Tichys Einblick

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 79: Energie-Label

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Im Fantasy-Bereich führen Roboter schon Krieg gegeneinander. Das trübt den Blick auf die Realitäten, in denen Eurokraten mit gewaltiger natürlicher Intelligenz inzwischen ein Staubsauger-Massaker verursachen.

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Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

E wie

Energie-Label, das

Weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit spielt sich seit einiger Zeit ein leises, aber für die Beteiligten folgenreiches Drama ab. In mehreren Gerichtsverfahren und Instanzen geht es vordergründig um eine EU-Rahmenrichtlinie. Erweitert man diesen Rahmen, geht es aber um nicht mehr oder weniger als um das Überleben von EU-Europa im Angesicht der Bedrohung durch elektrisches Haushaltsgerät. Die größten Gefahren kommen unverdächtig und heimtückisch, während wir uns in Sicherheit wiegen.

Das weiß die EU. Sie schützt uns, denn sie ist Trägerin des Friedensnobelpreises und handelt weise und vorausschauend. Sie schützt uns auch vor den Gefahren einer immer weiter technisierten Welt. Dazu nutzt sie das Instrument des „Energie-Labels“, der Kennzeichnungspflicht auf Basis der Rahmenrichtlinie 30/2010/EU mitsamt „Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz“ (EnVKG) und der „Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung“ (EnVKV). Äußere Zeichen dieses segensreichen Wirkens sind die bunten Balken von grün bis rot und entsprechender Kennzeichnung „A+++“ bis „D“.

Zur Notwendigkeit dieser Regelungen beschreibt das Umweltbundesamt einen Übermut an Staubsaugerstromverbrauch, der durch EU-weite Regulierung bis 2020 um 18 Milliarden Kilowattstunden abgesenkt werden könnte, was der Produktion fünf großer Kraftwerke entspräche. Nach kurzer überschlägiger Rechnung sagen wir mal – fünf mittelgroße.

In der Ökodesign-Richtlinie von 2013 wird festgelegt, dass ab September 2014 die Nennleistungsaufnahme 1.600 Watt nicht überschritten werden dufte, seit September 2017 sind nur noch 900 Watt zugelassen. Dies wird dann hochgerechnet auf eine heute geltende jährliche Energiemenge von 43 Kilowattstunden pro Gerät.

Daraus kann man die Zeitdauer errechnen, für die man das Gerät noch betreiben soll, kann oder darf. Es ergibt sich, das dürften die wenigsten von uns wissen, eine pro Tag zulässige Saugzeit von 9,6 Minuten, die Sonntage hierbei heraus gerechnet.
Sie sollten jetzt Ihre Praktiken des Stuben- und Revierreinigens kritisch hinterfragen.

Natürlich sind auch die Anforderungen an die Qualität der Staubaufnahme festgeschrieben, die Maßeinheiten dafür heißen „dpuc“ bei Teppichreinigung und „dpuhf“ bei der Reinigung von Hartböden. Desgleichen werden die Anforderungen beschrieben für die Staubemission (1 Prozent) und den Schalleistungspegel (80 dB(A)), was schon einem starken Straßenverkehr entspricht. Der Schlauch muss über 40.000 Schwenkungen unter Belastungen klaglos aushalten. Wer jetzt noch den Referenzwert für die „Staubaufnahme auf harten Böden mit Ritze“ erfahren möchte, der sei auf das „Datenblatt zur Ökodesign-Richtlinie des Umweltbundesamtes“ verwiesen.

Nun grätscht der Europäische Gerichtshof dazwischen. Zwar hat die Europäische Kommission viele technische Einzelheiten geregelt, grundlegende Zusammenhänge aber ignoriert. Die Stromaufnahme von Staubsaugergeräten mit Beutel ist abhängig von der Staubmenge im Beutel. Mit zunehmender Füllung steigen Strömungswiderstand und Strombedarf. Bei beutellosen Geräten hingegen bleibt die Stromaufnahme weitgehend konstant, weshalb die britische Firma Dyson wegen Irreführung der Kunden durch das Energie-Label klagte. Zunächst gab es im Juli eine Niederlage vor einem EU-Gericht, im November beschied aber das höhergestellte Gericht in Luxemburg den Einspruch positiv. Zwei Monate hat die Kommission nun Zeit zum Nachbessern der Verordnung. Mal sehen, wie eine zukunftsfähige und zukunftssichernde Lösung des Problems aussehen wird.

Nobelpreisträger als Waffenschmiede

Ewiggestrige Feinde des gemeinsamen Europa, gemeint sind damit im üblichen Sprachgebrauch die EU-Kritiker, behaupten hin und wieder, dass es viel wichtigere Dinge gäbe, um die sich die EU kümmern solle. Zum Beispiel um eine einheitliche Regelung zu Waffenexporten. Inzwischen ließ die Bundesregierung die Lieferungen an Saudi-Arabien einstellen, immerhin zunächst für zwei Monate. Wirtschaftsminister Altmaier begründete das lange Festhalten am Waffendeal vor der Bundespressekonferenz im September noch so:

„. . . Ein Problem, was sich aber stellt, ist, dass es auf dem internationalen Markt leider Gottes nicht zu wenig Rüstungsgüter gibt, sondern zu viele und ich kenne kein Land, das deshalb, weil Deutschland gesagt hat, wir exportieren nicht, dann diese Rüstungsgüter nicht bekommen hätte, weil es andere Länder gibt in der Europäischen Union, in den USA, in China, in Russland und anderswo, die die Lücke füllen und diese Kriegsgüter exportieren. . . . „

Nun, mit dieser Begründung könnten wir auch an den IS, die Taliban oder Nordkorea liefern, bevor uns die Franzosen oder andere EU-Länder das Geschäft wegschnappen. Das mit der „Werte-Union“ kann nicht so ernst gemeint sein, wie wir auch spätestens nach dem 2015 stattgefundenen nationalhumanitären Imperativ wissen.

Über 55 Milliarden Euro haben zahlreiche EU-Länder durch Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäfte an die organisierte Kriminalität verloren. Insider bemerken, dass das Geldkarussell zum Schaden der Steuerzahler immer noch läuft.

EU-interne Kontrollmechanismen? Fehlanzeige. Während der Steuerbürger jeden halbwegs wichtigen Kassenzettel einreichen muss, rückten unsere Finanzbeamten gegenüber den Gaunern in Nadelstreifen Milliarden raus. Die Sache flog auf nach einem Hinweis der OECD, nicht der EU, auch dank der Hilfe eines internationalen Journalistennetzwerks. Nach Aussage der EU-Kommission wurden die illegalen Transaktionen nicht auf europäischer Ebene thematisiert: „Das fällt in die Kompetenz der Nationalstaaten.“

Erst 2015 warnte Deutschland seine Nachbarn und zog sich damit unter anderem den Zorn Dänemarks zu auf Grund der Tatsache, dass Berlin schon seit 2002 mehr oder weniger von den Vorgängen wusste. Kritik an Finanzminister Olaf Scholz trifft wohl hier einen weitgehend Unbeteiligten. Sein Vorgänger, den jetzt die Würde des Bundestagspräsidentenamtes ziert, sollte eigentlich persönlichen Erklärungsbedarf sehen. Aber wer Parteifinanzen im Koffer trug, hat vielleicht zu Geld ein höheres, dem Fußvolk unzugängliches Verhältnis. Deutschland verlor fast 32 Milliarden Euro Steuerzahlergeld, etwa das doppelte Aufkommen des jährlichen Soli-Zuschlags, für dessen Abschaffung bekanntlich keine Spielräume bestehen.

Auch hinsichtlich einer gemeinsamen Energiepolitik, die über den Emissionshandel, Beteuerungen zu Emissionssenkungen und Temperaturfestlegungen zum Ende des Jahrhunderts hinausgeht, gibt es kaum Fortschritte. Im Gegenteil: Die Auflösung der gemeinsamen Strompreiszone Deutschland / Österreich und die Installation von Phasenschiebertransformatoren an vielen grenzüberschreitenden Leitungen zur Verhinderung ungewollter Importe aus Deutschland zeigen eine Renationalisierung der Stromsysteme. Eine der konkreten Ursachen dafür ist der national entschiedene deutsche Atomausstieg.

Sicher, die EU lässt den Mitgliedsländern bezüglich ihres Energiemixes freie Hand. Die Netze bilden aber ein Gesamtsystem und jede nationale Energiestrategie berücksichtigt die Kapazitäten der Nachbarländer. Wir haben uns mit dem Ad-hoc-Ausstiegsbeschluss keine Freunde in der EU gemacht. Während die Kanzlerin auf anderen Politikfeldern stets nach europäischen Lösungen ruft, betreibt sie Energie- und Klimanationalismus.
Möglicherweise fällt bei ihr nach so langer Amtszeit der eine oder andere Fakt dem Vergessen anheim, wenn sie auf der Bundestagssitzung am 21. November formulierte:

„Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht und Win-Win-Situationen akzeptiert.“

Vermutlich wollen unsere Nachbarländer nicht ungefragt in das deutsche Interesse einbezogen werden. Win-Win-Situationen mit EU-Bezug fallen mir aktuell auch nicht ein, aber durchaus einige Lose-Lose-Situationen wie Brexit, Euro und Außengrenzschutz. Wolfgang Herles hat sich zu dieser Formulierung in der Kanzlerinnenrede weitergehende Gedanken gemacht.

Zu den möglichen Handlungsfeldern der Eurokraten hätte auch eine gemeinsame Atomendlager-Strategie gehört. Eine gemeinsame Anlage (doch, es gibt Gegenden, da würden Menschen eine solche Anlage als Wirtschaftselement begrüßen) ließe die Kosten für alle kernkraftnutzenden Länder senken. Auch eine unideologische Zusammenarbeit mit Russland wäre sinnvoll, können die doch die abgebrannten Stäbe im Schnellen Brüter noch weiter nutzen. Soviel zum Thema Win-Win-Situation.

Eine einheitliche Messung und Auslegung von Stickoxid- und anderen Grenzwerten wäre ebenso hilfreich. 526 Stickoxidmeßstellen in Deutschland stehen ganze acht in Griechenland gegenüber. Einige von diesen stehen auf Hausdächern und halten somit den Mindestabstand (zehn Meter Entfernung zur Straße) ein.

U-Boot Berlin

Die Wahrnehmung von Realitäten ist nicht die Stärke der uns schon länger Regierenden. Auch ihre Risikowahrnehmung ist sehr – sagen wir mal – speziell. Sie verhalten sich wie Kettenraucher, die Angst haben vor Glyphosat im Bier. Die Tatsache, dass wir schon ab 2022 unseren Spitzenbedarf an Strom nicht mehr aus eigener Kraft bereitstellen können, lässt sie kalt (das ist auch erst in der nächsten Legislaturperiode), während Stickoxid und Staubsauger elementare Gefahren für die europäische Zukunft sind. Diese Probleme geht man an und hält dabei die Bürger auch noch für Bekloppte:

„Stellen Sie das Teleskoprohr auf Ihre Körpergröße ein. Das ist nicht nur bequemer, sondern verbessert auch die Kraftübertragung zwischen Hand und Gerät“ so schreibt ein Merkblatt des Bundesumweltamtes.

Es bleibt viel zu tun. Bisherige Energielabel erfassen Waschmaschinen, Kühl- und Gefriergeräte, Geschirrspüler, Lampen, Raumklimageräte, Elektrobacköfen, Autos, Fernseher, Dunstabzugshauben und Warmwasserbereiter. Was kommt als nächstes? Ich tippe auf den guten alten Föhn, der sich vor der Rechtschreibreform noch „Fön“ schrieb. Da fällt einem die Hommage von Otto Waalkes an unseren treuen Begleiter ein, den er liebevoll als „Föni“ bezeichnete, der aber in Wirklichkeit nur ein verzauberter Rasierapparat war, der von Susi geküsst werden wollte. Apropos Rasierapparat . . .


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop