Tichys Einblick
Die Kanzlerin befiehlt "Ruhe"

Merkels Sprache auf der Pressekonferenz: absurd, perfide und zynisch

Die Kanzlerin liefert nach dem Corona-Gipfel eine Show, die sprachlos macht: Sie verkauft das Virus als einen Feind, der "nicht locker lässt", und die Einschränkung von Grundrechten als "Ruhe". Wer so spricht, muss seine Zuhörer für Idioten halten.

picture alliance/dpa/dpa/Pool | Michael Kappeler

Merkel war völlig außer Atem, aber dennoch sichtlich zufrieden, als sie am frühen Dienstagmorgen die Ergebnisse der Konferenz mit den Länderregierungschefs verkündete. Und nicht nur was sie da verkündete, sondern auch, wie sie es tat, war eine neue Blüte des späten Merkelismus. 

Im Einstieg wollte sie offenbar besänftigend auf die Schreckensnachrichten vorbereiten, die noch kommen sollten. Also zunächst eine Bonding-Botschaft: „Wir kämpfen ja schon seit einem Jahr mit dem Virus“. Das Virus wird also als ein Feind vorgestellt, gegen den die Gemeinschaft zusammenhalten müsse. Und dann die Erinnerung an schon vergangene Schlachten, die „wir“ gemeinsam schlugen. Sie selbst, so stellt sie es dar, stand von Anfang an in der vordersten Schlachtreihe, als es in die große Lockdown-Schlacht vor fast genau einem Jahr ging: „Ich werd’s nicht vergessen“, sagt sie also im Stile eines alten Haudegens, der im Feldlager den Rekruten von seinen Heldentaten erzählt, „denn unmittelbar nach dieser Pressekonferenz musste ich mich zu einer 14-tägigen Quarantäne zurückziehen und damals ging es mir wie seitdem so vielen Menschen in unserem Land.“ Botschaft: Ich trage mit euch die Leiden.

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Und dann sagt sie: „Aber, wir haben das Virus noch nicht besiegen können, es lässt nicht locker“. Ein Satz, der offenbart, dass sie eine geradezu magische Deutung des Geschehens verbreiten will. „Wir“ sollen einen Krankheitserreger als einen hartnäckigen Feind betrachten, dessen Kampfeswille zu brechen ist. Natürlich ist das völlig absurd:  Wie sollte so ein Sieg denn bitteschön aussehen? Wird das Virus irgendwann „lockerlassen“, die weiße Fahne hissen und im Kanzleramt eine Kapitulation unterschreiben? 

Sofort nach der Magie bringt die Kanzlerin dann „die Wissenschaft“ ins Spiel, um den Einsatz der „Notbremse“ und der „zusätzlichen Maßnahmen“ zu rechtfertigen, mit denen man das „exponentielle Wachstum“ (ein Lieblingsbegriff Merkels) „beenden“ werde. Nämlich: „Die Wissenschaft sagt uns ganz klar: Je geringer jetzt die Neuinfektionszahlen sind, umso schneller wirkt die Impfung.“ Das ist offenkundig keine besondere wissenschaftliche Erkenntnis, sondern ein Ablenkungsmanöver vom Impf-Versagen der Regierenden, das nicht nur absurd, sondern geradezu unfassbar dreist ist. Soll die Impfung nicht Lockdownmaßnahmen überflüssig machen? Jetzt also sollen wir stattdessen erst die Inzidenz mit dem Lockdown niederkämpfen (was nach bisherigen internationalen Erfahrungen gar nicht eindeutig möglich ist), um dann erst zu impfen. Was für eine perfide Nebelkerze! 

Der Höhepunkt sprachlicher Perfidie kommt aber noch: Es ist das neu in die Coronapolitik eingeführte Wort der „Ruhe“: „Wir stehen vor Ostern“, sagt Merkel, „und wir fragen uns, wie können wir diese Ostertage zu einer Ruhephase entwickeln.“ Ein positiv besetzter Begriff wird hier also dafür missbraucht, um den Menschen Verbote zu verkünden: „… und deshalb sollen der 1. April, Gründonnerstag also, und der 3. April einmalig als Ruhetag definiert werden mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen, sowie einem Versammlungsverbot vom 1. bis 5. April, also eine erweiterte Ruhezeit zu Ostern.“ Und in festem Ton fährt sie fort: „Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip: Wir bleiben zuhause.“

Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverbot, das ist die „Ruhe“, die die Regierenden ihren Bürgern gewähren. Merkel offenbart an diesem Dienstagmorgen einen Zynismus, der sprachlos macht.