Tichys Einblick
Luftfahrt, Raumfahrt, Verteidigung

Bullenmarkt Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung und was das mit Ethik zu tun hat

Wer nach einem Anlage-Sektor sucht, der ausgezeichnete langfristige Aussichten hat und dabei von Hochtechnologie geprägt ist, wird im Aerospace & Defense Sektor weiter fündig. Die ethische Frage ist in Deutschland Doppelmoral.

Manchmal muss man Dinge einfach wiederholen, die schon gesagt wurden und das will ich auch heute in einem (für mich) eher kurzen Beitrag tun.
Bitte lesen Sie unbedingt, was ich Ihnen hier bei Tichy am 24.10.16 in Wohlfühlinvestments und die böse Rüstung schon geschrieben habe. Der Artikel ist nach wie vor aktuell, obwohl er schon vor Trumps Sieg geschrieben wurde.

Das hohle Versprechen des „ethischen Investierens“

Darin zerlege ich die Logik der „ethischen Investments“, die nämlich in meinen Augen mehr Wohlfühl-Placebo, als ernst zu nehmen sind. Und ich skizziere darin die absehbar positive Entwicklung des ganzen Aerospace & Defense Sektors, die auch eindrucksvoll eingetroffen ist.

Hier die Placebo-Argumentation – Zitat:

Das war Anlass genug, uns in den letzten Wochen in der Mr-Market Community mal die Frage zu stellen, ob man denn durch Kauf einer Aktie überhaupt Einfluss nimmt? Sprich, was wäre eigentlich „ethisches Anlage-Verhalten“, wenn man zum Beispiel die Gentechnik von Monsanto ablehnt?

Die Antwort war recht klar. Ob man Monsanto an der Börse kauft oder nicht, hat auf das Unternehmen erst einmal keinerlei Einfluss und insofern gibt es da auch keine „ethische Komponente“, außer in der Einbildung. Denn die Aktie kauft man eben von einem anderen Marktteilnehmer und dadurch fließt Monsanto kein einziger Cent zu. Wenn es nicht eine Namensaktie ist, bekommt es das Unternehmen noch nicht einmal mit.

Nur wenn man sich an einer Kapitalerhöhung beteiligt, liegt die Sache anders. Dann stellt man Monsanto tatsächlich frisches Kapital zur Verfügung. Dann nimmt man damit Einfluss und stärkt das Unternehmen durch frisches Kapital. Nun könnte man argumentieren, dass durch den „Boykott“ der „unethischen“ Unternehmen, ja deren Finanzierungsbedingungen verschlechtert werden, man diese also mit dem Boykott sozusagen schädigt.

Theoretisch ist da was dran, aber wie bei allen Boykott-Maßnahmen nur dann, wenn sich fast alle daran halten würden, was hier aber völlig unrealistisch ist. Denn bei Aktien gibt es eben immer genug, die „billige“ Aktien gerade deshalb kaufen, weil sie „billig“ sind, womit der „Boykott“ schnell wieder ausgeglichen wird. Wie Wasser, fließt das Kapital des Marktes halt recht zuverlässig in die tiefsten Senken (= besten Chancen) und am Ende ist wieder alles wie vorher (= Mean Reversion).

Es gibt aber noch einen Aspekt. Als Aktionär ist man Miteigentümer des Unternehmens und hat daher Rechte, man kann zum Beispiel über die HV auf das Unternehmen Einfluss nehmen. Nur wer Aktionär ist, kann also mithelfen, das Management von beispielsweise Monsanto zu beeinflussen. Wer „ethisches Investieren“ also ernst nimmt und nicht nur als „Gutfühl-Placebo“ versteht, müsste gerade Aktionär der Unternehmen werden, deren Verhalten der Anleger aus ethischen Erwägungen ändern will. Solche Fonds sind aber höchst selten und erfordern wirklich aktives Management der Beteiligungen.

Das Gegenteil aber zu tun, Fonds zu kaufen, die diese „unethischen“ Aktien bewusst vermeiden, ist in meinen Augen ohne jeden Effekt und reiner Placebo. Es dient dem eigenen Wohlgefühl, aber nicht der Sache. Da kann man sich auch gleich einen Aufkleber „Ich investiere ethisch und nachhaltig“ an die Heckscheibe kleben, der hat ungefähr die gleiche Wirkung auf die Welt.
Wie ich oben sagte, sich zu „den Guten“ zu zählen, ist nach meinem Eindruck zu oft wichtiger geworden, als wirklich „Gutes zu tun“. Letzteres ist ja auch wirklich mühselig.

Wer also wirklich etwas bewegen will, muss entweder Aktionär werden und über den Weg der Mitbestimmung als Aktionär die Unternehmen von innen her verändern. Oder muss als „Aktivist“ von außen für mediale Aufmerksamkeit sorgen, um so Druck auf Unternehmen zu machen.

Wer aber glaubt, man würde dadurch etwas verändern, dass man vom gemütlichen Wohnzimmersessel aus bestimmte Aktien schlicht *nicht* kauft, pflegt das egozentrische Wohlbefinden, hat aber ansonsten keine relevante Wirkung auf die Welt.

Bullenmarkt Aerospace & Defense

Womit ich heute erneut zu den Aktien des Aerospace & Defense Sektors zurückkomme, denn da haben wir es ohne jeden Zweifel mit einem markanten Bullenmarkt zu tun, der keinesfalls am Ende angekommen ist.

Hier finden Sie das Chart des US Sektor-ETFs ITA, der alle großen amerikanischen Unternehmen von Boeing (BA) bis Lockheed Martin (LMT) beinhaltet. Ich „fieser Kerl“ habe mir erlaubt den 24.10.16 zu markieren, als ich Ihnen hier auf TE den am Anfang genannten Artikel geschrieben habe, die Differenz ist ein Anstieg von 60% in 1,5 Jahren, nicht schlecht Herr Specht:

Deutsche Doppelmoral

Das Thema passt ja auch sehr gut in die Gegenwart, weil Donald Trump seine  Drohungen gegen deutsche Autobauer derzeit auch damit begründet, dass die US jahrzehntelang von Deutschland bei der Verteidigung ausgenutzt wurden.

Nun verknüpft er da zwei Dinge, die nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben und verkürzt auch stark die Zollthematik, denn er unterschlägt, dass zwar die EU für PKW 10% Einfuhrzoll nimmt und die US nur 2,5%, bei Vans und Trucks die US aber satte 25%, also das Zehnfache verlangt und damit ihren Markt faktisch abschottet, die EU aber immer noch 10%, was die Sache im Saldo ausgleicht. Handelspolitik ist halt komplexer als nur zwei Steuersätze zu vergleichen.

Trotzdem trifft er eine ganz schwache Stelle, denn die Haltung der deutschen Regierung und Bevölkerung zum Thema Verteidigung hat nach meinem Dafürhalten schon den Geruch von Doppelmoral. Wir nehmen den US Atomschirm gerne, verachten aber die US – und die US Firmen – die dafür sorgen.

Ich habe hierzu eine spannende Gallup-Studie aus dem Jahr 2015 gefunden, die Sie sich graphisch aufbereitet hier mal anschauen sollten. Deutschland liegt mit 18%, die bereit wären für das eigene Land zu kämpfen, in Europa damit auf dem vorletzten Platz. Ich bin nicht überrascht, wie haben vergessen was es heißt, als Land erpressbar zu sein und wir haben es vergessen, weil wir unter dem Schirm der US leben konnten, ohne uns darüber Gedanken zu machen.

Es könnte die Bevölkerung verunsichern

Wenn wir dann wenigstens aus unserer Verachtung für den Militärapparat der US Konsequenzen ziehen würden und für eine eigene, angemessene Verteidigung im europäischen Rahmen sorgen würden, würde das aber erstens auch sehr viel mehr Geld kosten als heute und zweitens müssten wir uns erneut und direkt der atomaren Frage im Zusammenspiel mit Frankreich stellen.

Das wollen wir dann aber doch lieber nicht, es könnte ja sozusagen „die Bevölkerung verunsichern“. Wir geben das Geld also lieber für andere Dinge aus – ganz „ethisch“ natürlich – und nutzen gerne die Vorteile der NATO und erheben uns moralisch über die „Kriegstreiber“ in den US, die die NATO im Wesentlichen betreiben. Warum nur finde ich persönlich genau das „unethisch“, weil voller Doppelmoral?

Womit wir auch wieder beim „ethischen Investieren“ sind. Wollen die, die nicht in Northrop Grumman investieren wollen, wirklich für sich keinen Atomschirm? Wollen die, die nicht in Handwaffenhersteller investieren wollen, diese Waffe wirklich nicht in der Hand von Polizei und Militär, die sie schützen sollen? Wenn doch, wie kann man „ethisch“ pauschal ablehnen, wovon man gerne auch profitiert?

Wenn man sich der sehr schwierigen, ethischen Frage mal abseits des Wohlfühlens wirklich nähert, kommt man schnell zum Ergebnis, das es nicht so einfach ist, denn nicht Waffen töten, sondern Menschen. Mit Waffen kann man ebenso die eigene Familie verteidigen, wie man einen Unschuldigen töten kann. Waffen sind Werkzeuge, die für Gutes ebenso wie für Schlechtes eingesetzt werden können.
Ich persönlich bin ein großer Fan strikter Waffenkontrolle wie in Deutschland und halte rein gar nichts davon, Waffen jedem in die Hand zu drücken wie in den US. Eine restriktive Waffenpolitik ändert aber nichts daran, dass die ethische Frage primär mit dem Einsatz der Waffen durch Menschen zu tun hat.

Nun will ich damit nicht umgekehrt argumentieren, dass man sich der ethischen Frage bei echten Investments gar nicht stellen muss, sonst könnte man ja auch dem Hersteller einer Biowaffe Geld geben, deren Ziel es ist die ganze Menschheit auszurotten – es gibt fraglos Grenzen des rational Verantwortbaren, die individuell zu definieren sind.

Mein Punkt ist nur, dass diese Frage weit komplexer und vielschichtiger ist, als sich mit dem moralischen Ablasshandel „ethischer Investments“ einfach selber pauschale Absolution zu verschaffen. Eine pauschale Ablehnung von allem Militärischen und aller Waffen ist nur dann legitim, wenn man dann auch konsequent auf Armeen und Polizei verzichtet. Wir fassen uns dann als Blumenkinder einfach alle im Schlamm an der Hand und alles wird gut.

Der neue Wettlauf ins All

Was die weitere Entwicklung des Sektors und damit die Fortdauer dieses Bullenmarktes angeht, muss einem trotz der sensationellen Entwicklung, die man im Chart des ETFs ITA sieht, wohl eher nicht bange sein.

Denn zum Sektor gehört auch die Raumfahrt dazu, egal ob zivil oder militärisch. Leider ist der neue, faktische Marktführer – Elon Musks SpaceX nicht investierbar, weil (noch) nicht börsennotiert. Aber egal ob Lockheed Martin, Northrop Grumman oder Boeing, es sind die Unternehmen des Aerospace & Defense Sektors, die auch für die weitere Entwicklung der Raumfahrt maßgeblich sind. Und hier bahnt sich ein massiver, neuer Multi-Milliarden-Wachstumsmarkt an, denn die Technologie und der Wettbewerbs-Druck von SpaceX führt zu stark fallenden Kosten um Material in die Umlaufbahn zu bringen, was ganz neue Anwendungen und Geschäftsmodelle befördert.

Und der neue Wettlauf ins All, der durch die multipolare Welt befördert wird, wird ein Übriges tun. Warten Sie mal ab was passiert, wenn die Chinesen auf dem Mond landen und eine Station aufbauen, dann wird der Wettlauf so richtig Fahrt aufnehmen. Ich habe bei Mr-Market darüber schon 2012 geschrieben, als Elon Musk noch nicht so bekannt durch Tesla war: Der Mann, der mit Visionen nicht zum Arzt muss. Nun wird es langsam Realität.

Wer also wegen des Rüstungsanteils nicht in Unternehmen wie Boeing investieren will, schließt damit Raumfahrt gleich komplett für sein Depot aus. Übrigens auch Space-X befördert militärische Satelliten und selbst die gute deutsche OHB Systems, stellt diese her.

Praktizierte Ethik

Wer also nach einem Sektor sucht, der ausgezeichnete langfristige Aussichten hat und dabei von Hochtechnologie geprägt ist, wird im Aerospace & Defense Sektor weiter fündig. Und die Wahrscheinlichkeit ist nicht klein, dass ich in ein paar Jahren wieder an diesen Artikel erinnern kann und Ihnen dann ein Chart wie das des ITA zeige, das voller verpasster Chancen ist.

Vielleicht hat in ein paar Jahren ja auch Deutschland eine etwas ehrlichere Haltung zum Thema gefunden. Wenn man wirklich an „Frieden schaffen ohne Waffen“ glaubt und die Mehrheit der Bevölkerung so eine Politik goutiert, ist das ja in einer Demokratie auch legitim und die Bürger müssen dann fairerweise halt die Folgen dieser Politik tragen, die sie sich gewünscht haben.

Sich aber von anderen beschützen zu lassen und die dann genau dafür zu verachten, ist das was ich persönlich als Doppelmoral empfinde. Und anlagetechnisch Waffenhersteller zu schneiden, sich aber über die Bundespolizei mit genau den Maschinenpistolen dieser Hersteller zu freuen, die bei Randale wie zum G20 das eigene Haus und Auto schützt, erscheint mir auch nicht viel besser – ethisch gesehen. Aber ich bin halt nicht die Mehrheit des Landes, ich bin nur ein gebildeter Bürger, der sich so seine Gedanken macht.

Ihr Michael Schulte (Hari)