Tichys Einblick
Von wegen „jünger, bunter und weiblicher“:

„Alte weiße Männer“ kommen im Potential der CDU gut an

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kursiert ein Papier, das zeigt, wer Wahl-Tore schießt und wer nicht. Generalsekretär Tauber gab schon vor einiger Zeit die Parole aus, die CDU müsse „jünger, bunter und weiblicher“ werden. Eine Studie zeigt, Tauber irrt.

© Thomas Lohnes/Getty Images

Beim Fußball ist es klar: „Entscheidend ist auf’m Platz.“ Überträgt man diese Weisheit von Dortmund-Legende Adi Preißler auf die Politik, muss es heißen: Entscheidend ist an der Urne. Denn was nutzen einem Politiker rhetorische Brillanz und intellektuelle Höhenflüge, wenn die Wähler das am Wahltag nicht belohnen.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kursiert ein Papier, das zeigt, wer sozusagen Tore schießt und wer nicht. Erstellt hat es ein angehender Münchner Politikwissenschaftler, der die Entwicklung der Erststimmen von Unionsabgeordneten in einer Langzeitstudie untersuchte. Ausgangspunkt ist das Jahr 1998, als die CDU/CSU bei Helmut Kohls schwerer Niederlage gegen Gerhard Schröder nur noch 102 der Wahlkreise direkt gewinnen konnte. Das war 2013 anders: Da eroberte die Union 233 der 299 Direktmandate.

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Bei der Schröder-Wahl 1998 erreichte die CDU/CSU 39,5 Prozent der Erststimmen, bei der Merkel-Wahl 2013 waren es 45,3 Prozent, ein Zugewinn von 5,8 Prozentpunkten. In der Münchener Untersuchung werden die Erststimmen-Ergebnisse in 230 (unverändert gebliebenen) Wahlkreisen von 1998 mit denen von 2013 verglichen. Das Ergebnis: Es gab zum Teil deutliche Zugewinne. In Baden-Württemberg holten die CDU-Bewerber 2013 im Schnitt 8 Prozentpunkte mehr an Erststimmen als 1998, in Nordrhein-Westfalen dagegen nur 4,8 Punkte. In Hamburg und Bremen blieben die CDU-Kandidaten 2013 sogar noch 0,2 Punkte beziehungsweise 1,25 Punkte unter den schlechten Ergebnissen von 1998.

Die mit Abstand erfolgreichsten Stimmenfänger der CDU/CSU waren 2013 Christian von Stetten im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe mit einem Zuwachs von 15,1 Prozent, gefolgt von Wolfgang Bosbach mit einem Plus von 12,3 Prozent im Rheinisch-Bergischen Kreis und Hans-Peter Friedrich mit plus 12,2 Prozent im bayerischen Wahlkreis Hof.

Stimmenfänger „weiße Männer über 60″

Der Zugewinn dieser Spitzenreiter im Vergleich zu 1998 lag also deutlich über dem CDU-Zuwachs, muss folglich etwas mit den Personen, ihrer Politik und ihrer Wahlkreisarbeit zu tun haben. Interessant: Die drei „Stimmenkönige“ von Stetten, Bosbach und Friedrich verbinden eine konservative Grundhaltung mit klaren ordnungspolitischen Überzeugungen. Anders formuliert: Die „am Hofe Merkel“ und von CDU-Generalsekretär Peter Tauber nicht sonderlich geschätzten Konservativen („weiße Männer über 60″) haben sich bei den Wählern als echte Stimmenfänger erwiesen, wobei von Stetten unter 60, mit 47 Jahren aber auch kein Jungspund mehr ist.

Talkshow-König Wolfgang Bosbach wird bei der Bundestagswahl 2017 nicht mehr antreten. Das hat mit seiner angeschlagenen Gesundheit zu tun, aber auch damit, dass selbst bei den Wählern angesehene und erfolgreiche Konservative in der CDU-Spitze nicht sonderlich angesehen sind. Bosbach hat darüber so gespottet: Für konservative Politiker wie ihn gebe es in der Bundes-CDU nur noch den Status „Duldung mit Arbeitserlaubnis.“

Nicht jeder Konservative in der CDU spricht so offen aus wie Bosbach, dass er sich in der Führung der „neuen“ CDU nicht mehr geschätzt fühle. Schließlich hat Generalsekretär Tauber schon vor einiger Zeit die Parole ausgegeben, die CDU müsse „jünger, bunter und weiblicher“ werden. Im hessischen Main-Kinzig-Kreis, wo Taubers Wahlkreis liegt und er bis 2014 Kreisvorsitzender war, wurde jüngst nach diesem Motto gehandelt. Als Kandidatin für den Kreistag Anfang März dieses Jahres präsentierte die CDU die 49-jährige Unternehmensberaterin Srita Heide, in Kalkutta geboren und seit zwei Jahrzehnten in Deutschland. Diese Kandidatin, so schwärmte Tauber, verkörpere „die moderne Volkspartei CDU“.

Die Wähler sahen es offenbar anders. Die CDU-Kandidatin „neuen Typs“ scheiterte bereits im ersten Wahlgang mit 21,2 Prozent der Stimmen gegen einen ziemlich unbekannten SPD-Bewerber, der mit 57,9 Prozent triumphierte. Bei der vorangegangenen Landratswahl hatte ein „alter, weißer CDU-Mann“ den amtierenden SPD-Landrat immerhin in die Stichwahl zwingen können. Womit wir wieder bei Adi Preißler wären: „Entscheidend ist auf’m Platz.“