Tichys Einblick
Kritik des Bundesrechnungshofs

Die Deutsche Bahn sollte ranklotzen, statt Schwellen zu zählen

Der Bundesrechnungshof rügt die Deutsche Bahn und Journalisten springen darauf an. Ja, die Bahn bleibt ein teurer Staatskonzern und kommt ohne Steuergeld nicht aus. Doch das ist die Folge einer falschen Politik.

Thomas Lohnes/Getty Images

Ja, die Bahn fährt auf der Kante, und sie bleibt ein träger Tanker im deutschen Verkehr. Obendrein braucht das Unternehmen im staatlichen Besitz mehr Geld, weil die Privatisierung praktisch gescheitert und der Konzern weiter politisch beeinflusst ist. Anstatt sich vor allem um Netz und Züge zu kümmern, soll aus klimatechnischen Propagandagründen zunächst eine grüne Bahn entstehen mit ganz viel teurem Ökostrom sowie grünen statt roten Streifen auf den ICE. Auch das Personal ist nicht ganz billig und wächst ständig, um den zusätzlichen Verkehr auf den in die Jahre gekommenen Schienen irgendwie noch bewältigen zu können. Hinzu kommen überdurchschnittliche Lohnerhöhungen, kostspielige wie komplizierte Bauleistungen für Erhalt und Modernisierung des Netzes unterm rollenden Rad. Das führt zu hohen Ticketpreisen und reicht dennoch nicht aus. 

Deswegen braucht das öffentliche Bahnnetz zusätzliche Milliarden, denn es wurde von der Politik und deren eingesetzten Bahnvorständen seit Jahrzehnten aufgrund leerer Staatskassen zunächst kaputtgespart.

Nun ist die Empörung groß, wenn die Schiene unbürokratisch mehr Geld bekommen soll. Es geht um die sogenannte „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III“ mit der der Bund der DB AG für ihre verschlissene Infrastruktur ein stattliches Budget von gut 58 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren zur Verfügung stellt. Von 2020 bis 2024 sollen die Bundesmittel von bislang 3,5 auf 4,65 Milliarden Euro erhöht und in den Jahren 2025 bis 2029 dann 5,6 Milliarden aufgewendet werden. Die Bahn muss dabei insgesamt 31 Milliarden Euro Eigenmittel beisteuern.

Teurer Strom – teure Preise

Schnell ist bei Journalisten von einer „XXL-Infusion aus der Steuerzahler-Kasse“ die Rede, weil die Bahn es trotz ständiger Preiserhöhungen nicht schaffe, ihren Investitionsbedarf aus eigenen Mitteln zu stemmen. Das mag vordergründig stimmen.

Aber so ist das eben, wenn der gewünschte Öko-Betrieb durch üppige Gehaltssteigerungen, alte Züge und steigenden Verschleiß im Netz mangels Staatsknete in der Vergangenheit jetzt seine Schleifspuren hinterlässt.   

Zudem hätten die Prüfer des Bundesrechnungshofes auch noch gefordert, dass dieses Geld auf keinen Fall im Block und damit ohne Konditionen freigeschaltet werden dürfe, rumort die Presse-Kritik im Blätterwald. Die Rechnungsprüfer plädierten dafür, die Haushaltsmittel nur in Tranchen „jede zwei Jahre“ freizugeben. Eine strenge Bürokratie soll also wieder Verkehrsprojekte verzögern und ausbremsen sowie die Bauindustrie abschrecken.

Ohne Durchblick
Verkehrswende? Der reinste Bahnsinn
Sicher ist der Schienenvorstand unter Führung von Bahnchef Richard Lutz keine kreative Kampfgruppe. Doch das Schwellenzählen bei den bisher nicht ausreichenden Mitteln hat erst zu diesem Zustand geführt. Die Bahnbauindustrie fuhr wegen des langjährigen Auf und Ab bei der Schienenfinanzierung ihre Kapazitäten deutlich herunter. Die Folge: Es gibt weder ausreichend Planungsingenieure noch Bauarbeiter und Technik – selbst Baukräne sind inzwischen rar – und das treibt die Preise in die Höhe genauso wie die Bauzeit für dringend notwendige Sanierungsarbeiten in die Länge.

Erst seit wenigen Jahren darf die Bahn nicht abgerufene Bundesmittel ins nächste Haushaltsjahr schieben. Vor nicht allzu langer Zeit verfiel das Staatsgeld schon nach einem Jahr, weil der Zwang zu europaweiten Ausschreibungen durch Klagen ferner Mitbewerber dringend notwendige Bahnbauarbeiten unnötig verzögerte. Frühere Bahnchefs berichten: Die deutsche Bauindustrie habe sich wegen ständig verschärfter Vorschriften immer mehr aus dem Bahnbau verabschiedet. Dafür seien halt billige Osteuropäer meist nur kurzfristig eingesprungen. Attraktiv ist in Deutschland nur der freie Wettbewerb für andere Bahnanbieter. Gleichzeitig schotten Nachbarländer wie Frankreich oder Italien ihre Bahnmärkte entgegen aller europäischen Appelle zu mehr Wettbewerb auf der Schiene ab. Getreu nach EU-Motto: In Brüssel wird’s erdacht, in Deutschland wird’s gemacht – in Frankreich und Italien wird gelacht!

Viele Milliarden für Flüchtlinge sind über Nacht vorhanden

Ausgerechnet Politiker aller Coleur wie Medien beklagen jetzt wieder jede Milliarde, die bei Bahn- oder Straßenprojekten eventuell zu viel ausgegeben werden muss. Sie regen sich über Kostensteigerungen auf, die das politisch verordnete System ständig verschärfter Vorschriften bei Planung, Genehmigung, Sicherheit, Umwelt und Technik verursacht – sogar noch während des Baus inklusive zeitverzögernder Verbandsklagen vor Projektbeginn.

Einerseits zählen vor allem Journalisten immer wieder gerne bei der Finanzierung von großen Bahnprojekten wie Stuttgart 21 jede Schwelle und Betonpfeiler. Andererseits drücken sie bei hundert und mehr Milliarden für Asylflüchtlinge selbst ihre Hühneraugen zu. Für die Rundumversorgung auf weltweit höchstem Sozialniveau von zwei Millionen Asylbewerbern, die seit 2014 zum Großteil unkontrolliert nach Deutschland geströmt sind, stellt die Merkel-Regierung auf Kosten des Steuerzahlers nach eigenen Angaben weit über 20 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Allein bis 2020 hat der Bund 94 Milliarden öffentlich zugegeben. Schon mit diesem Geld hätte man Deutschland in zehn Jahren zum modernsten Infrastrukturland der Welt machen können.

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) rechnete sogar vor: „Für eine Million Flüchtlinge geben Bund, Länder und Gemeinden 30 Milliarden Euro im Jahr aus.“ Bis 2025 nach zehn Jahren wären das also über eine viertel Billion Euro. Von strengsten Kontrollen bei der Vergabe der Steuerzahler-Milliarden an Asylbewerber war in der gleichgesinnten Presse zudem fast nie der Rede.

41 zusätzlich Milliarden nur für Erhalt des Verkehrsnetzes nötig

Lieber erregt sich jetzt die deutsche Elitepolitik und ihr angeschlossener Journalismus über zusätzlich notwendige Bahnmilliarden. Nur ein Beispiel: Der hochmoderne Untergrundbahnhof Stuttgart 21 soll zwar 7,7 Milliarden Euro vor allem wegen fast irrwitziger Bauauflagen kosten. Aber die Modernisierung von Berlins Kreuzknoten (Südkreuz, Gesundbrunnen, Westkreuz, Ostbahnhof, Zoo, Alex, Friedrichstraße) sowie der neue Hauptbahnhof haben vor mittlerweile über zehn Jahren insgesamt gut 18 Milliarden Euro verschlungen. Das hat gar keinen aufgeregt und Berlins Stadtregierung hielt dabei gerne die Hände für das Steuerzahlergeld des Bundes weit auf.

METZGERS ORDNUNGSRUF 40-2019
„Verkehrswende“ mit der Deutschen Bahn? Niemals!
Insgesamt gesehen sind diese Bahnkosten Peanuts im Vergleich zu einer viertel Billion für Asyleinwanderer. Schließlich hat die staatliche Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ bereits 2013 – also noch vor Beginn des Flüchtlingsstrom nach Deutschland – eine jährliche Unterfinanzierung von 7,2 Milliarden Euro festgestellt. Allein nur der Nachholbedarf (ohne Netzerweiterung und Verbesserung) beträgt 40,8 Milliarden Euro für Schienen und Straßen. Würde dieser über 15 Jahre abgearbeitet, ergebe nur der Erhalt einen durchschnittlichen zusätzlichen Beitrag von 2,7 Milliarden Euro jährlich, mahnte die Kommission. Sie warnte die Bundespolitik frühzeitig:

Bundekanzlerin Angela Merkel (CDU) betrachtet jedoch die Erneuerung der Lebensadern eines Landes offensichtlich als zweitrangig. Verkehrspolitiker kämpften in Koalitionsverhandlungen stets vergebens für deutlich höhere Ausgaben. Sie wurden meist nur mit einem kleinen zusätzlichen Milliardenbetrag abgespeist und ruhiggestellt. Zur Rechtfertigung hieß es dann immer schnell, Bahn und Länder könnten die Milliarden bei Schienen und Straßen gar nicht verbauen. Na wie denn, wenn die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten auf das notwendige Maß heruntergefahren hat, weil der Staat keine planungssichere Finanzierung über 15 Jahre oder mehr garantieren kann. Stattdessen wurde heute eine Milliarde mehr und zwei Jahre später wieder eine Milliarde weniger zur Verfügung stellt. Jetzt ist der Baumarkt leergefegt, weil andere Branchen schneller Aufträge vergeben und auch schneller zahlen.

Das kaputtsparen der Infrastruktur hat in Deutschland Tradition. Die Bahn musste im Zuge ihres geplanten Börsengangs ihre Planungskapazitäten radikal herunterfahren und ganze Ingenieurbüros auflösen. Eine privatwirtschaftliche Bahn sollte ihren Bau mit Börsenmitteln (Aktien) neu organisieren, so die Vorgabe des Bundes damals. Die Politik sagte aber den Börsengang ab und die Aktien-Milliarden fielen aus. Der Bund musste sparen und der Bahn fehlte so das Geld.

Erst in den vergangenen fünf Jahren erhielt der Schienenkonzern wieder mehr staatliche Finanzspritzen. Doch die Sanierung der maroden Gleise, Weichen, Bahnhöfe und Stellwerke ist inzwischen zu einem Generationenprojekt geworden. Obendrein hat sich die Bahn auch dafür mit 19,5 Milliarden Euro hoch verschuldet und der Konzerngewinn schrumpft seit Jahren.

So sieht sich die klamme Bahn gerne selbst:

Trotzdem rollen täglich rund 40.000 Züge verschiedener Bahnunternehmen über das deutsche Schienennetz mit einer Streckenlänge von rund 38.500 Kilometer. Praktisch auf jedem Gleiskilometer täglich ein Zug. Es ist ein Riesensystem und das längste in Europa. Zwei Milliarden Passagiere bewegen die Bahnen Deutschlands im Jahr – also fast zweimal die Bevölkerung Indiens. Um nicht auf das Transportniveau solcher Staaten hinab zu fallen, sind jetzt viele Milliarden notwendig, die der Bund Jahrzehnte zuvor wegen knapper Kassen eingespart hat.