Tichys Einblick
Klimadebatte

Der „Klimakiller“ macht die Erde grüner

Kohlendioxid hat einen schlechten Ruf. Das Spurengas wird für die Erderwärmung verantwortlich gemacht. Dabei gäbe es ein Leben ohne CO2 gar nicht. Da Meere und Wälder große Mengen davon aufnehmen, sind die von der Politik geforderten Reduktionsziele übertrieben.

© Kazuend

Wer den Chemieunterricht nicht geschwänzt und aufgepasst hat, kennt noch die einprägsa­me Reaktionsgleichung: CO2 + H2O = Zu­cker oder Zellulose. Das ist die zentrale Gleichung des Lebens – aus Kohlendio­xid und Wasser werden unter der Ein­wirkung von Sonnenlicht Zucker, Holz, Pflanzen und Nahrung erzeugt. Ebenso wichtig für uns ist die umgekehrte Glei­chung: Wir setzen Zucker zu CO2 und Wasser um und schaffen Energie, die uns am Leben erhält.

Das lebensnotwendige CO2 wird nun zum Killergas erklärt, denn Kohlendi­oxid kann in der Atmosphäre Wärme speichern. Da immer mehr pflanzliche Kohlenstoffreste aus Millionen von Jah­ren durch Verbrennung von Gas, Kohle und Öl wieder freigesetzt werden, nimmt der Kohlendioxidgehalt der Luft zu. Von 280 ppm („parts per million“, also 0,028 Prozent Anteil in der Luft) auf rund 400 ppm (0,04 Prozent) ist die Konzen­tration seit Beginn der Industrialisie­ rung angestiegen. Wie gefährlich ist das? Für uns Menschen ist CO2 völlig unge­fährlich. Wenn wir morgens in unserem Schlafzimmer aufstehen, ist durch uns die CO2­-Konzentration von 400 ppm auf bis zu 1.200 ppm angestiegen. Für Pflan­zen ist CO2 sogar überlebensnotwendig; 90 Prozent aller Pflanzen sind soge­ nannte C3­-Pflanzen, die unterhalb von 150 ppm CO2 die Photosynthese einstel­len, sie sterben ab. Unsere Bäume, aber auch Weizen, Roggen, Reis wachsen besser mit steigendem CO2­-Gehalt der Luft. C4­Pflanzen wie Gräser und Mais reagieren nicht ganz so empfindlich. Von der vorindustriellen Zeit bis heu­te hat sich die Photosyntheseleistung der meisten Pflanzen um 65 Prozent gesteigert. Bei einem weiteren Anstieg des CO2 in der Luft von den heutigen 410 ppm auf 600 ppm werden die Pflan­zen noch einmal um 35 Prozent zulegen. Manche Gewächshausbesitzer machen sich das zunutze, in dem sie die Treib­häuser auf 600 ppm CO2 anreichern, um damit eine entsprechend bessere Nahrungsmittelausbeute zu erreichen.

Die Erde wird grüner. Das zeigen Sa­tellitenbilder eindeutig. Etwa auf einem Viertel bis zur Hälfte der bewachsenen Gebiete der Erde hat sich die Vergrü­nung breitgemacht. Selbst die Sahel­zone hat sich stabilisiert; mehr Regen und mehr CO2 haben dazu geführt, dass die Vegetationsbedeckung südlich der Sahara in den vergangenen beiden Jahrzehnten um acht Prozent zuge­nommen hat.

Je mehr CO2, desto höher die Ernten

Die Zunahme an grüner Biomasse entspricht einem neuen grünen Kon­tinent, doppelt so groß wie die USA. Etwa 70 Prozent davon ist auf die ge­steigerte Photosynthese durch CO2 zu­ rückzuführen. Geholfen hat natürlich auch die Erwärmung, die zusätzlich die Feuchtigkeit in der Luft erhöhte. Die Ernteerträge sind gestiegen, nicht nur, aber durchaus auch wegen des „Klima­killers“ CO2.Wie groß der Beitrag des CO2 zur Er­wärmung der vergangenen 150 Jahre ist, bleibt nach wie vor höchst umstrit­ten. Je länger die von den Klimamodellen prognostizierte starke Erwärmung ausbleibt, desto mehr gewinnen diejenigen Wissenschaftler an Gewicht, die dem CO2 allenfalls einen 50-prozentigen Anteil an der Erwärmung zuordnen. Das zeigt nicht zuletzt die Erwärmung der vergangenen 30 Jahre, die um nicht mehr als 0,13 bis 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt (je nach Messprogramm) angestiegen ist. Das würde dann am Ende des Jahrhunderts allenfalls das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Abkommens erreichen lassen.

Doch es kommt noch besser. Jahr für Jahr stößt die Menschheit mehr CO2 aus als zuvor. Waren es 1959 noch 8,5 Milliarden Tonnen, sind es heute schon etwa 37 Milliarden Tonnen. Und egal wie hoch die Emissionen wurden, die Hälfte der Emissionen wurde durch die Ozeane und das vermehrte Pflanzenwachstum aufgesogen.

Auch die künftig vom Menschen erzeugten CO2-Emissionen werden von der Natur weiterhin aufgenommen. 4,5 ppm stoßen wir jährlich zusätzlich aus, und nur 50 Prozent der Emissionen verbleiben in der Luft, der Rest wird absorbiert, für Hunderte von Jahren in die tiefen Meere verfrachtet oder in wachsenden Wäldern aufgenommen, und das etwa zu gleichen Teilen.

Der Weltklimarat nahm bislang an, dass die natürliche Aufnahme mit steigendem CO2-Pegel schwieriger und der Verbleib des CO2 in der Luft uns daher viel länger zu schaffen machen würde. Von mehreren Hundert Jahren Verweildauer war noch in den ersten Weltklimaberichten zu lesen. Im jüngsten Bericht von 2013 gab es dann schon ein kleinlautes Heranpirschen an die Realität, und man schätzte die Verweildauer des CO2 in der Luft auf 30 bis 100 Jahre. Weder bei der Vegetation noch bei der Verlagerung des CO2 in die tieferen Schichten der Ozeane ist eine Sättigung in Sicht. Erst bei 1500 ppm bleibt die Aufnahme von CO2 durch die Pflanzen nahezu konstant. Aber 1500 ppm erreichen wir niemals, eher gehen uns Kohle, Erdöl oder Erdgas aus.

Und nun kommt das höchst Überraschende: Entschlösse sich die Menschheit, in den nächsten Jahren einfach die weiteren Emissionen nicht weiter ansteigen zu lassen, sozusagen die Gesamtemissionen bei 37 Milliarden Tonnen einzufrieren, pendelte sich nach geraumer Zeit ein neues Gleichgewicht zwischen den jährlichen Emissionen und den Ozeanen und Pflanzen ein. Dann kann man berechnen, bei welchem CO2-Niveau man landete: Nimmt man eine mittlere Abklingzeit des CO2 von 50 Jahren an, dann würde nach den Berechnungen mehrerer Wissenschaftler ein Niveau von 500 bis 520 ppm nicht überschritten.

Der Umkehrschluss verblüfft: Es wäre also gar nicht erforderlich, die Emissionen auf null zurückzufahren. Wir könnten so lange fossile Energieträger nutzen, bis sie aufgebraucht sind. Wir dürften nur nicht wesentlich mehr als 37 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. Durch ein Einfrieren der CO2-Emissionen würde nicht einmal eine Verdopplung der Konzentration von vorindustriellen 280 ppm auf 560 ppm eintreten. Bei einer Verdoppelung auf 560 ppm wäre eine Erwärmung von 1,8 Grad Celsius zu erwarten, legt man die neuesten empirischen Klimaempfindlichkeitsberechnungen zugrunde. Daher ist der schon beschlossene Schritt der Bundesregierung, die CO -Emissionen auf 80 Prozent zurückzufahren, überflüssig, und die Ankündigung der Kanzlerin, das Ziel auf 100 Prozent hochzuschrauben, mehr als fragwürdig.

Panik ist also völlig unnötig. Mutter Erde hält das CO2-Problem für uns in Grenzen. Wir sollten ihr dabei helfen. Je mehr Pflanzen und Bäume wachsen, umso mehr kann auch an CO2 aufgenommen werden.

Das ergibt jedenfalls sehr viel mehr Sinn als abenteuerliche Konzepte von Elektromobilität bis zum Zupflastern schöner Landschaften mit Windkraftanlagen.

Allerdings sollte man darüber diskutieren, wie viel die entwickelten Länder zurückfahren müssen, um den sich entwickelnden Nationen einen Nachholbedarf in Sachen CO2-Emissionen zu ermöglichen. Das hat dann etwas mit Gerechtigkeit zu tun.

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