Tichys Einblick
Liberale ohne Prinzipien

Klimaschutz: Wie die FDP die Freiheit aufgibt

Mit ihrer Forderung nach einem europaweiten Emissionshandel in allen Sektoren der Wirtschaft unterwirft sich die FDP dem kollektivistischen Ungeist. Das ist nicht marktwirtschaftlich, sondern ein Schritt in die Klimadiktatur.

© Steffi Loos/Getty Images

Jeder Tag, an dem hierzulande noch Kohlekraftwerke laufen, an dem Benzin- und Dieselfahrzeuge die Straßen füllen und Erdgasheizungen für angenehme Raumtemperaturen sorgen, ist ein guter Tag für die Bürger in Deutschland. Bringt uns doch jeder dieser Tage dem Zeitpunkt näher, an dem die politisch angestrebten Klimaziele endgültig nicht mehr erreichbar sind. Und spätestens dann implodiert die Klimaschutzideologie, weil sich ihre Gebote nicht nur als unnötig, sondern auch als nicht umsetzbar erwiesen haben.

Bis dahin allerdings bleibt uns der durch die Angst vor Klimaveränderungen befeuerte kollektivistische Ungeist erhalten, dem selbst die FDP nicht mehr entgegen treten möchte. Stattdessen propagiert sie einen europaweiten Emissionshandel über alle Sektoren hinweg als zentrales Kernelement ihrer neuen, auf dem kommenden Bundesparteitag Ende April zu beschließenden klimapolitischen Leitlinien. Der auf diese Weise etablierten umfassenden staatlichen Steuerung der Ökonomie klebt man das Etikett „marktwirtschaftlich“ auf, um ihre Unverträglichkeit mit liberalen Prinzipien zu verschleiern. Ria Schröder, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, und Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung, führen diese Täuschung in einem Gastbeitrag für die Welt exemplarisch vor.

FDP gegen „klimaschädliche” Emissionen

Tatsächlich bedeutet ein alle Wertschöpfungsketten in allen Branchen betreffender Zwang zum Kauf von Emissionsrechten zunächst vor allem Preissteigerungen bei allen Gütern und Dienstleistungen, von denen nur der Staat über die Mehrwertsteuer profitiert. Die eigentlich angestrebte Vermeidung von Emissionen erfordert zusätzlich eine immer weitergehende Verknappung des Gesamtvolumens an handelbaren Zertifikaten. Bis schließlich existierenden Bedarfen nicht mehr nachgekommen werden kann. Kraftwerke wären ebenso abzustellen, wenn sie keine Emissionsrechte mehr erwerben können, wie Eisenhütten und Zementmühlen. Tankstellen dürften keine Treibstoffe mehr anbieten. Gasversorger müssten ihre Leitungen zudrehen. Schröder und Paqué schreiben es in aller Klarheit auf: „Der Gesetzgeber muss feste Grenzen für den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen vorgeben – und darf mehr einfach nicht zulassen.“ Wenn also das übergreifend festgesetzte, Jahr für Jahr kleiner werdende Kohlendioxid-Budget verbraucht wurde, dann ist Feierabend, für den Ferienflieger nach Mallorca ebenso, wie für den Traktor des Landwirts, für den Gasherd im Restaurant ebenso, wie für das Taxi am Bahnhof.

So weit, denken die Verfechter des Emissionshandels, werde es sicher nicht kommen. Weil sie dem von naiver Ignoranz getragenen Irrtum unterliegen, es gäbe geeignete Substitute für fossile Energieträger. Denen eben ein Preisschild am Kohlendioxid zum erwünschten Durchbruch verhelfen könne. Schröder und Paqué sehen einen „starken wirtschaftlichen Anreiz, Emissionen einzusparen und durch Forschung und Entwicklung nach neuen Lösungen zu suchen.“ Dummerweise aber wird diese Suche ergebnislos bleiben.

Die bedarfsgerechte Versorgung unserer technisierten Lebenswelt verlangt nämlich einen insbesondere hinsichtlich steigender Nachfrage skalierbaren Zugriff auf Energie mit umfassender räumlicher und zeitlicher Flexibilität. Allein gespeicherte Potentiale bieten einen solchen. Allein unter Normbedingungen stabile, feste, flüssige oder gasförmige chemische Energieträger lassen sich verlustfrei und mit geringem Aufwand lagern und transportieren. Allein diese gestatten eine technisch simple und damit effektive Gewinnung sowohl von Wärme, als auch von elektrischer Energie und Vortrieb in allen benötigten Leistungsbereichen vom Feuerzeug über den Dieselmotor bis hin zu Kohlekraftwerken oder Hochöfen. Und allein die fossilen Kohlenwasserstoffe stehen in ausreichenden Mengen überall auf der Welt zur Verfügung. Es gibt keinen Ersatz.

FDP „unerbittlich” für „Klimaziele”

Wer meint, das Sammeln, Bündeln und Speichern natürlicher, volatiler Energieflüsse geringer Flächendichte biete einen solchen, dokumentiert nur seine Rechenschwäche. So liegt beispielsweise allein in Deutschland der Kraftstoffverbrauch im Verkehrssektor bei etwa 720 Terawattstunden pro Jahr, was sogar die hiesige Bruttostromerzeugung übertrifft. Natürlich weist die Kette Windenergie-Batteriepuffer-Ladesäule-Autobatterie-Elektromotor-Vortrieb trotz der Lade- und Entladeverluste einen etwa um den Faktor zwei höheren Wirkungsgrad gegenüber der konventionellen Variante auf. Es verbleiben also 360 Terawattstunden, die für eine vollständige Elektrifizierung des Verkehrs bereitgestellt werden müssten. Was mittels Windrädern von je fünf Megawatt Nennleistung bei optimistisch angesetzten 2.000 Vollaststunden durchaus zu schaffen ist. Wenn man denn von diesen Boliden mit Rotordurchmessern ab 130 Meter 36.000 Stück aufstellt. Um den Irrsinn dieser Vorstellung zu verdeutlichen, sei auf die Zahl von knapp 29.000 Windkraftanlagen mit einer durchschnittlichen Nennleistung von zwei Megawatt verwiesen, die sich hierzulande bereits drehen. Die Variante, Windenergie zur elektrolytischen Herstellung von Wasserstoff einzusetzen, der dann in Brennstoffzellen wieder verstromt wird, erfreut sich gerade wachsender politischer Popularität. Da die zusätzlichen Umwandlungsschritte in diesem Konzept den Wirkungsgrad weiter vermindern, erfordert es schon mehr als 70.000 Windmühlen. Man kann solche Abschätzungen nun seitenlang fortsetzen, für alle Sektoren von der Landwirtschaft über das produzierende Gewerbe bis hin zu den Haushalten. Man kann es mit Biomasse kalkulieren, mit Photovoltaik oder Solarthermie. Immer stellt sich dasselbe Resultat ein. Es gelingt schon technisch nicht, Kohlenwasserstoffe auf diesen Wegen in nennenswertem Umfang zu substituieren, von den Kosten ganz zu schweigen. Es mangelt den Alternativen nicht an Marktreife, wie Schröder und Paqué fälschlicherweise behaupten. Sie sind längst ausentwickelt und in einem fortgeschrittenen technischen Stadium, in dem noch mögliche geringe Optimierungen erhebliche zusätzliche Aufwände erfordern. Es mangelt den Alternativen an Konkurrenzfähigkeitund an quantitativem Potential.

Die größte Bedrohung für die marktbeherrschenden Stellungen von Kohle, Erdöl und Erdgas ist wohl Methanhydrat, das in geringen Mengen bereits von Russland, Japan und China gewonnen wird. Aber sonst ist da nichts. Wäre da etwas, hätte es sich, mehr als 300 Jahre nachdem mit Abraham Darbys Umstieg von Holz- auf Steinkohle in der Eisenverhüttung die industrielle Revolution begann, längst am Markt gezeigt und im Wettbewerb behauptet. Natürlich können andere Energietechnologien einen Beitrag leisten, in spezifischen Anwendungen und in bestimmten Regionen mit geeigneten geographischen Voraussetzungen. Natürlich können mit der Kernenergie neue Wertschöpfungsketten für Strom, Wärme und synthetische Kraftstoffe im Energiesystem entstehen. Natürlich ist die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen nicht zwingend mit Kohlendioxid-Emissionen verbunden, lassen sich diese doch abscheiden, abspeichern oder sogar verwerten. Natürlich lässt sich Kohlendioxid auch wieder aus der Atmosphäre entfernen. Aber alle diese Optionen werden nicht schnell genug in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, um die Klimaziele noch zu erreichen. An denen Schröder und Paqué trotzdem „unerbittlich“ festhalten wollen. Ausmaß und Geschwindigkeit der dafür notwendigen Emissionsreduzierungen bedingen Verzicht. Ob dieser durch Verbote, durch direkte Steuern oder indirekt durch einen Emissionshandel erzwungen wird, bedeutet für die betroffenen Menschen keinen Unterschied.

FDP im Klimawandel

Offensichtlich unterwirft sich die FDP nun ebenfalls der grünen Propaganda, nach der jedwede Klimaveränderung mit einer Katastrophe gleichzusetzen ist. Tatsächlich aber konfrontiert kein Klimawandel die Menschheit mit Risiken, die sie nicht schon kennt und auf die sie sich nicht schon eingestellt hat. Der Meeresspiegel steigt schon seit der letzten Eiszeit. Der nächste Tornado, der nächste Hagelschlag und die nächste Flut kümmern sich ebenso wenig um den Emissionshandel, wie die nächste Dürre oder der nächste Starkregen. Ob es in einer im globalen Durchschnitt wärmeren Welt mehr oder gar weniger zerstörerische Wetterereignisse geben würde, ob diese extremer ausfallen oder sich gar abschwächen, vermag niemand sicher vorherzusagen. Die verbreitete Auffassung, mit Modellrechnungen könne man die Zukunft des hochkomplexen, von zahlreichen Faktoren und Rückkopplungen geprägten irdischen Klimasystems verlässlich prophezeien, zeugt nur von wissenschaftlichem Analphabetismus. Außerdem waren die Fähigkeiten der menschlichen Zivilisation, sich einerseits vor den destruktiven Kräften der Umwelt zu schützen und andererseits jedwede Veränderung der natürlichen Rahmenbedingungen zu ihrem Vorteil zu nutzen, nie größer als heute. Wozu die Verwendung von Kohle, Erdöl und Erdgas wesentlich beigetragen hat.

Wir verbrennen die fossilen Energieträger ja nicht zum Spaß, sondern um damit Wertschöpfung zu generieren, die in Wohlstand mündet. Auch unter diesem Aspekt ist jeder Tag, an dem hierzulande noch Kohlekraftwerke laufen, an dem Benzin- und Dieselfahrzeuge die Straßen füllen und Erdgasheizungen für angenehme Raumtemperaturen sorgen, ein guter Tag für die Menschen in Deutschland.

Schröder und Paqué aber finden diese Gegenwart „niederschmetternd“, weil sie die Einhaltung der von ihnen als sakrosankt angesehenen Klimaziele gefährdet. Für sie ist die Vermeidung spekulativer Risiken wichtiger, als der Erhalt eines gesellschaftlichen Fundaments, auf dessen Basis die Menschen erst fähig werden, ihre individuellen Freiheitsrechte auch zu gebrauchen. Die FDP will lieber ein Staatswesen, das sich anmaßt, Emissionsrechte vergeben zu dürfen, und dadurch im Grunde die Atmosphäre zu seinem Eigentum erklärt. Mit dem geforderten Emissionshandel entstehen die Grundmauern einer künftigen Klimadiktatur, die schlussendlich sogar die Luft besteuern könnte, die wir atmen. Dieses klimapolitische Konzept als „liberal“ zu verkaufen, ist entweder dreiste Gaukelei oder törichter Irrtum.