Tichys Einblick
Wie lange nützt das Erfolgsrezept der Grünen der Merkel-CDU?

Energiewende und Asylpraxis: Merkels grüner Populismus

„Wir schaffen das!“ und „Wenn nicht wir, wer dann?“ ziehen sich nicht nur durch Finanzkrise, Eurorettung und Zuwanderung: Sie sind auch zentrale Botschaften einer Energiepolitik, die nicht der Versorgungssicherheit, der Kostensenkung und dem Umweltschutz dient, sondern dem Streicheln der gutmenschlichen Seele.

Nun ist es heraus. Die EEG-Umlage wird im kommenden Jahr wieder steigen. Auf jede Kilowattstunde Strom zahlt der Verbraucher einen Aufschlag von 6,35 Cent, die in die Taschen der Betreiber von Photovoltaikanlagen, Windrädern und Biogaskraftwerken fließen. Hinzu addiert sich ein Betrag von 1,21 Cent pro Kilowattstunde an Mehrwertsteueraufschlag für die Kasse des Bundes. Gut 300 Euro beträgt mittlerweile die jährliche Mehrbelastung bei einem für Familien typischen Bedarf von 4.000 kWh.

Um Versorgungssicherheit, Kostensenkung und Umweltschutz geht es in der Energiepolitk NICHT

Dabei hatte alles ganz harmlos begonnen. Das Stromeinspeisegesetz aus dem Jahr 1991 sollte auch den Betreibern kleiner Anlagen, die Elektrizität aus Wasser, Wind, Sonne und Biogas herstellten, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Stromnetz und eine am Marktpreis orientierte Mindestvergütung gewährleisten. Die Idee, damit den Wettbewerb zu befeuern, wurde durch die rotgrüne Bundesregierung im Jahr 2000 mit zwei einschneidenden Änderungen in ihr Gegenteil verkehrt.

Aus dem Stromeinspeisegesetz ging das „Erneuerbare Energien Gesetz“ oder kurz EEG hervor, das nicht nur einen Vorrang für Strom aus regenerativen Quellen, sondern auch eine Vergütung deutlich über dem Marktpreis vorsah. Trotz zahlreicher Novellen haben diese beiden zentralen Elemente bis heute überlebt. Für zwanzig Jahre wird den Betreibern naturinvasiver Energiesysteme (NIEs) die Abnahme beliebig hoher Mengen zu konstanten Preisen garantiert. Angela Merkel heißt das Hindernis, an dem jeder Versuch einer Abschaffung dieses planwirtschaftlichen Konzeptes in den letzten Jahren schon im Ansatz scheiterte.

Manche Beobachter glauben, in der Zuwanderungskrise ein neues Gesicht der Kanzlerin ausmachen zu können. Die strikt rational denkende Physikerin zeige nun endlich ihre emotionale, menschliche Seite, jubeln viele Kommentatoren und bewundern sie dafür. Wer so denkt, hat Physik noch nie verstanden. Angela Merkel ließ sich schon immer von Gefühlen leiten, von moralischen Ansprüchen. Vielleicht nicht unbedingt von ihren eigenen, aber auf jeden Fall von denen der Wähler.

Man wählt heute nicht mehr CDU, weil man sich eine fachlich begründete, vom Ergebnis her gedachte Politik wünscht. Man unterstützt die Kanzlerin, weil sie dem Wunsch vieler Menschen Rechnung trägt, Teil einer großen Bewegung zu sein, die für das Gute steht, das scheinbar moralisch und ethisch gebotene. Die CDU kopiert das Erfolgsrezept der Grünen. Das Kreuz auf dem Wahlzettel suggeriert ein gemeinschaftliches Engagement für eine bessere Zukunft, obwohl es in Wahrheit der individuellen Gewissensberuhigung in der Gegenwart dient.

Die Motive „Wir schaffen das!“ oder auch „Wenn nicht wir, wer dann?“ ziehen sich eben nicht nur durch Finanzkrise, Eurorettung und Flüchtlingsproblematik, sie sind auch die zentralen Botschaften einer Energiepolitik, die nicht der Versorgungssicherheit, der Kostensenkung und dem Umweltschutz dient, sondern dem Streicheln der gutmenschlichen Seele. Phantasien über Ressourcenverknappungen und Klimakatastrophen bilden den spirituellen Überbau. Die Notwendigkeit, deswegen eine Dekarbonisierung unserer Wirtschaft zwingend einleiten zu müssen, ist das abgeleitete Dogma.

Die EEG-Umlage ist ein parasitärer Mechanismus

Die zu erbringenden Opfer sind nicht die Sparguthaben, ins Ausland verschenkte Steuermilliarden oder von Migranten okkupierte Turnhallen: Sondern dauerhaft hohe Energiepreise bei gleichzeitigem Verzicht auf alle Optionen, die dies ändern könnten. Die Gebote heißen Windenergie, Wasserkraft, Photovoltaik, Biomasse und Geothermie. Gegenüber Innovationen in anderen Technologiebereichen, etwa bei Kohle- und Gaskraftwerken, bei der Kernspaltung oder der Kernfusion ist der Staat mit voller Absicht erblindet. Selbst die Solarthermie findet keine Gnade.

Als 2009 eine schwarzgelbe Regierung in Berlin an die Macht kam, hatte der Ausbau der NIEs eine Dynamik entwickelt, gegen die nicht einmal die FDP sich zu wehren wagte. Den Investoren garantiert das Gesetz über Jahrzehnte satte Renditen, die nicht durch staatliche Gelder, sondern durch den Umverteilungsmechanismus namens „EEG-Umlage“ von allen Stromkunden finanziert werden. Die öffentlichen Haushalte profitieren über zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen. Im Strombereich ist die Energiewende ein parasitärer Mechanismus, der sein Wirtstier, das konventionelle Versorgungssystem mit seinen Großkraftwerken und Leitungsnetzen, langsam aussaugt, ohne sich an dessen Erhalt zu beteiligen.

Auf dieser Grundlage konnte die Klimakanzlerin die zweite Stufe zünden. Schon in ihrer Zeit als Umweltministerin hatte Angela Merkel die Phantasie von der bevorstehenden Apokalypse aufgrund der Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre durch die Nutzung fossiler Energieträger übernommen – ihr politisches Potential erkannt.

Krisenrhetorik mobilisiert den Gutmenschen und diese Möglichkeit darf man nicht allein dem politischen Wettbewerb überlassen, will man alle Optionen auf die Erringung und Stabilisierung von Gestaltungsmacht nutzen. Mit dem sogenannten „Energiekonzept“ der Bundesregierung bekam die Energiewende im Jahr 2010 ihren konzeptionellen Überbau, der nicht mehr nur die Elektrizitätsversorgung, sondern alle Bereiche der Energiewirtschaft betraf.

Grundlage dieses Konzeptes bildeten im Jahr 2009 von externen Beratern entwickelte Szenarien, die die Ziele des Umbaus unserer Energieversorgung beschreiben. Niedergelegt sind diese in der Studie „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“ und sie stellen bis heute die Basis der deutschen Energiepolitik dar.

Die Energiewende: Planwirtschaft ohne Plan

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie hat die Energiewende wenig bis gar nichts zu tun, obwohl dies oft kolportiert wird. Lediglich der Begriff „Energiewende“ wurde erst im Jahr 2011 geprägt, nach dem Störfall in Fukushima und der panischen Reaktion der Bundesregierung. Die, wie sich heute zeigt, völlig unbegründet war. Nein, die Energiewende dient allein dem Klimaschutz. Den im Jahr 2000 für das Jahr 2021 beschlossenen Atomausstieg hat die schwarzgelbe Regierung in 2010 nicht etwa rückgängig gemacht, sondern lediglich auf 2040 verschoben. Weil man dadurch hoffte, den Anteil der Kohle an der Stromproduktion schneller reduzieren zu können. Mit der Kehrtwende in 2011 wurde der Termin für die Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke dann wieder auf 2022 vorgezogen.

Weit verbreitet ist das Bonmot, die Energiewende wäre Planwirtschaft ohne Plan. Eine korrekte Beschreibung, die aber von der Existenz weitreichender für das Jahr 2050 festgelegter Ziele ablenkt. Die Motivation ist nicht primär der Ausstieg aus der Kernenergie. Es geht auch nicht in erster Linie um die Substitution konventioneller Energieträger durch die NIEs. Es geht einzig um die Dekarbonisierung aller Lebensbereiche und dazu stellen die NIEs nur ein Mittel zum Zweck dar, nicht aber den Selbstzweck.

Um 80 Prozent sollen bis 2050 die Treibhausgasemissionen im gesamten Energiesektor gegenüber dem Basisjahr 1990 sinken. Das betrifft neben der Stromproduktion eben auch den Verkehr und die Wärmeversorgung (von Privathaushalten bis zu Industrieprozessen). Dies wird vor allem durch eine gigantische Verminderung des Energieumsatzes möglich, nicht etwa durch einen Umbau. Die NIEs sollen die fossilen Energieträger und die Kernenergie nicht vollumfänglich ersetzen (das könnten sie auch nicht). Sie sollen nur den überwiegenden Teil der Energie liefern, die wir dann noch benötigen.

Bezogen auf das Basisjahr 2008 sehen die Energieszenarien des Bundes dazu eine Reduzierung des Primärenergieverbrauches um 50% vor. Der Anteil der NIEs an der Primärenergieversorgung soll gleichzeitig auf 60% steigen. Das Diagramm zeigt diese Vorstellung im Vergleich zur aktuellen Situation.

Die Planung sieht vor, Deutschland sowohl hinsichtlich der Höhe des Verbrauches, als auch hinsichtlich der Versorgungsstruktur auf einen Zustand zurückzuführen, der dem der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entspricht. Seit 2010 ist man diesem Einsparziel noch nicht nähergekommen. Der Primärenergieverbrauch hierzulande sinkt nicht, er hat sich auf hohem Niveau stabilisiert.

Also, denken viele, könne man doch einfach an der Effizienzschraube drehen. Die Reduzierung von Umwandlungsverlusten entlang der gesamten Versorgungskette bis hin zum Endverbraucher wird seitens der Politik häufig als Königsweg zu einer erfolgreichen Energiewende dargestellt. Es stimmt ja auch, die Steigerung der Effizienz ist ein wichtiger Treiber des technischen Fortschritts. Zu einer Einsparung führt sie aber nicht.

Ganz im Gegenteil werden in wettbewerblich organisierten Märkten alle Effizienzgewinne sofort über Kostensenkungen an den Kunden weitergegeben.

Der Verbrauch sinkt, die Stromkosten steigen

Dadurch können sich einerseits immer mehr Menschen bestimmte Produkte leisten und andererseits werden auf diese Weise eingesparte Mittel in andere Bereiche des Konsums umgeleitet. In Summe ist eine zunehmende Energieeffizienz daher immer mit einer absoluten Steigerung des Energieumsatzes verbunden. Seit den 1970er Jahren ist beispielsweise im Luftverkehr eine jährliche Absenkung der pro Passagierkilometer erforderlichen Treibstoffmenge um 1-2% zu beobachten. Auf dieser Grundlage sanken die Ticketpreise und für immer mehr Menschen wurde das Fliegen immer häufiger erschwinglich. Die tatsächlich zurückgelegten Passagierkilometer stiegen entsprechend um 4-5% pro Jahr. Natürlich verbraucht ein Laptop heute wesentlich weniger Strom als ein Großrechner aus den 1990er Jahren, bei mindestens gleicher wenn nicht gar deutlich höherer Rechenleistung. In Summe aber ist der Strombedarf vieler Millionen kleiner Computer gegenüber einigen wenigen großen deutlich höher. Es ist nicht möglich, durch Effizienzsteigerung Energie zu sparen. Es sei denn, man verhindert solche Rebound-Effekte durch zusätzliche, künstliche Belastungen.

Manch ein Stromverbraucher mag sich wundern, warum denn seine Stromrechnung nicht sinkt, obwohl er doch alles getan hat, was ihm empfohlen wurde. Energiesparlampen setzt er ein, viel Geld wurde in einen neuen sparsamen Kühlschrank und eine neue sparsame Waschmaschine investiert, auch wird die Unterhaltungselektronik vom Netz getrennt und nicht mehr im Standby betrieben. Sein Verbrauch sinkt tatsächlich, aber seine Stromkosten steigen trotzdem.

Das ist im Kern die Idee der gegenwärtigen Energiepolitik. Energie soll stetig teurer werden, um jeden Effizienzgewinn wieder abschöpfen zu können. Dazu erfindet man ständig neue Aufschläge, von der EEG-Umlage über den Emissionshandel bis hin zur bald zu erwartenden Kohlenstoffsteuer. Belastungen, die immer vom Verbraucher zu tragen sind und immer mit der Notwendigkeit der Weltrettung verknüpft werden. Denn diese ist nach den Dogmen der Nachhaltigkeitsideologie am Ende nur durch Verzicht möglich. Kunden müssen ihren Konsum einschränken, Unternehmen dürfen nicht mehr in neue Wertschöpfungsmöglichkeiten investieren und die Wirtschaftsleistung soll schrumpfen. Wem alles menschliche Handeln als nicht hinnehmbarer zerstörerischer Eingriff in die heiliggesprochene Natur gilt, der kann nichts anderes wollen.

Die EEG-Umlage wird auch in der Zukunft weiter steigen. Vielleicht nicht jedes Jahr, aber langfristig unaufhaltsam und stetig. Die Energiewende weist uns nicht den Weg in ein Schlaraffenland sauberer und preiswerter Energieüberflüsse, die fast zum Nulltarif zu haben sind. Nein, sie ist in Wahrheit eine Energiediät, durch die unsere Versorgung immer knapper und unsicherer wird. Ihr Ziel ist der Mangel – und dieser ist politisch gewollt. Auch und gerade von der Kanzlerin.