Tichys Einblick
Politisch korrekt, gutpädagogisch

Keine Panik in der Udo Lindenberg Schule

Jetzt gibt es erstmals eine „Udo-Lindenberg-Schule“ – nicht etwa in Berlin, sondern in Bayern.

© Christof Koepsel/Getty Images

Mellrichstadt – schon mal gehört oder gelesen? Wohl kaum. Ein nettes Städtchen ist es gleichwohl. Gelegen im ehemaligen bayerischen Zonenrandgebiet, fünf Kilometer von der damaligen innerdeutschen Grenze oder heute von Thüringen entfernt, leben dort 5.500 Menschen. Mellrichstadt hat Geschichte, bereits 1232 wurde es zur Stadt erhoben. Bald hatte es eine wichtige Lateinschule in ihren Mauern. Heute ist Mellrichstadt Sitz weiterführender Schulen, konkret der Ignaz-Reder-Realschule, des Martin-Pollich-Gymnasiums und einer bis vor kurzem namenlosen Mittelschule (vormals Hauptschule). Die Realschule hat mit Ignaz Reder einen 1746 in Mellrichstadt geborenen, späteren Physikus als Namenspatron, das Gymnasium mit Martin Pollich einen 1455 geborenen Gelehrten und späteren ersten Rektor der Universität Wittenberg. Da konnte die bislang namenlose Mittelschule nicht länger hinterherhinken. Also musste etwas ganz Spektakuläres und zugleich politisch besonders Korrektes her. Nun heißt diese von rund 400 jungen Leuten besuchte Schule seit einigen Tagen „Udo-Lindenberg-Mittelschule“. Und sie ist die weltweit erste dieses Namens. Wer hätte das gedacht, Mellrichstadt schreibt wieder Geschichte!

Der Namensgebung ging ein längerer Prozess voran. Bereits im Jahr 2015 wollte man sich mit dem Namen des Nuschel- und Panikrockers schmücken. Dann aber wurde Udo am Hamburger Flughafen mit einer Pistole im Gepäck erwischt. Der Staatsanwalt ermittelte, die Namensgebung wurde zunächst auf Eis gelegt. Soeben zum Ende des Schuljahres 2016/17 konnte sie nun doch vollzogen werden, denn das Strafverfahren gegen Udo wurde eingestellt. Aber auch sonst ist die Verleihung eines Namens an eine Schule ein aufwendiges Verfahren. Eltern, Schüler, Lehrer, Kommune und Schulaufsicht müssen sich einmütig für einen Namen erklären, ehe das Kultusministerium dann offiziell den gewünschten Namen verleiht.

So weit, so gut. So weit, so schlecht. Denn ein wenig reibt man sich schon die Augen. Mellrichstadt hätte so manchen dort geborenen späteren Abt, den einen oder anderen dort geborenen Kulturschaffenden oder den einen oder anderen erfolgreichen Bürgermeister als Namenspatron zu bieten gehabt. Nein, es musste Udo Lindenberg sein. Er als Leitbild einer pädagogischen Einrichtung? Und warum?

Die Website der Schule will darüber Auskunft geben. Sie tut dies wie folgt: „Rassistische und rechtsradikale Ansätze sollen bei uns keine Chance haben und deshalb brauchen wir Udo! ….. Individualität, Weltoffenheit und Mut – das sind die zentralen Werte, die wir unseren Schülern mit auf den Weg geben wollen und genau das lebt der Mann mit Hut seit Jahrzehnten vor. Du machst dein Ding!, die Aufforderung an sich und seine Stärken zu glauben ist gerade für unsere Mittelschüler eine wichtige Botschaft …. Lindenberg, kein Witz, sondern der Versuch, eine Schule mit einer Person zu verknüpfen, die Antworten auf aktuelle Fragen gibt … Keine Panik, wir wissen in Mellrichstadt schon, was wir tun…“

Wisst ihr das wirklich? Natürlich, werdet ihr sagen! Und beileibe ist dies keine Schnapsidee! Wir wissen, dass für den gelernten Kellner, heute 71 Jahre alt, vor 20 Jahren Fitness darin bestand, mit bis zu zwei Flaschen Whiskey pro Tag „einarmiges Stemmen von Gläsern, meistens mit rechts“ zu praktizieren. Dass er bekennender 68er ist und der Sozialdemokratie nahesteht. Dass er Helene Fischer jüngst attackierte, weil sie sich nicht „Gegen Rechts“ positioniert. Dass er die Aktion der zwielichtigen Amadeu-Antonio-Stiftung mit dem Titel „Täglich nach den Rechten sehen“ fördert. Dass er einen Songwettbewerb mit dem Titel „Panikpreis“ betreibt, in dem Bands, Musiker und Texter zur Bewerbung aufgefordert werden, die „nicht mit dem Mainstream schwimmen.“ Eine seltsame Vorstellung von Mainstream, wo Udo doch der Inbegriff von Mainstream ist!

Vor allem aber habt ihr über euren Kampf gegen rechts hinaus jetzt authentisch echt Stoff für einen lyrisch unterlegten Deutschunterricht. Balladen von Schiller oder Goethe können da nicht mithalten. Zum Beispiel interpretiert ihr dann weltbewegend gigantische Verse aus den Songs „Reeperbahn“ oder „Gegen die Strömung“. Auszüge daraus: „Mich ziehts zum Kiez Reeperbahn, ich komm an, du geile Meile ….“ Oder: „Ich geh mit dir durch Dick und Dünn, aber nicht durch Dick und Doof. Bitte schmeiß nicht gleich unsere Liebe weg, wenn ich mal mit ner Anderen poof.“

Gewiss können Menschen fallen, gewiss können und sollen sie sich aufrappeln. Einen so seltsamen Heiligen wie U.L. zum pädagogischen Säulenheiligen zu erwählen, bleibt aber gewöhnungsbedürftig. Das bayerische Kultusministerium hätte einschreiten sollen. Allein schon deshalb, weil es sich nicht für jeden Absolventen gut macht, wenn er sich mit einem Abschlusszeugnis bewerben muss, auf dessen Kopf der Name „Udo Lindenberg“ steht. Dass seine Heimatstadt Gronau eine Straße nach ihm benannt und ihn mit einem Denkmal gewürdigt hat, hätte gereicht.

Nun, immerhin, hat Udo Lindenberg die nach ihm benannte Schule nicht mit einem Besuch beehrt und ihr damit einen riesigen Medienrummel erspart. Via YouTube ließ er die ULMM-Schüler (ULMM = Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt) wissen: „Da war ich ja noch nie.“ Mit seiner Botschaft forderte er zudem die „Vögelchen“ – die Schüler – auf, ihren Weg zu gehen und auf Toleranz zu machen. Wenn das nicht moderne Pädagogik vom Feinsten ist!