Tichys Einblick
GNTM und Oscars

Diversitätsvorgaben statt freier Wettbewerb – Langeweile auf Ansage

Wettbewerb ist nicht nur das Prinzip, das Menschen zur Leistung treibt. Er sorgt auch für Unterhaltung. Wer ihn durch identitätspolitische Tugendsignale einschränkt, langweilt. Die Unterhaltungsindustrie macht es vor.

Werbetafel am Kurfürstendamm in Berlin

IMAGO / Stefan Zeitz

Ein bald 13-jähriges Mädchen, das dem Autor persönlich bekannt ist, gehört seit Jahren zu den treuesten Zuschauerinnen von „Germany’s next Topmodel“. Aber in diesem Jahr war ihr Interesse gegen Ende der Staffel sichtlich erlahmt – spätestens als schließlich die drei letzten Kandidatinnen feststanden.

Worum geht es eigentlich in dieser Sendung von Pro Sieben und Heidi Klum? Was ist das Konzept? Es ist ein Turnier, ein Wettbewerb. Am Anfang gibt es viele Bewerberinnen, dann müssen die Schwächeren ausscheiden, bis am Ende nur eine überbleibt. Natürlich genießen die Zuschauerinnen auch die pseudoglamouröse Inszenierung, das Gezicke und Geheule der Kandidatinnen. Aber im Kern ist es doch die uralte, immer wieder spannende Vorgabe, die einen öffentlichen Wettbewerb so attraktiv macht: Der oder die Beste soll gewinnen. 

Der Wettbewerb als Prinzip ist die Grundlage für den Erfolg der freien Gesellschaften des Westens, indem er Leistung und nicht angeborene Merkmale zum Kriterium des Erfolges machte. Und er ist nebenbei auch noch spannend, also unterhaltend, sogar für Unbeteiligte.

Nur die Macher der Sendung scheinen das verdrängt zu haben. Allzu offensichtlich musste der Verdacht aufkommen, dass ihr Wille, Diversität zu signalisieren, Priorität gegenüber der Wettbewerbsidee hatte. Und das ging auf Kosten des Unterhaltungswertes.    

Ein Sieg ist eben kein richtiger Sieg, wenn der Verdacht besteht, dass die Bedingungen manche Wettbewerber von vornherein begünstigen und so den Wettstreit verzerren. Das merken die Zuschauer, die sich irgendwann um ihr Unterhaltungsvergnügen betrogen fühlen und abschalten: In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen verfolgten rund 1,97 Millionen Personen die Finalsendung. Im Vorjahr waren es noch 2,5 Millionen. Die Zuschauerinnen von GNTM schalten vermutlich in erster Linie ein, weil sie unterhalten werden wollen – belehrt werden sie schon in der Schule.

Ähnliches gilt offenbar auch für Kino-Fans. Das legt die Erfahrung der diesjährigen Oscar-Verleihung nahe. So titelte der Rolling Stone im April: „Mehr als 50 Prozent weniger Zuschauer als bei der letzten Oscar-Show! Die Verleihung im Zeichen von Corona war zwar ein Fest der Diversität, aber auch ein heftiger Quoten-Flop.“ Klar, es werden mehrere Faktoren eine Rolle gespielt haben, nicht zuletzt die Corona-Pandemie, die für die Filmbranche wegen geschlossener Kinos besonders desaströs war. 

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Aber eine Rolle für das geringe Zuschauerinteresse dürfte auch gespielt haben, dass die Spannung vor dem Satz „and the winner is…“ schon im Vorhinein gedämpft worden war. Denn statt über einzelne cineastische Meisterleistungen wurde in der Filmszene und der Fachpresse vor allem die Frage debattiert, wie wohl die Academy ihre Haltung gegen Rassismus und Sexismus deutlich machen werde. In den Worten des Rolling Stone: „Wie würden gesellschaftliche Reizthemen wie „Black Lives Matter“ und der mehr und mehr auch öffentlich diskutierte Hass auf American Asians einbezogen? Bekommen die großartigen Frauen im Kino (vor allem auch hinter der Kamera) endlich mehr Aufmerksamkeit?“ Und die Academy-Juroren wurden, das kann man wohl kaum bestreiten, der allgemeinen Erwartung gerecht.

Aber auch hier gilt: Ein Tugendsignal ist für den, der es zeigt, womöglich sehr befriedigend, aber für die Empfänger nicht besonders unterhaltsam.

Eines der bekanntesten männlichen Models in Deutschland ist Alpha Dia, geboren 1992 in Senegal. Er arbeitet für die großen Namen der Modebranche zwischen New York und Mailand. In einem Interview mit der FAZ konfrontiert ihn der Fragende mit der Feststellung „Ein großes Thema in der Mode ist Diversity“. Dias Antwort ist erhellend: „Ja, es hat sich viel verändert. Es ist aber seltsam, wenn man merkt, dass die Leute dich nicht buchen, weil sie dich gut finden, sondern weil sie irgendwas repräsentiert sehen wollen. Das finde ich nicht cool, das wird auch nicht meiner Arbeit gerecht.“ Und nach dem Hinweis, dass bei model.com „gleich drei Schwarze mit dem Titel Model des Jahres ausgezeichnet“ wurden, sagt Dia: „Wenn drei Schwarze auf den ersten drei Plätzen sind, dann wirkt das ein bisschen künstlich. Obwohl alle drei es natürlich verdient haben – aber das sehen die Menschen nicht, die uns nicht kennen.“ 

Dia spricht aus, was naheliegend ist: Die Verzerrung des Wettbewerbsgedankens durch offene oder verdeckte Quotierungen im Dienste der Diversität dient gerade nicht dem Zweck, den die Verzerrer vorgeben, nämlich der Stärkung des Selbstbewusstseins von Angehörigen vermeintlich oder tatsächlich diskriminierter Gruppen. Wer den Verdacht haben muss, sein Sieg beruhe nicht auf eigener Leistung, sondern auf der Bevorzugung durch offen oder verdeckt verzerrte Bedingungen, wird nicht selbstbewusster und zu künftiger Leistung angespornt, sondern verunsichert.

Die wirklichen Sieger von verzerrten Wettbewerben, wie sie längst nicht nur das Model- oder Filmbusiness, sondern die Leistungsfähigkeit der Kernsysteme der westlichen Gesellschaften –  Wissenschaft, Wirtschaft, Politik – schwächen, sind nur die Verzerrer selbst. Verlierer sind alle anderen. 

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