Tichys Einblick
Ökologische Ideologen

Die grüne Welt ist eine Scheibe – oder etwa nicht?

Verbieten und Besserwissen gehört zur Grünen-DNA. Andersdenken wird bekämpft. Erst wenn die Ökos auf den Zug der Zeit springen, ist es der richtige technologische Fortschritt. Grüne Befehlsketten diktieren jetzt das Leben unserer Gesellschaft.

imago/Emmanuele Contini

Göttergleich können die Grünen, dank ihrer Paladine, den mehrheitlich grünen Journalisten, über Deutschland hinwegschweben. Wasser predigen und Wein trinken. Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Politik sind unerwünscht. Falls doch, werden sie erbarmungslos bekämpft. Kaum ein Mensch fragt sich noch, woher kamen sie, was dachten und was wollten sie? Was stellen sie mit uns an? Deutschland geht’s doch gut, glauben viele bürgerliche Wähler. Also leisten wir uns eine ökologische Ablasspartei fürs schlechte SUV-Gewissen. Dabei ist die Menschwerdung der grünen Waldschrate in der Politik ein Sammelsurium der Lebenslügen und Technikfeindlichkeit.

Als Grünen-Guru Joschka Fischer Mitte der neunziger Jahre Gänsestopfleber (Foie Gras) aus dem Périgord zu seiner Leibspeise erkor, „ihr müsst mal was Gutes essen“, regte sich kein Journalist darüber auf. Im Gegenteil, das gehörte schließlich zum weltmännischen Stil eines Schulabbrechers. Denn die einzige Prüfung, die Fischer in seinem Leben bestanden hatte, war die Fahrprüfung.

Heute warten wieder wohlsituierte Grünen-Anhänger wie Journalisten andächtig auf andere Order von oben: „Habeck befiehl, wir essen kein Fleisch mehr!“ Immerhin hat es jetzt der Schriftsteller Robert Habeck zum Grünen-Anführer gebracht. Mit abgeschlossenem Lehrerstudium und promoviert zum Doktor der Philosophie – ein Joschka Fischer für besserverdienende Akademiker.

Wie schnell grüne Befehlsketten heutzutage wirken, beweist erneut Angela Merkels (CDU) Bundesregierung. Die Grünen fordern ein Verbot für private Online-Händler, beschädigte Retouren nicht mehr zu vernichten. Wenige Tage später meldet SPD-Bundesministerin Svenja Schulze mit ihrem grün durchwirkten Umweltressort: „Ausführung!“. Ein Gesetz, dass die Entsorgung beschädigter Online-Ware staatlich verhindert, sei auf dem Weg.

Ignoranz und Besserwissen gehört zum grünen Grundprinzip

Vor allem mit wissenschaftlich-technischem Fortschritt hat die Partei der Verbote jedoch ein großes Problem. Er wird nur akzeptiert, sobald die Grünen den Weg dahin anerkennen und anweisen. So wäre wohl auch Galileo Galilei dieser Tage für sein Andersdenken verurteilt wurden. Erst wenn die Ökos höchst selbst feststellen, die Welt ist keine Scheibe, erst dann ist sie eine Kugel und dreht sich um die Sonne.

Grüne geben sich gerne fortschrittlich, rennen am liebsten mit dem iPad unterm Arm herum. Doch das waren sie nie. Fortschritt ist bei ihnen eine Schnecke. An erster Stelle sehen sie nur Risiken. Chancen erkennen sie erst, wenn es ihnen in den Kram passt.

Computer waren bis 1990 in der Bundestagsfraktion „aus grundsätzlichen Erwägungen“ verboten. So bekam der spätere Büroleiter Joschka Fischers und Botschafter in Jamaika, Joachim Schmillen, vom Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Michael Vesper – heute Boss des Deutschen Olympischen Sportbundes – eine Abmahnung für die Benutzung eines Computers. Als die acht ostdeutschen Bündnisgrünen nach der Bundestagswahl 1990 davon hörten, hielten sie das für einen Witz und pfiffen sofort drauf – frei nach dem Motto: Endlich West-Computer!

Zwischen den grünen Parteizentralen von Bund und Ländern galt jedoch weiter mehrere Jahre noch ein Vernetzungsverbot. Selbst die internetaffinen „Die Piraten“, eine Art zeitliche Abspaltung der Ökos, warnen ihre Wähler auf ihren Seiten „Warum man die Grünen nicht wählen sollte“ – in Teilen der Partei „Die Grünen“ herrscht Technikfeindlichkeit!

Aber auch Handys und Mobilfunk schienen für die Ökos zunächst hoch gefährlich. Die Grünen und ihre Bürgerinitiativen mobilisierten nach 2000 vor allem in Städten wie Berlin und München gegen Mobilfunkmasten. So berichtete der Berliner Tagesspiegel am 21. Mai 2003: Angst vor Handys: Grüne wollen Funkstille/ Netzbetreiber weisen Forderung nach weniger Antennen als „physikalischen Unfug“ zurück. 16 Jahre später simsen und smarten sie, bis der Arzt kommt. Die Welt ist jetzt keine Scheibe mehr!

Von wegen Bahnfahren ist super – sie hassen die Trassen!

Bahnfahren gehört heute wie selbstverständlich zum grünen Credo, doch so selbstverständlich war es nicht. Grüne und ihre Bürgerinitiativen protestierten zunächst Ende der achtziger Jahre lautstark gegen den Bau der ICE-Trassen in Hessen bei Fulda oder in Nordrhein-Westfalen im Siebengebirge mit Sprüchen wie „Ich hasse, die Trasse!“. Mitte der Neunziger dann in Bonn sitzt Vater Bräsig alias Joschka Fischer bequem im ICE auf der Heimatfahrt zu seinem Wohnort Frankfurt und findet die schnellen Züge Klasse. Doch das wussten Bahningenieure und Lokführer schon zehn Jahre zuvor.

Selbst in Bayern drehten die Grünen durch, als am 15. Juli 1994 der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) in Nürnberg den ersten Spatenstich für den Bau der ICE-Trasse Nürnberg-Ingolstadt-München setzte. Der damalige verkehrspolitische Sprecher der Grünen Christian Magerl ätzte: Ministerpräsident Stoiber habe sich mit seinem „Spatenstich für ein Milliardengrab in Szene gesetzt“. Was für ein dummes, grünes Zeug: Die ICE-Strecke Berlin-Nürnberg-München ist wirtschaftlich wie ökologisch ein Erfolg für die Bahn und ihre Kunden. Schon ein Jahr nach ihrer vollständigen Eröffnung hat die Bahn 2019 das Flugzeug als Verkehrsmittel Nummer 1 zwischen beiden Metropolen abgelöst. 46 Prozent aller Reisenden nutzen den ICE, 30 Prozent das Flugzeug und 24 Prozent das Auto oder den Bus. Für diesen Erkenntnisgewinn brauchen Grüne 25 Jahre!

Krieg den Automobilen

In der grünen Neuzeit haben sich die ökologischen Kampfverbände nun dem Krieg gegen das Automobil verschworen. Erst wird der Diesel, einst gewünscht wegen seiner Sparsamkeit und seinem Beitrag zum Klimaschutz, nun mit irrwitzigen Stickstoffdioxid-Grenzwerten (40 Mikrogramm pro Kubikmeter) kaputt geschossen. Ein brennender Adventskranz im kleinen Zimmer ist gefährlicher. Jetzt gerät der Benziner wegen seines höheren CO2-Ausstoßes ins Visier der Ökos – Feuer frei aus allen Bambusrohren. Das Elektroauto wird wie ein Trojanisches Pferd als Alternative vorgeführt bis auch dessen Nachteile nach grüner Ansicht dann überwiegen. Bei allem Geheuchel von Greta und ihren sieben Elektrozwergen für das e-mobile Zeitalter: Die Grünen wollten es nicht einleiten, obwohl ein grüner Bundestagsabgeordneter vor 33 Jahren mit einem solargetriebenen Elektromobil im Bonner Regierungsviertel vorfuhr.

Elektro-Autos gefährden die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs

Der bodenständige Parlamentarier Heinz Suhr aus Bayern erinnert sich daran, wie er im Juni 1986 mit einem Elektromobil zum Kanzleramt rollte, um Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Unterstützer zu gewinnen. Allerdings hatte Schäuble damals dafür keine Zeit. Suhr drehte dennoch im Kanzleramt noch eine solargetriebene Ehrenrunde. Kaum kehrte er zu seinem Abgeordnetenbüro ins Bonner Tulpenfeld zurück, verteilten seine grünen Parteifreunde bereits schriftliche Abmahnungen via Pressemitteilungen. „Es gab bei den Grünen Heckenschützen gegen das Elektromobil“, berichtet 67-Jährige Suhr von grünen Kampftagen.

Sein Elektroauto mit Solarzellen auf dem Dach, ein Eigenbau von Ingenieuren unter anderem von Daimler, war ihnen ein Greuel. Suhrs Kollege Jürgen Reents warf ihm vor, das Elektroauto mit Getriebeteilen eines österreichischen Panzerproduzenten gebaut zu haben. Suhr lachte sie aus, besser sie bauen Getriebe für solare Elektromobile. Sein NRW-Bundestagskollege Dieter Drabiniok aus Bochum lachte dagegen nicht. Elektromobile würden Personen vom öffentlichen Nahverkehr abhalten und seine Zukunft gefährden, klagte er Suhr an. Dabei nutzte Drabiniok damals als Händler für Biogemüse jedoch gerne einen „alten, stinkenden Mercedes-Diesel als Lieferwagen“, weiß Suhr noch heute.

Nun habe es über 30 Jahre gedauert mit der Elektromobilität, dabei hätte Deutschland so weit vorn sein können, bedauert der Bayer. Suhr feixt in seiner Heimat Kempten über die grüne Ignoranz: „Mein Gott, wie oft habe ich schon recht gehabt.“ Grüne – Chance verpasst!

Grüner Basis-Protest gegen die Folgen der eigenen Öko-Politik

Gern tobt sich die Basis in urgrüner Manier gegen den Bau von Straßen- und Bahnprojekten, Energieleitungen für Ökostrom oder Pumpspeicherwerken aus. Oft Vorhaben, die sie umweltpolitisch einfordern, aber in der Umsetzung dann Bürgerproteste verursachen, wenn die Öko-Basis auf Wirklichkeit trifft.

Natürlich sind Kohlekraftwerke für Grüne und ihre willigen Schüler Dreckschleudern, Erdgaskraftwerke schlecht fürs Klima und CCS-CO2-Speichertechniken Teufelszeug – Arbeitsplätze und Industriestandort Deutschland zweitrangig. Die regenerative Energie allein, bringt grünes Glück ins Heim. Die Sonne scheint bei Grüns auch nachts, der Wind weht ständig und Strom kommt aus der Steckdose – im Bedarfsfall Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen und Tschechien. Verlogener geht es nicht. Doch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ebnet ihrer Lieblingspartei den Weg zum Sieg.

Fortan diktieren Merkels Grüne gerne mit ihrer ökologischen Deutungshoheit und dank journalistischer Unterstützung den Weg in eine teure Zukunft. Wer andere Pfade aufzeigt, wird fix als Klimaleugner und Klassenfeind gebrandmarkt. Denn was die Grünen beschließen, muss sein. Zweifel sind nicht erlaubt. Auf die richtige Haltung oder den Klassenstandpunkt kommt es an. Darum herum wird dann die grüne Welt mit einer Kommandowirtschaft geordnet. Willkommen in der grünen DDR!

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