Tichys Einblick
Teil 2 von 2

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 83 (2): Blackout

Niemand möchte stromlos leben und dies für längere Zeit. Umfangreich sind die Folgen, sie aufzuführen, erfordert viel Phantasie. Aber immerhin – es spart CO2.

imago/Frank Sorge

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

B wie

Blackout, der

Nachdem hier die Ursachen zur Sprache kamen, geht es heute um die umfangreichen Folgen eines länger anhaltenden flächendeckenden Blackouts. Sie sind vielfältig und können in der Theorie nicht bis ins Detail überblickt und vorhergesagt werden.

Wir müssen nicht ausschließlich die eigene Phantasie bemühen, sondern können auf den Bericht Nummer 141 des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags von 2010 zugreifen. Auf 264 Seiten werden die relevanten Folgen dargestellt.

Energiewende: Stromnetz sehr nah am Kollaps
Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 83: Blackout
Am einfachsten sind die ersten Sekunden und Minuten nach dem Verlöschen der Beleuchtung vorstellbar. Ereilt dies zum Beispiel Familie X zu Hause bei Dunkelheit, so beschäftigt sie sich zunächst mit der Suche nach der Taschenlampe (die oft nicht am gewöhnlichen Platz liegt) und nach deren Auffinden sie feststellt, dass die Batterien zur Erleuchtung nicht mehr reichen. Wenn also tastend ein Kerzenlicht zustande gebracht wurde, bleibt Zeit zum Überlegen, denn fast alles, was man vorher tat, ist ohne Strom nicht möglich. Sind Kinder im Haus, finden die das zu Beginn noch abenteuerlich und freuen sich. Das hält nicht lange an. Das Netz ist weg und der Akku vom Smartphone teilt über ein Balkensymbol mit, dass er bald geladen werden möchte.

Was tun als nächstes? Es gibt noch einen Arzttermin, aber der hat sicher auch keinen Strom, denn der Blick aus dem Fenster zeigt, dass die Stadt bis zum Horizont dunkel ist. Anrufen und einen neuen Termin machen? Ach so, geht nicht. Hinfahren und das persönlich absprechen? Wäre möglich, aber das Tor der Tiefgarage geht natürlich nicht auf. Ist es die eigene Einzelgarage, findet sich vielleicht die Möglichkeit, die Mechanik manuell zu betätigen, in einer großen Tiefgarage wird das schwierig.

Also keine Aktivität in diese Richtung. Das Abendessen naht. Also heute keinen heißen Tee, nehmen wir Wasser. Aus der Leitung plätschert nur noch der spärliche Rest. Töchterchen kommt von der Toilette und vermeldet, dass der Spülkasten nicht mehr voll läuft.

Gut, also Wasser aus Flasche, Brot ist da und Belag auch. Indianerabendbrot bei Kerzenlicht. Alle sind halbwegs gesättigt, was nun? Keine Infos aus Radio und TV, auch im Batterieradio rauscht es nur. Telefon tot. Gut, dann ab ins Bett, das geht auch mal ungewaschen. Aber der Toilettengang müsste . . .

Da ist die Landbevölkerung im Vorteil, der nächste Baum oder der nächste Busch ist nicht weit und Publikum selten vorhanden. Im Zehngeschosser ist das schwieriger. Die eigene Schüssel sollte schon sauber bleiben, also anziehen und den nächsten Stadtpark gesucht.

Wenn es länger dunkel bleibt

Am nächsten Morgen Aufwachen zur selben Zeit wie immer, der Wecker ist schwarz, das Smartphone zeigt noch die Uhrzeit, viel mehr schafft es nicht. Es ist sehr frisch in der Wohnung.

Kurz vorm Blackout
Deutschland (fast) ohne Strom
Was nun? Wie zum Job mit blockiertem Garagentor? Zunächst ein karges, kaltes Frühstück, in der Firma anrufen ist nicht möglich. Also zu Fuß hin oder vielleicht fährt noch ein Bus? Aber was soll man in der Werkstatt, in der Halle oder im Büro ohne Strom? Die Kinder bleiben jedenfalls zu Hause, was sollen sie in der Schule? Wenn keine Schule, dann auch kein Klimastreik. Zum Glück ist kein Kleinkind mehr in der Familie, kein Bedarf an erwärmtem Brei oder Milch. Mal beim Nachbarn klingeln, ob der was weiß. Ach so, klingeln geht nicht, „klopf klopf“. Und der weiß auch nichts, fragt aber schon mal, ob man noch etwas Brot drüber hat.

Mittags wird die Stimmung immer trister. Die Wohnung ist jetzt richtig ausgekühlt, auch die zusätzlichen Kerzen helfen nicht wirklich. Stickoxide sind kein Thema. Die Kinder sind zunehmend unausstehlich, weil gelangweilt und unterfordert. Zu Fuß in die Stadt und im Bürgerbüro fragen. Nur im Flur steht jemand, keine Info.

Schwieriger ist es für diejenigen, die am Vortag unterwegs vom Stromausfall überrascht wurden. Die Dunkelheit in der Fußgängerzone war das geringste Problem, auch die stehengebliebene Rolltreppe. Eher dramatisch die Situation in den zahlreichen Aufzügen, die gleichzeitig steckenblieben. Einige dicht voll mit Menschen. Zunehmend schlechtere Luft, einige können ihre Platzangst schwer beherrschen. Das Witze machen hört schnell auf, nach einiger Zeit wird klar, dass Mann oder Frau die Notdurft nicht unbegrenzt hinauszögern kann. Die Luft wird noch schlechter. Die Feuerwehr tut ihr bestes zur Personenbefreiung, aber es gibt viele Aufzüge in Behörden, Einkaufstempeln, Hotels und Firmen.

Der Ampelausfall führte zum Verkehrskollaps, auf einige Kreuzungen verkeilen sich Autos nach Blechschäden. Der Ruf nach der Polizei kann nicht abgesetzt werden.
Die liegen gebliebenen Züge und S-Bahnen müssen auf freier Strecke evakuiert werden, dann sind es eventuell noch mehrere Kilometer bis zur nächsten Siedlung. Kein Problem für Studenten, schwierig für Mütter mit Kindern und Rollstuhlfahrer auf dem Bahndamm. Das THW hilft, sie können aber nicht überall sein.

An den Flughäfen stauen sich die Reisenden. Im Notlicht haben Spitzbuben günstigen Zugriff.

In den medizinischen Einrichtungen eskaliert die Situation schnell. In den OP`s und auf den Intensivstationen liegt die Spannung an, die die Notstromaggregate bereitstellen, auch an den Steckdosen der so genannten „sicheren Schiene“. Die Dialysepatienten müssen bald abgeklemmt werden. Das erste und dringendste Problem im Licht der Notbeleuchtung ist die fehlende Wasserver- und Entsorgung und damit ein zügig wachsendes hygienisches Desaster. An Behandlungen ist nicht mehr zu denken, die Patienten müssen über die Zeit gebracht werden. Der Caterer stellt im Halbdunkel auf Kaltverpflegung um.

Feuerwehr und Polizei können über ihren Digitalfunk kommunizieren, die Wachen sind mit Notstromaggregaten ausgerüstet und es gibt auch Kraftstoffreserven für diese und für die Fahrzeuge. Über das öffentliche Telefonnetz sind sie natürlich auch nicht mehr erreichbar. In den Gefängnissen läuft das Notregime. Alle Insassen müssen in die Zellen, weil Alarmanlagen und Beleuchtung stark eingeschränkt sind.

Alle sind betroffen

In den Supermärkten und Geschäften wird der Betrieb eingestellt. Auch wenn die Einkaufswagen gerade voll sind, abkassieren lässt sich nichts mehr. Die Kunden müssen schnell raus, dann wird abgeschlossen. Nur auf dem Marktplatz stehen noch ein paar Bauern aus dem Umland und verkaufen gegen Bares ihr Obst und Gemüse.

Die Börse stellt ihren Betrieb ein, jeglicher Geld- und Zahlungsverkehr kommt zum Erliegen, die Geldautomaten streiken. Die Realwirtschaft kommt zum Erliegen. Fließ- und Förderbänder stehen, Maschinen aller Art desgleichen, in den Schmelzöfen der metallurgischen und glasproduzierenden Industrie erkalten die glühenden Massen, wenn auch langsam. Nach mehreren Stunden kann dies zu irreparablen Schäden an den Öfen führen.

Verkohlungskommission
Wie die Kohlekommission Arbeitsplätze vernichtet
Zwar ist der Acker geduldig, aber auch für die Landwirtschaft gibt es erhebliche Auswirkungen. Viele Küken sterben unter erloschenen Infrarotlampen, automatische Futtersysteme müssen durch Handarbeit ersetzt werden. Milchkühe erleiden schon nach einem halben Tag höllische Qualen wegen des ausfallenden Melkbetriebs. Selbst wenn noch ein paar Leute von Hand melken können, sind tausende von Tieren schon nach zwei Tagen nicht mehr zu retten. Für die anderen Tiere bereiten Wassermangel, ausgefallene Lüftungen und, soweit es Weidetiere sind, ausgefallenen Elektrozäune gegen die Wölfe akute Gefahr.

In den Redaktionsstuben herrscht große Ratlosigkeit. Niemand kann recherchieren oder telefonieren, Beiträge können nicht bearbeitet werden. Die Chefredakteure schicken ihre Leute raus, um mit Zettel, Stift und Fotoapparat die Wirklichkeit einzufangen. Der Akku vom Laptop muss geschont werden. In Funk und Fernsehen ist die Ratlosigkeit größer, es starten Überlegungen, was man nach Neustart des Systems zuerst sendet.

In den Parteibüros sprießen die Spekulationen zu den Ursachen des Stromausfalls und es gibt erste Schuldzuweisungen an andere Parteien. Man schwankt zwischen vollständig verstopften Leitungen und russischen Hackern, wobei man maßhalten will, falls sich ein Schüler aus dem hessischen Bergland als verantwortlich herausstellt. Die entsprechende PR dazu wird im Kerzenlicht entwickelt.

Der Krisenstab der Bundesregierung tritt zusammen.

So gehen viele Stunden dahin, die zu Tagen werden. Kehren wir am Tag 4 zur Familie X zurück. Die Stimmung in der nun vollends erkalteten Wohnung ist schlecht, die Haut fängt an zu jucken. Vater war im Garten und holte den Campingkocher, doch inzwischen ist das Gas alle, ebenso alles Essbare im Haushalt. Ein Besuch bei Bekannten auf dem Land erbrachte auch nichts. Die hatten sicher noch Selbstkonserviertes im Keller, aber auch die Erinnerung an den Spruch der Städter „Wir haben die Agrarindustrie satt“ und an endlose Diskussionen über Glyphosat.

Dafür ist der Tank vom Auto nun fast leer.

Der Weg zum Supermarkt mit dem festen Willen, ihn zu plündern, führte zu der ernüchternden Feststellung, dass andere schneller waren. Alles Verzehrbare ist weg, aus den Kühltruhen stinkt es infernalisch und die Waschmittel braucht niemand. Die Prügeleien unter den Plünderern sind vorbei, es gibt nichts mehr, worum man sich streiten kann.

Auf dem Weg zur Anarchie

Unterwegs an den Kreuzungen hin und wieder Bundespolizei oder Feldjäger. Streife fahren sie nicht mehr, Benzin und Diesel fehlen. Teils gehen sie Fußstreife, um Plünderungen und Überfälle zu verhindern. Plakate verkünden, dass die Regierung den Notstand ausgerufen hat. Gerüchte machen die Runde. Morgen soll ein LKW mit Lebensmitteln aus der Staatsreserve kommen, keiner weiß, wohin und wann.

Eine Familie in der Vorstadt war so unvorsichtig, ihr Notstromaggregat laufen zu lassen und die Fenster nicht richtig zu verdunkeln. Fremde bemerkten das und brachen ein unter der Vermutung, wo Licht sei, gibt es noch was zu holen. Am Ende fehlten der Familie nicht nur alle verbliebenen Lebensmittel, sondern auch viele Wertgegenstände.

Es gibt auch viel Solidarität. Nachbarn und Hausgemeinschaften rücken zusammen und organisieren sich, so gut es geht. Kindern, Alten und Kranken wird geholfen, wo es nur geht. Die ganz alten können Tipps geben, wie sie sich damals nach dem Krieg behalfen.

Noch später ist der Strom wieder da. So plötzlich, wie er ging. Anfangs misstrauisch, dann mit zunehmender Hoffnung, setzt sich der Alltag wieder in Gang.

Abwasserkanäle müssen freigespült werden, die Wartezimmer der Ärzte sind brechend voll. Die Erregungsmaschinerie von Medien und Politik läuft hoch.

Karneval vorverlegt?
Kohlekommission: Deutschland steigt aus der Vernunft aus
Dies war nur ein Ausschnitt an Ereignissen, die im Fall des Falles unweigerlich auftreten und die Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend. Je kälter und dunkler die Jahreszeit, umso schwerwiegender die Folgen. Dennoch ist ein flächendeckender Blackout über mehrere Tage als unwahrscheinlich zu bezeichnen.

Ich wende mich deutlich gegen alle Stimmen, die meinen, dass nur ein solches folgenreiches Ereignis die energiepolitische Geisterfahrt unserer Regierung, die bereits 2022 einen Mangel an Erzeugungskapazität zur Folge haben wird, ändern könne. Jeder der meint, man „brauche“ ein solches Ereignis, muss sich im Klaren darüber sein, dass es Menschenleben fordern würde. Der eingeschlagene Kurs der „Energiewende“ verringert konsequent die Versorgungssicherheit.

Die Wirtschafts- und Umweltschäden würden erheblich sein in unserer hochtechnisierten und anfälligen Gesellschaft. Die Fähigkeiten der Menschen, unter ganz einfachen Bedingungen klar zu kommen, ist über Jahrzehnte stets sicherer Energieversorgung deutlich abhanden gekommen. Natürlich kann man auch bei Dunkelheit hüpfen für den Klimaschutz, aber wer kann bei dringendem Bedarf ein Huhn aus Nachbars Garten holen, schlachten und essfertig zubereiten, und das ohne Strom?

Umfangreiche materielle Schäden, die auch Wochen und Monate nach dem Ereignis noch sichtbar sind, werden die Folge sein. Prozesswellen, vor allem mit den Versorgungsunternehmen auf der Anklagebank, werden ungeachtet der eigentlichen Ausfallursache die Gerichte über Jahre beschäftigen. Auf der politischen Ebene werden vor allem Blinde über die Farbe reden und abstruse Fragen und Forderungen stellen. Warum war der im Netz gespeicherte Strom weg? Warum hat nicht jede Stadt eine Batterie? Warum konnte der Strom aus den Solarclouds nicht zurück geholt werden? Und jetzt müssten dringend neue Gesetze her, um in Zukunft . . . und so weiter.

Berechtigte Sorge?

Zum Glück ist ein so lange andauernder und flächendeckender Blackout sehr unwahrscheinlich. Vermutlich würden nur Teilnetze betroffen sein, vorausgesetzt, aufmerksame Netzingenieure haben rechtzeitig den Mut, benachbarte instabile Versorgungszonen abzuschalten. Dann ist auch der Netzwiederaufbau einfacher, weil man sich an ein bestehendes Netz schrittweise anschalten kann. Das Risiko wächst, wenn weiterhin volatile regenerative Einspeiser schneller an das Netz gehen, als dieses ausgebaut wird.

Im August 2016 stellte der damalige Innenminister De Maizere ein Zivilschutzkonzept vor, dass vor allem auch die Folgen eines länger andauernden Stromausfalls berücksichtigen sollte. Vermehrt gibt es in den Medien Hinweise auf mögliche Stromausfälle. Berichte über „Prepper“ nehmen zu. Das sind Menschen, die ein durchdachtes Regime an lebenswichtigen Vorräten im Haushalt betreiben.

Für einige dürfte die Zeit eines Stromausfalles leichter zu ertragen sein in dem Wissen, dass für diese Stunden, vielleicht sogar Tage, eine enorme Emissionsminderung an CO2 eintritt. Stillstand für die Weltrettung. Später kommt die Einsicht, dass Versorgungssicherheit ein ernstes Thema sein kann.

Wer das Thema unterhaltsam, wenn auch bedrückend, vertiefen möchte, dem sei dieses Buch von Marc Elsberg empfohlen.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop