Tichys Einblick
Wie wäre es mit Landessprache statt Deutsch?

Nun möchte die Union Deutsch doch nicht im Grundgesetz verankern

Hinter der (Nicht-)Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz steckt Merkel. Ihr ist jedwede nationale Begrifflichkeit und Symbolik zuwider.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Jahrelang haben CDU und CSU, allen voran der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), dafür geworben, die deutsche Sprache als Sprache der Bundesrepublik im Grundgesetz zu verankern. Es gab sogar entsprechende Parteitagsbeschlüsse der CDU. Weil die AfD dies nun auch möchte, wollen es CDU/CSU nicht mehr; plötzlich ist das für CDU/CSU „Deutschtümelei“.

Vergangenen Freitag, 2. März 2018, debattierte – wenn man das so nennen kann – der Bundestag über einen Antrag der AfD-Fraktion zur Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz. Die AfD-Fraktion wollte die Ergänzung des Grundgesetzes um einen dritten Absatz in Artikel 22: „Die Landessprache in der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch.“ Der Antrag war unter anderem wie folgt begründet worden: Die deutsche Sprache sei die Voraussetzung jedweder individueller und gesellschaftlicher Aktivität; sie sei das Band, das die Deutschen über alle Bundesländer hinweg verbinde und fester Bestandteil der deutschen Kulturnation. Allerdings sei sie einer Verdrängung unter anderem in der Wissenschaft sowie durch Anglizismen und englischsprachige Musik ausgesetzt.

2006 war es übrigens fast so weit mit der Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz. Norbert Lammert hatte sich im Zuge der Änderungen des Grundgesetzes zur „Föderalismusreform I“ beinahe durchgesetzt. Aber in den Vorverhandlungen wollte man zu später Stunde nach Mitternacht über Lammerts Wunsch nicht mehr beraten. 2008 war dann ein entsprechender Antrag des Stuttgarter CDU-Parteitages mit überwältigender Mehrheit als Auftrag an die Parteispitze über die Bühne gegangen. 2011 sagte Lammert: „Bei den 58 Änderungen des Grundgesetzes, die es seit 1949 gegeben hat, fallen mir keine fünf Änderungen ein, die es an Bedeutung und Rang mit der Sprache als Mittel der Selbstverständigung und der Identität eines Landes aufnehmen können … Wenn die Politik mitverantwortlich sein will für die Förderung der Sprache des Landes, muss sie das im Grundgesetz klarstellen.“ Unterstützung hatte Lammert unter anderem vom „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) mit Zigtausenden von Unterschriften bekommen.

Die AfD besann sich dieser Argumente und nutzte die Gelegenheit, vor allem CDU und CSU vorzuführen. Natürlich war der AfD klar, dass ihr Antrag nicht durchginge, braucht eine Änderung des Grundgesetzes doch eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das taktische Kalkül der AfD – man mag es gutheißen oder nicht – ging jedenfalls auf. Als ob sie beweisen möchten, dass sie zu Pawlowschen Reflexen fähig sind, reagierten die anderen Parteien. Von den vereinten Linksparteien und der FDP war nichts anderes zu erwarten. Aber auch die Sprecherin der CDU/CSU Gitta Connemann verrannte sich in die Etikettierung des AfD-Antrages als „Deutschtümelei“. Unter anderem warf sie der AfD vor, dass sie ihr Grundsatzprogramm für Russlanddeutsche auch in russischer Sprache veröffentlicht habe. Die Mainstreampresse war davon angetan. Der Focus schrieb, Connemann habe die AfD zerpflückt.

Was ist der Hintergrund? Zunächst steckt dahinter ein aktueller Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von Ende Februar 2018, keinerlei Anträge von AfD und Links-Partei mitzutragen. Im Kern aber steckt hinter der (Nicht-)Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz Merkel. Sie hatte den entsprechenden Antrag ihres Parteitages von 2008 schon nicht gewollt. Überhaupt sind ihr jedwede nationale Begrifflichkeit und Symbolik zuwider. Das Volk besteht für sie aus „denjenigen, die schon länger hier leben, und denjenigen, die neu hinzugekommen sind.“ Und wenn denn einmal ein damaliger Generalsekretär Hermann Gröhe zum Zeichen des Wahlsieges 2013 ein Deutschlandfähnchen schwenkt, entreißt sie es ihm mit angewiderter Miene und entsorgt es. So geschehen am 22. September 2013 rund vier Stunden nach Schließung der Wahllokale.

Normal ist das nicht. Kein Land der Welt verleugnet seine Kultur in diesem Maße, wie es die Deutschen tun bzw. auf Anordnung der politischen „Elite“ gefälligst zu tun haben. Bleiben wir bei der Sprache: In Österreich lautet der erste Absatz des Artikels 8 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG): „Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.“ Seit 1999 hält der Artikel 4 der Bundesverfassung der Schweiz fest, dass die Landessprachen in der Schweiz Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sind. Für Franzosen ist es selbstverständlich, dass in Artikel 2 nationale Symbole wie Flagge und Hymne und seit 1992 auch die französische Sprache als Landessprache festgelegt sind: „La langue de la République est le français.“

Deutschland hingegen hat es bislang nur zu einer Festlegung im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) mit dem Artikel 23 und dem Passus „Die Amtssprache ist deutsch“ gebracht. Ähnliches in § 19 des Sozialgesetzbuches, in § 5 des Beurkundungsgesetzes, in § 244 des Handelsgesetzbuches und in § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Letzteres scheint allmählich aufgeweicht zu werden. Der bayerische Justizminister schlug kürzlich vor, das Englische für Gerichtsverhandlungen zulassen.

Karikieren wir die Sache vorläufig abschießend: Sollte die AfD demnächst den Antrag einbringen, dass 2 plus 2 gleich 4 ergibt, dann wird die Union womöglich auch hier dagegen stimmen. Nur eines dürfte klar sein: Mit ihrer mittlerweile offenbar auf links getrimmten Attitüde in Sachen Volk/Leitkultur/Deutschlandfahne/Patriotismus wird die Union keinen Blumentopf gewinnen und der AfD weitere Wähler zuführen. Denn Nationalallergiker wählen „grün“ oder „rot“ als Original, aber nicht das CDU/CSU-Imitat.