Tichys Einblick
Vor dem EU-Gipfel

Ukraine-Krieg wird zum Vorwand für neue EU-Schulden-Wünsche

Energie-Unabhängigkeit von Russland ist nun der nächste Anlass für Brüssel, noch mehr neue Gemeinschaftsschulden zu fordern. Auf dem EU-Gipfel wird sich zeigen, ob die Mitgliedsstaaten einverstanden sind.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel, 7.März 2022

IMAGO / ZUMA Wire

In der EU-Kommission handelt man auch im Falle des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nach der alten Maxime von Winston Chruchill: „Never let a good crisis go to waste“ (Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen).

Und der erwünschte Nutzen für die Brüsseler Kommission ist natürlich immer derselbe: mehr Kompetenzen/Geld für „Europa“, also die Kommission selbst. Und so soll auch der russische Krieg diesen Nebeneffekt haben. Auf ihrem informellen Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Versailles wollen/sollen/müssen die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten also auch darüber debattieren, ob es nicht ein neues, zusätzliches EU-Anleihenprogramm geben solle. „Es gehe zunächst darum, ein Stimmungsbild einzuholen,“ schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf „EU-Kreise“. Aber welche Kreise sollen das schon sein, außer der Führung der EU-Kommission selbst? Und weiter: „Ein konkreter Vorschlag der Kommission wird noch nicht erwartet. Dieser soll erst im zweiten Schritt erarbeitet werden – sofern die Mitgliedstaaten den politischen Willen dazu haben.“

Klar ist damit, was ohnehin kaum jemand ernsthaft bezweifelte: Die Behauptung, der 2020 installierte Corona-„Wiederaufbaufonds“ (was durch ihn „wieder“ aufgebaut werden soll, hat nie irgendjemand erklärt, aber das Wort klingt so schön dramatisch) mit seinen 750 Milliarden Euro erstmals gemeinsam aufgenommener EU-Schulden sei eine absolute Ausnahme, war nie ernst gemeint. Nun nutzt die Kommission den Ukraine-Krieg also als Anlass, schon anderthalb Jahre später das nächste Schuldenprogramm  in die Wege zu leiten.

Womöglich kein Zufall, dass diese Idee ausgerechnet einen Tag nach dem besuch des italienischen Ministerpräsidenten und Ex-EZB-Präsidenten Mario Draghi bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt wird.

Klar auch, was das Geld finanzieren soll: die Transformation des Energiesektors, um schneller von russischen Gas-, Öl- und Kohlelieferungen unabhängig zu werden. Vielleicht auch gemeinsame Militärausgaben.

Dass von der deutschen Regierung Widerstand gegen diese neue Verschuldung- und Vergemeinschaftungsinitiative kommt, ist eher unwahrscheinlich. Man sucht schließlich in Berlin längst nach zusätzlichen Möglichkeiten, um das ganze Ausmaß der Kosten der scheiternden Energiewende nun im Windschatten des russisch-ukrainischen Krieges mit viel „frischem“ Schuldengeld und hehren Worten zu verschleiern. Der einfachste Weg zu mehr Unabhängigkeit Deutschlands (denn um Deutschlands Energieabhängigkeit geht es in erster Linie) wäre zwar ein längerer Betrieb der Atomkraftwerke, was aber für die grünen Minister in Berlin ein Sakrileg ist. Das hat Robert Habeck heute klar gemacht: Atomkraft gibt es nicht mit den Grünen.

Also eben neue Milliardenschulden über Brüssel. Damit sind in Brüssel und Berlin alle zufrieden – und die Inflation kommt halt noch etwas schneller und stärker.

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