Tichys Einblick
Terrorattentate

Lieber nur Lamm Gottes

Die Medien Deutschlands sehen sich und ihre westliche Haltungswelt bei der Berichterstattung über die grausamen Terrorangriffe auf Christen, Kirchen und Hotels in Sri Lanka zu Ostern lieber als Opfer, denn als Aufklärer.

Chamila Karunarathne/Anadolu Agency/Getty Images

Vor allem die öffentlich-rechtlichen Grundversorger postieren sich ganz oben an der Spitze der Schweigespirale. Deren Arbeitsmotto: Eine feste Burg ist unser nicht wissen wollen! Das Gros der Presse der westlichen Welt präsentiert sich lieber als Lamm Gottes. Moderatoren und Korrespondenten halten sofort die andere Wange hin. Nein, nein, nein, es darf nicht sein, dass Islamisten Anschläge auf Christen verüben, ausgerechnet zum Osterfest.

Die klassische Journalistenfrage „wer“ wird partout nicht gestellt, darf nicht gestellt werden oder höchstens einen Tag später. Weil nicht sein darf, was nicht sein kann. Halleluja.

Ansonsten sprudeln deutschen Journalisten Worte hinter vermuteten und unbewiesenen Motiven von Taten wie fremdenfeindlich, rechtsradikal oder gar Behauptungen über Menschenjagden, Hass und Hetze schnell und selbstverständlich über die Lippen. Nicht so bei den islamistischen Terrorakten zu Ostern.

Unsere tägliche Nachrichtenausrichtung gib uns heute

Das höchste Fest der Christenheit, mit seinen Ostermessen, sollte nicht gestört werden durch vermutete islamistische Attentäter. Schon gar nicht nach dem verheerenden Brand von Notre-Dame de Paris zu Beginn der Karwoche. Der europäischen Kathedrale, wo die Dornenkrone von Jesus Christus aufbewahrt wird. Deren Brandursache wischten die Medien kollektiv schnell beiseite – wenn überhaupt, waren es Bauarbeiten. Um Gotteswillen kein terroristischer Anschlag.
Der journalistische Reflex bei den Terrorattentaten in Sri Lanka scheint nicht anders. Um Gotteswillen keine Muslime als Täter, lieber nur Christen als Opfer. So sollte zunächst die Medienbotschaft lauten. Anders kann es der Hörer, Zuseher und Leser nicht verstehen.

Arbeitsinstrument – Schere im Kopf

Wer noch einen Beweis braucht, wie die Nachrichtenausrichtung Deutschlands (ARD, ZDF, RTL) und weiten Teilen des Westens (BBC, CNN) funktioniert, konnte es jetzt zu Ostern wieder beim Hören, Sehen und Lesen erleben. Mehr als 16 Stunden brauchte am Ostersonntag das Info-Flaggschiff der ARD, die tagesschau, nur um um 20 Uhr eine zaghafte Frage nach islamistischen Attentätern zu stellen.

ARD-Korrespondent Peter Gerhardt wand sich 20:03 Uhr vor der Kamera sichtlich. Aber die Schere in seinem Kopf funktionierte: Behörden hätten zwar sehr schnell Verdächtige festgenommen. „Es wurde allerdings nicht ausgeführt, welchen Organisationen diese Menschen angehören. Auf die Frage, ob es sich um einen islamistischen Hintergrund handele, waren die Behörden äußerst zugeknöpft. Das wollte uns keiner bestätigen.“

Zuvor gab es in der tagesschau-Meldung keinen Hinweis auf die Täter der Anschlagsserie. Nur Verdächtige von extremistischen Organisationen. Welchen wohl? Islamistischen, wie sich viele Stunden verzögert herausstellt. Erst mehr als einen Tag später, am Ostermontag 11:30 Uhr, wird endlich klar, es waren islamistische Terrorristen der Gruppe „National Thowheeth Jama’ath“ (NTJ). Währenddessen die ARD kurz zuvor noch um 09:20 Uhr meldet, es ist unklar, wer hinter den Anschlägen steckt.

Nachrichten Made in Germany

Dabei tönten die ersten Meldungen über die Terrorakte an Christen in Kirchen und Hotels am Ostersonntag morgens früh um vier beim Aufwachen zum Kirchgang aus den Radios. Mehr als 16 Stunden für eine zaghafte Frage am Abend um 20 Uhr, die sich jeder Journalist in jeder Nachrichtenredaktion mit Erfahrung am Morgen selber stellen und beantworten kann. Denn wer sprengt sich bei Attentaten vor allem gegen Christen oder den Westen gern als Selbstmörder in die Luft? Islamisten! Stattdessen wurde den ganzen Ostersonntag mit den historischen Spannungen in Sri Lanka zwischen Buddhisten und Hinduisten abgelenkt. Die Worte Muslime fielen, wenn überhaupt, nur en passant. Islamisten schon gar nicht.

Selbst für den Fakt, dass es sich bei dem Bombenterror um „koordinierte Anschläge“ handelt, brauchen erfahrene Medien viele Stunden, um darüber zu berichten. Obwohl schnell klar war: Sechs Detonationen erfolgten fast gleichzeitig innerhalb von einer halben Stunde. Was für Nachrichtenhelden Made in Germany!

Doch auch beim Zappen in anderen westlichen Nachrichtensendern wie TV5, BBC oder CNN ist der Zuschauer nicht besser informiert. In den Nachrichtenbändern am Ostersonntag ist meist nur von „terrorists“ die Rede. Welche? Auch hier Fragezeichen.

Hingegen wurde bei den schrecklichen Anschlägen auf Moscheen in Christ Church Neuseeland in nur wenigen Stunden ohne große Beweise verbreitet, dass vermutlich ein schlimmer weißer Rechtsextremist zugeschlagen hatte.

Unterversorgt im ARD-Sendegebiet

Wer jedoch am Ostersonntag durch das Sendegebiet des MDR fuhr, wurde hier, wie von allen Nachrichtenversorgungsstationen, nicht über die Verantwortlichen der Terroranschläge auf Christen in ihren Kirchen zum Osterfest aufgeklärt. Na, wer denn, haben viele in den Autos beim Zuhören gerufen?! Sie wurden von der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung dabei im Stich gelassen. Ständig hieß es nur: Mehr als 200 Tote bei Anschlägen in Sri Lanka.

„Sri Lanka ist am Morgen von mehreren Bombenanschlägen erschüttert worden. Die Zahl der Toten ist auf mehr als 200 gestiegen. Im Laufe des Tages wurden weitere Explosionen gemeldet. Auch 32 Ausländer sind nach Angaben der Tourismusbehörde unter den Opfern. Mindestens acht Verdächtige wurden festgenommen.“

Und weiter: „Bei einer Reihe von Explosionen sind in Sri Lanka am Ostersonntag mehr als 200 Menschen getötet worden. Nach Polizeiangaben wurden zudem mindestens 450 Menschen verletzt. Wie die Tourismusbehörde inzwischen mitteilte, seien unter den Toten auch 32 Ausländer aus acht Staaten. Dazu gehörten Reisende aus Indien, den USA, Großbritannien, Portugal, China, den Niederlanden, aus Belgien und der Türkei.“

Aufklärung über Täter und Motive – gleich null. In solchen Fällen greifen die Sendeanstalten gern zur bekannten Ausrede: Es lägen ja von den Behörden keine Informationen vor. Man wolle ja – anders als bei Vorfällen in Sebnitz oder Chemnitz – keine Vermutungen anstellen. Journalistische Erfahrung wird also abgeschaltet. So gehört sich das in der ersten Reihe und mit dem Zweiten. Und so waren dann erst im Laufe des Ostermontags die selbst ernannten „Qualitätsmedien“ bereit, einen islamistischen Terrorakt einzuräumen.

Und so waren dann erst im Laufe des Ostermontags die selbst ernannten „Qualitätsmedien“ bereit, einen islamistischen Terrorakt einzuräumen. Selbst zwei Tage danach am Dienstagmorgen weigert sich die Nachrichtenredaktion von MDR Aktuell – „das Nachrichtenradio“ – Islamisten als Verursacher der Terroranschläge zu erwähnen. Auch der Moderator hat akute Spracheinschränkungen, das Wort „islamistisch“ zur Einordnung kommt nicht über seine Lippen. Taten richteten sich gezielt gegen Christen – aber von wem, das teilt MDR Aktuell samt Moderator seinen Hörern auch zwei Tage nicht mit. Bestenfalls erst ganz am Ende eines längeren Berichts ist von einer islamistischen Terrorgruppe die Rede. Das erfährt der Hörer nur, wenn er sehr lange zuhört. So wird täglich weiter manipuliert. (Zusatz: Nach einer Mail-Beschwerde des Autors O.O. via Hörer-Mail – journalistisch zu arbeiten und die Täter zu nennen – erwähnt der Moderator um 08.50 Uhr zum ersten Mal die Islamisten als Verursacher.)

Gebete in den deutschen und europäischen Kirchen für die fast 300 christlichen Opfer wurden so nicht mit islamistischem Terror in Verbindung gebracht. Solche Gründe konnte sich jeder Bürger mit wachem Verstand wie zu Zeiten des Ost-Blocks mit „Aktueller Kamera“ (DDR) oder „Wremja“ (UdSSR) fern der sozialistischen Einheitsnachrichten nur selber erschließen. Also Bürger – bei den Nachrichten schön wachsam bleiben! Gesunde Zweifel gehören heute wieder zum täglichen Überlebenselixier. Werden denn Journalisten Muslime und ihre Organisationen fragen, ob sie für die christlichen Opfer als Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz bei Solidaritätsbekundungen ein Kreuz tragen?