Tichys Einblick
Krypto-Ideologie?

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 56 – Bitcoin-Mining

Unser heutiges Wissen einfach in die Zukunft zu projizieren und daraus belastbare Pläne zu machen, wird nicht erfolgreich sein. Im Zeitraum von Jahrzehnten kommt es zu Entwicklungen, die wir heute noch nicht einmal ahnen.

© Dan Kitwood/Getty Images

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

B wie

Bitcoin-Mining, das

Warum treten Vorhersagen über lange Zeiträume niemals ein und Strategien gehen nicht auf? Speziell im Energiesektor sind heutige Vorstellungen und Pläne zur Situation im Jahr 2050 ein mit Wünschen beladenes Szenario, gestaltet nach dem technologischen Wissensstand von heute. Reichlich dreißig Jahre sind es bis dahin und wenn wir heute zurückblicken, welche Vorstellungen Ende der achtziger Jahre existierten, so haben diese mit dem Zustand heute nicht viel zu tun. Vor allem in Deutschland nicht, aber wir gelten in der Welt ohnehin als etwas speziell.

Gegenwärtig drängen Kryptowährungen in völlig ungeregelter Art und Weise auf den Finanzmarkt. Sie überraschen beim so genannten „Bitcoin“ mit atemberaubenden Wertsteigerungen, steigender Nachfrage und Eigenschaften, die sich deutlich vom herkömmlichen Geld als Zahlungsmittel unterscheiden. Kurz dargestellt, funktioniert eine solche Währung am Beispiel des Bitcoin etwa wie folgt (etwaige Ungenauigkeiten sehen Sie mir als Nichtfinanzer und Nicht-Informatiker bitte nach):

Glanz und Elend und Bitcoins
Crypto Coins: Noch eine neue Sorte Geld?
In einem Rechnerverbund entstehen so genannte kryptografische Schlüssel. Deren Erschaffung nennt man „Schürfen“ oder „Mining“. Diese Schlüssel werden in einem Netzwerkprotokoll hinterlegt und verwaltet und unterliegen keiner zentralen Instanz oder Kontrolle, geschweige denn staatlichen Aufsichten. Banken sind nicht involviert und können nicht mitverdienen, auch besteuern kann man das Kryptogeld nicht. Gerade das macht es so interessant: Keine EZB kann eingreifen, es eignet sich hervorragend zur Spekulation, zur Geldwäsche, erfordert keine Bankgebühren, ist global an keinerlei Standort gebunden, die Zahlungsströme sind von Behörden nicht verfolgbar. Direkte Zahlungen erfolgen über so genannte Blockchain, kryptografische Datenschlüssel, die über Sender- und Empfänger-IT über ein Rechnernetzwerk laufen.

Wie sicher ist das Kryptogeld? Die Sicherheit entsteht durch die Rechner, die sich in den Netzwerken gegenseitig überwachen und jede Transaktion überprüfen. Die durch das Schürfen entstandenen kryptografischen Schlüssel sind sicherer gegen Trojaner oder Viren, je komplizierter sie sind. Mit steigendem Kurs des Bitcoin werden das Sicherheitsbedürfnis und die erforderliche Rechenleistung größer, obwohl nur eine begrenzte Menge an Bitcoins neu geschürft wird.

Da es keine zentrale Instanz gibt, welche die Teilnehmer beglaubigt, misstrauen sich die Bitcoin-Rechner prinzipbedingt. Das Problem besteht für jeden darin, herauszufinden, welche Blockchains nun „echt“ sind. Wem die Mehrheit der Rechner vertraut, der hat grünes Licht. So glaubt jeder Bitcoin-Rechner der längsten gültigen Blockkette, da hinter dieser die meiste Rechenleistung steht und deswegen auch die Mehrheit der seriösen Teilnehmer vermutet wird. Wegen der erforderlichen hohen Rechenleistung könnte der Trend der Zukunft zu einem „Cloud-Mining“ führen, wodurch aber der hohe Sicherheitsanspruch leidet, da das Prinzip der Dezentralität aufgegeben würde.

Als 2008 der Bitcoin zunächst auf einem Kleinrechner vom Japaner Nakamoto geschaffen wurde, interessierte sich nur ein kleiner Kreis IT-affiner Visionäre dafür. Jahrelang dümpelte das Kryptogeld vor sich hin und wurde eher als Privatwährung bei einem Kurs von Cent bis einigen Dollar belächelt.

Unbare Münze

Hinter einer Kryptowährung steht außer einer gewaltigen Rechenleistung nichts. Hinter dem von der EZB symbolisch gedruckten Giralgeld steht zunächst allerdings auch nichts. Der „Bundesverband Digitale Wirtschaft“ bestreitet die Legitimität von Kryptowährungen, andere sprechen von einem Schneeballsystem. Ob es einen Wertspeicher darstellt, ist ungewiss. Das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht warnt, die Banken natürlich auch.

Es gibt dennoch Ideen zu staatlichen Kryptowährungen, zum Beispiel in Estland mit dem „Estcoin“. Wo sonst, ist doch das kleine Land an der Ostsee führend in der Digitalisierung seiner Wirtschaft und Verwaltung, bis hin zur Gewerbeanmeldung per App innerhalb einer halben Stunde.

Was hat der Bitcoin nun mit Energie, vor allem mit der Prognose des Verbrauchs zu tun? Gegenwärtig (2017) erfordert die „Schürfung“ und Verwaltung der Bitcoins eine elektrische Arbeit von etwa 30 Terawattstunden pro Jahr und entspricht damit dem Bedarf von Ländern wie Dänemark, der Slowakei oder Katar.

Im Jahresdurchschnitt arbeiten Kraftwerke mit einer Leistung von 3.400 Megawatt durchgängig für das virtuelle Geld. Da der Kurs des Bitcoin in den letzten fünf Jahren rasant gestiegen ist (um 1.200 Prozent) und Ende Dezember einen Stand von mehr als 16.000 Dollar erreichte, wachsen das Sicherheitsbedürfnis gegen Trojaner und Viren und damit die Rechenleistung. Obgleich immer neuere Rechnersysteme effizienter arbeiten, ist von einem weiteren dramatisch zu nennenden Anstieg des Stromverbrauchs auszugehen.

Echte Kohle für virtuelles Geld

Zurzeit werden drei Viertel aller Bitcoins in China generiert. In der Inneren Mongolei liefert billiger und obendrein subventionierter Kohlestrom für vier Eurocent pro Kilowattstunde den Saft, der CO2-Ausstoß pro Bitcoin wird auf acht bis 13 Tonnen geschätzt. Schreibt man den bisherigen Anstieg des Stromverbrauchs einfach fort, würde das System im Jahr 2020 die Höhe des gegenwärtigen Weltstromverbrauchs erreichen. Welche Lösung gefunden werden wird auf Grund der absehbar begrenzten Stromkapazitäten, ist noch offen.

Tatsache ist, dass in allen Prognosen und Berechnungen zu Energiestrategien weltweit die Kryptowährungen als neuer unerwarteter Verbrauchssektor nicht berücksichtigt sind. Auch nicht in Pariser und Bonner Klimapapieren.
Die Kryptowährungen, wie die Digitalisierung insgesamt, die Industrie 4.0 und der Wohlstandszuwachs in den Schwellenländern führen zu steigendem Strombedarf, der nur schwer vorhersagbar ist. Dieser konterkariert die Einsparbemühungen und den „Klimaschutz“ durch Steigerungsraten, die auch durch „ehrgeizigen“ Ausbau regenerativer Energiequellen nicht abzusichern sind.

Hat er oder hat er nicht?
Von Dekarbonisierung bis Schwarzkörpertemperatur
Trotzdem gibt es sie, die Öko-Optimisten. Das Wiener Unternehmen „Hydro Miner“ mietet abgeschriebene alpine Wasserkraftanlagen an, um emissionsfrei Bitcoin-Server zu betreiben. Es sei wichtig, einen möglichst großen Anteil des Stroms für Kryptogeld aus umweltfreundlichen Ressourcen zu gewinnen. Dass dieser Strom anderen Verbrauchern dann nicht zur Verfügung steht, betrübt die Firma nicht. Vielleicht lässt sich mit dem Label „Grüner Bitcoin“ ein Geschäft machen. Pfiffige Zeitgenossen entwickeln andere Ideen. Ein Tesla-Besitzer in den USA nutzte den gebührenfreien Strom von der firmeneigenen Ladesäule, um in seinem Elektroauto eine Bitcoin-Mine einzurichten.

„Pecunia non olet“ gilt auch für Kryptowährungen. Der BUND akzeptiert Spenden mit Bitcoins, die paar Tonnen CO2 pro Einheit sind ja für einen guten Zweck. Eigenes Geld, egal ob konventionell oder krypto, ist wichtiger als der Blick auf den dadurch verursachten „CO2-Fußabdruck“. Mit einer energieintensiven Kunstwährung haben die selbsternannten Weltretter kein Problem, wie auch mit der schweigenden Zustimmung zu Windkraftanlagen in Wäldern – ein Hektar Kahlschlag pro Anlage. Die Spenden helfen dann, laut über die Rodung von Regenwäldern zu jammern.

Dies ist eine Form von Krypto-Ideologie. Sie ist virtuell, äußerst flexibel und man kann damit einen Run erzeugen. Der Bitcoin gibt uns den Hauch einer Ahnung, welche Entwicklungen noch eintreten können, die uns die Dekarbonisierung vermiesen und das erneuerbare Himmelreich auf Erden verhindern.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop:www.tichyseinblick.shop