Tichys Einblick
Protest gegen Projekt in Australien

Joe Kaesers blamiert: Luisa Neubauer verschmäht Josefs Lolly von Siemens

Die Grünen und FFF-Aktivisten wollen mit dem Protest gegen ein kleines Siemens-Projekt in Australien einen zwar belanglosen aber öffentlichkeitswirksamen Sieg gegen die Kohle inszenieren. Siemens-Chef Kaeser setzt vor allem sich selbst in Szene und wurde jetzt noch durch die Absage blamiert.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

(aktualisiert) „Absurd“ nennt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen Ricarda Lang das Vorhaben des Siemens-Konzerns in einem Interview. Es geht es um ein Geschäft mit einer vergleichsweise geringen Auftragssumme von etwa 20 Millionen Euro: die Signal-Anlagen für eine neu zu bauende Güter-Bahnstrecke in Australien, die ein neues Bergwerk des indischen Adani-Konzerns mit dem Hafen verbinden soll, von dem aus Kohle zu indischen Kraftwerken verschifft werden soll.   

Absurd ist daran nichts. An solchen Infrastrukturen baute und baut Siemens seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt. Lang meinte wohl eher so etwas wie verwerflich oder empörend. Da legen zumindest weitere Aussagen im Interview nahe: “Die ganze Welt spricht über die Brände in Australien. Hunderttausende Tiere sterben. Die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen wird zerstört. Und gleichzeitig wird dort ein Kohlekraftwerk, ein riesiger Klimakiller gebaut“.

Tatsächlich absurd ist wohl eher die Reaktion des Siemens-Vorstandschefs auf die Proteste der Fridays-For-Future-Bewegung vor seiner Konzernzentrale in München. Nachdem er im Dezember versprochen hat, das Geschäft auf den Prüfstand zu stellen, über das er zuvor nicht unterrichtet gewesen sein wollte, traf er nun die deutsche FFF-Sprecherin Luisa Neubauer (Grünen-Parteimitglied) – und bot ihr gleich einen Sitz im Aufsichtsgremium der neuen Tochter-Gesellschaft Siemens Energy an. Eine 23-jährige Geographie-Studentin soll also nun über die Energie-Sparte des Weltkonzerns Siemens wachen. Man könnte da durchaus von einem nicht nur absurden Angebot, sondern von einem unmoralischen sprechen. Danach sagte er der Presse: „Ich möchte, dass die Jugend sich aktiv beteiligen kann.“ Er unterstütze Fridays for Future. So kennt man Kaeser von unzähligen Tweets und anderen öffentlichen Äußerungen. Wenn es darum geht „Haltung“ zu zeigen, also dem veröffentlichten Zeitgeist zu huldigen, steht er gerne zur Verfügung. 

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Angesichts dessen kann man wohl ziemlich sicher sein, wie die Entscheidung über das Adani-Geschäft, die er spätestens am Montag bekannt geben will, ausfallen wird. Kaeser, der öffentlich immer wieder bekundet, dass Siemens Klimaneutralität bis 2030 anstrebe, kann nun vermutlich kaum noch das Geschäft trotzdem durchziehen. Und 20 Millionen Euro Umsatzeinbuße sind für einen Dax-Konzern mit rund 87 Milliarden Euro Jahresumsatz verkraftbar. 

So wenig, wie für Kaeser dieser Umsatzverlust ausschlaggebend sein wird, so wenig kann für die Grünen und FFF der konkrete Klimaschutzeffekt ausschlaggebend sein. Denn der ist Null. Adani wird sicher einen anderen Signalanlagenbauer finden und sich nicht um Proteste junger Leute in Deutschland scheren. Die Inder wissen, was die Deutschen vergessen zu haben scheinen: dass ihr künftiger Wohlstand nicht zuletzt von günstiger und verlässlicher Energieversorgung abhängig ist.

Die Grünen und FFF-Aktivisten wollen ein Exempel ihrer aktivistischen Durchschlagskraft statuieren. Sie haben sich vermutlich auch aus taktischen Gründen ausgerechnet Siemens und ausgerechnet dieses Projekt als Objekt ihrer Empörungsattacke gewählt. Denn wer seine Macht demonstrieren will, sucht sich kein Schlachtfeld, auf dem mit äußerster Gegenwehr gerechnet werden muss.

Es stellen sich aber einige Fragen für Siemens: Darf der Vorstandsvorsitzende sein Kontrollorgan selbst besetzen? Bei der Siemens Energy AG, für die Kaeser den Platz im Aufsichtsrat angeboten hat, darf er das de facto bestimmen. Zumindest solange die Siemens AG, deren Vorstandsvorsitzender er ist, die Mehrheit der Stimmrechte hat. Denn Kaeser will Siemens zerschlagen – in selbständige Unternehmen, über die eine Holding sitzt, die die Anteile hält. Allerdings sollen diese Töchter dann Aktionäre anziehen  –  eine völlig absurde Schnapsidee also die Vorstellung, jemand könnte einer solchen Gesellschaft Kapital anvertrauen. Im Paragraphen 5.4 des CGC-Regelwerkes heißt es: „Der Aufsichtsrat ist so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ Was trägt Kaesers Mädchen dazu bei?

Käser erklärt dazu, er möchte dass auch „die Jugend“ sich beteiligt. Bislang galt Kompetenz als Kriterium. Aber bei Siemens reicht jetzt auch Kindlichkeit.

Vielleicht ist es aber auch zynisches Kalkül: Da wird billig Protest abgekauft, und das Geschäft läuft ungestört weiter? Mittlerweile allerdings hat Neubauer abgesagt. Joe Kaeser steht buchstäblich peinlich da – als Sugar Daddy, dessen Lollies Luisa nicht annimmt.

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