Tichys Einblick
Ein denkwürdiger Talkshow-Auftritt

Lanz läutet das Ende des Phänomens „Lauterbach“ ein

Markus Lanz warf in seiner Talkshow dem Gesundheitsminister „Panikmache“ vor. Solchen Gegenwind ist Lauterbach von seinen früheren Talk-Gastgebern und Hauptstadtjournalisten nicht gewohnt. Seine Masche zieht nicht mehr. Das ist der Anfang vom Ende seiner Corona-Karriere.

Karl Lauterbach bei Markus Lanz

Screenshot / ZDF

Vielleicht haben wir gestern Abend das Ende einer bizarren Politik-Karriere erlebt. Und zwar dort, wo sie begann: in einer Talkshow. Konkret: bei Markus Lanz.

Der Aufstieg des einst als skurriler SPD-Gesundheitspolitiker mit der Fliege allenfalls Fachkreisen bekannten Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister war vor allem ein Fernsehphänomen. Seit Beginn der Corona-Pandemie saß Lauterbach so oft wie kein anderer Politiker in Talkshows. Mit seinem Gesicht, seiner Stimme, seinen dramatisierenden Warnungen begingen viele Millionen Deutsche monate- ja jahrelang ihren Feierabend. Wer so präsent ist, wird für enorm wichtig und das, was er sagt, für richtig gehalten. Auf Twitter gab es daraufhin #wirwollenkarl und den Ruf nach dem „Gesundheitsminister der Herzen“, als den ihn Maybrit Illner in ihrer Sendung tatsächlich einmal vorstellte.

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Markus Lanz hat Lauterbach, der sich genauso gebärdete wie sonst auch in ungezählten Talkshow-Auftritten und alltäglich in seinem Twitter-Kanal, nun vor den Augen der Fernseh-Nation Paroli geboten. Er lauschte diesmal nicht andächtig den düsteren Prophezeiungen des vermeintlichen Harvardianers und fachlich versierten Ausnahmepolitikers, wie weiland Maybrit Illner, Anne Will und er selbst. Er griff Lauterbach frontal an. 

Wo solle das hinführen, wenn Lauterbach vor einer „Kindervariante“ warne. Er sprach von „Panikmache“ und unterstellte Lauterbach den Versuch der „Erziehung durch Angst“. Solcherlei Kritik an Lauterbach galt bisher im Juste Milieu des ÖRR als querdenkerisch und unsagbar. Dazu war in der Sendung noch ein sicheres Indiz dafür zu beobachten, dass sich insgesamt der Wind des Berliner Polit-Medien-Betriebes gegen Lauterbach gedreht hat: Auch eine FAZ-Journalistin, die man für so etwas wie die Inkarnation des Mainstreams nehmen kann, attestierte Lauterbach ein „kommunikatives Desaster“.

Dieses Desaster bestätigte Lauterbach dann auch in eben jener Sendung, indem er zugab, dass es „unsinnig“ sei, sich alle drei Monate impfen zu lassen, während das unter seiner Ägide eingebrachte neue Infektionsschutzgesetz klare Ansätze zu derart kurzen Intervallen zwischen Impfungen setzt.

Lauterbach fühlte sich sichtlich unwohl. Solchen Gegenwind ist er von seinen Talk-Gastgebern und Hauptstadtjournalisten nicht gewohnt. Dünnhäutig nannte er die Kritik an ihm daher „einfach schlicht unfair“ und sagte: „Die Leute, die mich kritisieren, sind nicht die Leute, die an der Kommunikation eine Kritik haben (…), sondern Leute, die von Corona nichts mehr hören wollen.“ Und: „Die wollen von mir hören: Das ist vorbei. Da kommt nichts mehr. Wir brauchen das nicht.“ 

Aus diesen Worten sprach allzu erkennbar die Furcht eines Mannes, der sich daran gewöhnt hat, angehört zu werden, vor dem Desinteresse und der Ablehnung seines Publikums. 

Die Szenen vor den ZDF-Kameras erinnerten etwas an die Früh-Geschichte des europäischen Parlamentarismus, wenn etwa in der französischen Nationalversammlung der Revolutionsjahre während den Debatten die Stimmung kippte und die Abgeordneten denjenigen, dem sie gestern noch begeistert applaudierten, nun „Tyrann“ zuriefen, weil sie merkten, dass der Volkszorn sich gegen den einstigen Liebling gedreht hatte. 

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