Tichys Einblick
Olkiluoto

Finnland: Grüne setzen auf Atomstrom

Der grüne Parlamentsabgeordnete Atte Harjanne: »Wir befürworten jetzt alle kohlenstoffarmen Energiequellen, dazu gehört auch die Nuklearenergie.«

IMAGO / ZUMA Wire

Was haben Bill Gates und finnische Grüne gemeinsam? Beide sagen Ja zum Atomstrom. Gates pflegt regelmäßig die wichtige Rolle der Kernkraft zu betonen, wenn er über Klimaschutz redet. Die finnischen Grünen sprechen sich jetzt für Atomkraftwerke aus, nachdem sie früher deswegen Regierungskoalitionen verlassen haben.

In Finnland wird bald der neue Reaktor am Standort Olkiluoto ans Netz gehen – nach rund 15 Jahren Bauzeit – durch immer neue nachgeschobene Auflagen und neue Vorschriften. Die Kernindustrie in China hat Fuqing nach fünf Jahren Bauzeit in Betrieb genommen.

Immer neue Vorschriften erhöhten die Baukosten auf rund 10 Milliarden Euro, eine Anlage der Windindustrie wie Bard 1 in der Nordsee kostet drei Milliarden Euro.
Vier Atomkraftwerke liefern zur Zeit etwa ein Drittel des Strombedarfes in dem Land, das aufgrund seiner Lage mit viel Kälte und Dunkelheit eine robuste Energieversorgung benötigt und nicht wie Texas durch Witterungsunbilden erschüttert werden will.

In der Nähe von Olkiluoto wird zudem im Granit in bis zu 450 Meter Tiefe das erste Endlager für hochradioaktive Abfälle gebaut. 2015 wurde dessen Bau von der finnischen Regierung genehmigt, nachdem er bereits 2001 beschlossen wurde.

Der grüne Parlamentsabgeordnete Atte Harjanne: »Wir befürworten jetzt alle kohlenstoffarmen Energiequellen, dazu gehört auch die Nuklearenergie.«

Olkiluoto
Damit stehen die finnischen Grünen im Gegensatz zu den meisten Grünen im restlichen Europa. In Deutschland schalten sie Reaktoren reihenweise ab und sprengen sie wie in Philippsburg in die Luft. Zum Ende dieses Jahres sollen drei Kernkraftwerke vom Netz gehen, die letzten drei Kernkraftwerke dann Ende 2022.
Strom wird in Deutschland zur Mangelware, der Wirtschaftsminister denkt über Rationierung der wichtigsten Lebensader eines Industrielandes nach und hofft, Strom aus Nachbarländern importieren zu können. Die aber haben selbst teilweise zu wenig Strom und werden im Zweifel ihren eigenen Bedarf zuerst decken.

Bill Gates will sich da nicht in die deutsche Diskussion einmischen, betonte er gerade in einem Zeit-Interview. Er rät zur Kernkraft, die das Klima retten soll: »Das Einzige, was ich den Deutschen sagen würde, ist dies: Falls es eine komplett neue Generation von Kernkraftwerken geben sollte, deren Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Müllbilanz dramatisch besser sind, dann solltet ihr angesichts des Klimawandels vielleicht dafür offen sein, zu schauen, ob sie Teil der Lösung sein könnten.«

Der Microsoft-Mitgründer Gates hatte bereits vor 15 Jahren das Unternehmen Terrapower mit begründet, das neue Reaktortechnologien entwickelt. Die sollen vor allem die »Abfälle« der bisherigen Reaktoren zur Energiegewinnung nutzen können. Mit diesen »Resten« könnten, so hat Terrapower ausgerechnet, fast alle Menschen über ein Jahrtausend mit Energie versorgt werden. Denn die bisherige Reaktortechnologie aus den fünfziger Jahren konnte nicht mehr als drei Prozent der Energie aus dem Brennstoff herausholen. Der Rest steckt immer noch in den atomaren Abfällen.

Gates: »Wir müssen alle unterschiedlichen Wege erkunden, weil wir einfach nicht wissen, welcher der richtige ist. Darum stecke ich Milliarden von Dollar in diese neue Generation, und die US-Regierung hat Terrapower gerade eine milliardenschwere Förderung für eine Testanlage zugesprochen.«

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