollen Arbeitnehmer mit Teilzeit-Arbeitsverträgen leichter einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle im Betrieb durchsetzen können. Sofern der Arbeitgeber in eigener Entscheidung eine neue Vollzeitstelle schafft, muss er belastbare Gründe vorlegen, wenn er dafür einen anderen Bewerber statt des „aufstockwilligen“ Teilzeitbeschäftigten vorzieht.

Dieses Gesetz ist genauso lebensfremd wie die oft gehörte Begründung, dass Mitarbeiterinnen in der „Teilzeitfalle“ stecken. Wer Unternehmer fragt, bekommt fast immer zu hören, dass sie Mitarbeiterinnen gern in Vollzeit beschäftigen würden, aber die Frauen von sich aus abwinken – wegen der Kinderbetreuung oder ihrer „Work-Life-Balance“. Das Statistische Bundesamt hatte übrigens im Januar dieses Jahres Zahlen zu den Beschäftigungswünschen der 11,4 Millionen Teilzeitbeschäftigten veröffentlicht. Danach wollten 1,4 Millionen, also 10 Prozent, länger arbeiten, insgesamt eine Million Vollzeitkräfte dagegen kürzer – ob zeitweilig oder dauerhaft, blieb dabei offen. Aus einem Minderheitenwunsch leitet die Politik, wie so oft, dann einen gesetzlichen Regulierungsanspruch ab, der für alle Betriebe ab einer bestimmten Größe und ihre Mitarbeiter Wirkung entfaltet. Die Schaffung einer neuer Stelle birgt damit für den Unternehmer die Gefahr, dass er mit einem Teilzeitbeschäftigten, der aufstocken will, darüber streiten muss, warum er ihm einen neuen Mitarbeiter für diese Stelle vorzieht.

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Dabei gehört die unternehmerische Dispositionsfreiheit zu den Grundvoraussetzungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Ohne Unternehmer gibt es keine Arbeitsplätze. Diese Binsenweisheit scheint leider den Wahrnehmungshorizont des Gesetzgebers zu übersteigen. Deshalb gefährden regulatorische Eingriffe schlussendlich Arbeitsplätze. In Frankreich hat in der Regierungszeit des sozialistischen Präsidenten Francois Holland ein hartes gesetzliches Kündigungsverbot zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Denn wenn sich ein Unternehmen in Krisensituationen nicht von Mitarbeitern trennen kann, dann wird es alles daran setzen, keine neuen Mitarbeiter einzustellen.

Doch Empathie für das Unternehmertum ist Mangelware bei politischen Entscheidungsträgern. Die allermeisten Berufspolitiker sind sozialisiert im Dunstkreis des öffentlichen Dienstes mit seinem vom Berufsbeamtentum geprägten Anspruch: Einmal dabei, immer dabei! Man vergegenwärtige sich nur den beispiellosen Aderlass an langjährigen Fachkräften, den die Rente mit 63 seit 2014 in unzähligen Betrieben bewirkt hat. Rund 1 Million eingespielte Fachkräfte wurden durch die Verlockung der abschlagsfreien Rente aus den Unternehmen „herausgekauft“. Dafür auf einem leergefegten Arbeitsmarkt Ersatz zu finden, war und ist in weiten Teilen Deutschlands nahezu unmöglich.

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Zu einem weiteren Sargnagel für die unternehmerische Freiheit wird auch die geplante Einschränkung der befristeten Beschäftigung werden. Dabei weisen die amtlichen Statistiken vor allem eine Bringschuld der öffentlichen Arbeitgeber aus. In der Privatwirtschaft gibt es prozentual viel weniger befristete Arbeitsverhältnisse als beim Staat. Statt die Privatwirtschaft zu drangsalieren, sollten Politiker lieber vor der eigenen Haustüre kehren. Dass die Arbeitsmarktregulierungen auch in sich inkonsistent sind, wird sich zeigen, wenn Bundesarbeitsminister Heil den Gesetzentwurf für die Einschränkung der befristeten Beschäftigung vorlegt. Denn auf der einen Seite besteht der Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit auf Teilzeit, auf der anderen Seite der Rückkehranspruch in Vollzeit binnen ein bis fünf Jahren. Außer mit befristeten Verträgen kann ein Unternehmer aber doch wohl kaum die zeitlich befristete Arbeitsvolumen-Reduzierung der Bestandsbelegschaft kompensieren.