Tichys Einblick
Stromtrasse zwischen Deutschland und Norwegen

Nordlink: Der Anschluss an die „Batterie Europas“ bringt Deutschland wenig

Die heute von Angela Merkel und der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg offiziell eingeweihte Stromtrasse NordLink zwischen Deutschland und Norwegen wird sich kaum lohnen – zumindest nicht für Deutschland. Von Klaus H. Richardt

Bundeskanzlerin Merkel und der norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg eröffnen heute Nordlink. Das ist die 623 km lange Hochspannungsgleichstromübertragungsleitung (1.400 MW, 525 kV) zwischen dem schleswig-holsteinischen Wilster und dem norwegischen Tonstad.

Man träumt davon, Windstrom nach Norwegen zu liefern, der dort verbracht oder indirekt gespeichert wird und bei Bedarf, während einer Dunkelflaute, zu uns zurückkommt.

Eigentlich eine gute Idee: Bei erneuerbarem Stromüberschuss in Deutschland liefern wir Strom nach Norwegen, der dort in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert wird, oder das in den dortigen Speicherseen vorhandene Wasser wird zurückhalten und stattdessen der deutsche Windstrom verbraucht; so wird unser Windstrom ‚indirekt gespeichert‘. Bei Bedarf bei uns wird dieser gespeicherte Strom wieder nach Deutschland zurückgeliefert.

Leider lässt man dabei die wesentlichen Randbedingungen außer acht:

  1. Norwegen hat zwar große Speicherseen für seine Eigenversorgung, aber nur wenig Pumpspeicherkapazität, da sie sich bisher nur selbst versorgt haben, kein übergeordneter Bedarf vorlag und kein Pumpstrom übrig war; zudem sind die vorhandenen Unterwasserspeicher sehr klein, was die Pumpspeichermöglichkeiten stark einschränkt.
  2. Die norwegische Kraftwerkskapazität reicht in der Regel nur aus, die Eigenversorgung zu decken, bei besonders kalten Wintern (zur Zeit unserer Dunkelflaute) muss Strom aus dem Ausland zugekauft werden.

 Quelle: Norges Vassdrags- og Energidirektorat

Obige Grafik zeigt die von 2002 bis 2017 gemittelten wöchentlichen Stromproduktions- (rot) und -verbrauchswerte (blau), ein respektabler Überschuss von maximal 250 GWh/Woche (vertikale Differenz zwischen roter und blauer Linie) existiert nur von Woche 21 bis Woche 41, also von Ende Mai bis Mitte Oktober, einer Zeit in der es bei uns in der Regel genug Sonne und Wind gibt. Im Winter dagegen, bei Dunkelflaute, braucht Norwegen seinen Strom selbst. Dies wurde dem Autor indirekt von Tennet bestätigt, indem sie in Reaktion auf einen seiner Artikel schrieben: ‚Seit Nordlink im vergangenen Winter (Dezember 2020) in den Probebetrieb ging – und seit Ende März im Regelbetrieb ist – hat Norwegen in etwa 2/3 der Zeit Strom nach Deutschland exportiert‘. Und: Der Eigenbedarf in Norwegen ist so hoch, dass man im Jahr 2019 mehr Strom zukaufen musste, als man selbst erzeugt hat.

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Wettbewerb um Strombezug/-verkauf von/nach Norwegen gibt es auch schon – mit Großbritannien, Holland, Dänemark, Schweden und Russland. Da können wir unseren Windstrom nur billig verkaufen und bekommen vom in Norwegen maximal wöchentlich verfügbaren Überschuss von 250 GWh im Sommer nur einen Teil ab. Theoretisch würden 250 GWh/Woche bei uns bei einem stündlichen Maximalbedarf von 90 GW Leistung nur knapp 3 Stunden reichen, aber wegen der geringen Kapazität der Nordlink-Leitung von 1.400 MW könnten wir nur 1,4 GW davon beziehen, also 1,6 Prozent unseres Maximalbedarfes.

Fazit zu Nordlink: Eine zwei Milliarden Euro teure Investition mit wenig Nutzen, selbst wenn die Pumpspeicherkapazitäten in Norwegen in Zukunft durch Neuinvestionen gesteigert würden. Aber auch diese Steigerung wird nur mäßig ausfallen, da man in Norwegen aus Umweltschutzgründen keine Salzwasserspeicher (von den Fjorden auf die Berge) will.

Das heißt, aus der Stromautobahn Nordlink ist eher ein teurer Trampelpfad geworden: Man hat zwei Milliarden Euro in eine 1.400 MW Stromleitung investiert, die nur die Versorgungssicherheit für Norwegen erhöht und uns nahezu keinen Nutzen bringt. Im Gegenzug dazu wird das supermoderne 1.465 MW Steinkohlekraftwerk Moorburg (Baukosten: 3 Mrd. Euro) verschrottet, das mit einem hohen Wirkungsgrad immer verfügbar war und bei Dunkelflaute nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme geliefert hat.

Wieder ein Beispiel für den amateurhaften Ansatz der Energiewende: Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Eine professionelle Energiewende mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen sieht anders aus.


Klaus H. Richardt ist Diplom-Ingenieur und war 38 Jahre mit Entwicklung, Konzeption, Vertrieb, Realisierung, Inbetriebnahme, Betrieb und Modernisierung von Wasserkraft- und thermischen Kraftwerken (Nuklear-, Kohle-, Öl-, Müllheiz-, Gas-, Kombi- und Solarkraftwerke) beschäftigt. Mit der Energiewende befasst er sich in seinem aktuellen Buch „Damit die Lichter weiter brennen“.

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