Tichys Einblick
Oppositionsführer als Traumberuf?

Merz glaubt nicht mal selbst, dass er der bessere Kanzler wäre

In einem Interview gibt sich Friedrich Merz ausgesprochen genügsam. Keine Spur von Willen zur Macht ist da zu erkennen. Merz scheint als Oppositionsführer zufrieden: Die Union werde „wahrgenommen“ und habe „viel erreicht“. Baerbock mache einen „guten Job“, nur Scholz könne „zupackender“ sein.

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Bundestag, 01.12.2022

IMAGO / Political-Moments

Die Bundesregierung gibt auf allen wichtigen politischen Feldern ein Bild des Chaos ab, eine fatale Melange aus schierer Unfähigkeit, personifiziert durch die desorientierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, und einer über der Überforderung waltenden Hybris, die in dem Glauben an die Energiewende gipfelt – also daran, der Welt ein Vorbild sein zu können.

Doch zu dieser Regierung der grenzenlosen Selbstüberschätzung bei offenkundiger Unfähigkeit gehört auch eine Opposition der bereitwilligen Selbstverharmlosung. Angeführt wird diese von einem Mann, der sich nicht einmal selbst sicher ist, dass er es besser könnte. Nun hat ihn die Rheinische Post in einem aktuellen Interview gefragt, ob er „der bessere Kanzler“, wäre. Darauf antwortet CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz ausweichend: „Die Frage stellt sich nicht, die Wahl ist entschieden.“

Sogar noch als der RP-Redakteur nachhakt, diese Frage könne sich aber stellen, antwortet Merz sich selbst verzwergend: „Dann werden wir sie auch beantworten. Zurzeit bin ich der Oppositionsführer.“

Ein Oppositionsführer, der zwar behauptet: „Wir werden unter Wert regiert“, aber nicht einmal überzeugt ist, dass er selbst es besser könnte … Wie sollen die eigenen Parteifreunde (und potenziellen Konkurrenten), geschweige denn die Bürger davon zu überzeugen sein, jemanden zu wählen, der sich selbst nicht mal sicher ist, es zu wollen und zu können? Merz ist, nachdem er im dritten Anlauf und nach ungezählten Demütigungen durch Angela Merkel an die Parteispitze gewählt wurde, dort ganz offensichtlich immer noch nicht wirklich angekommen. Das innerparteiliche Taktieren, um bloß niemandem auf die Füße zu treten, und das Warten, an die Spitze förmlich getragen zu werden, hat Merz offenkundig verinnerlicht.

Nicht so sehr der Wille, das Scheitern der Bundesregierung offen zu legen und eigene Gegenpositionen zu deren falschem Kurs deutlich zu machen, prägt Merz’ Antworten, sondern kleinliches Kritteln, dass Scholz nicht „mutiger und zupackender“ sei. „Die Koalition streitet zu viel und verwendet zu wenig Zeit darauf, in der Wirtschafts- und Energiepolitik eine Wende zum Besseren hinzubekommen.“ Dann macht es die Ampel also grundsätzlich richtig? Jedenfalls erwähnt Merz außer einem Verweis auf „grüne Aktivisten“ im Wirtschaftsministerium nicht, was die Union grundsätzlich anders machen würde.

Ganz besonders freundlich ist Merz zu Außenministerin Annalena Baerbock, die „insgesamt einen guten Job“ mache. Wirbt er hier schon um einen künftigen Koalitionspartner? Oder hofft Merz nur, dass die sich in ihrem nächsten Interview erkenntlich zeigt und ihm attestiert, er mache „als Oppositionsführer einen guten Job“? Denn das tut er aus der Perspektive der Regierenden ohne Zweifel.

Die Genügsamkeit dieses Oppositionsführers, der nicht weiß, ob er der bessere Kanzler wäre, gipfelt dann am Ende des Gesprächs in den Sätzen: „Viele haben uns nach der vergangenen Bundestagswahl einen weiteren Niedergang vorausgesagt. Der ist nicht eingetreten. Stattdessen werden wir wahrgenommen und haben viel erreicht. Ich bin davon überzeugt, wir werden uns in den Umfragen bei über 30 Prozent etablieren.“ Die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl wird nun von einem Mann geführt, der als zahmer Oppositionsführer seine endgültige Berufung gefunden zu haben scheint.

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