Tichys Einblick
Streikverbot garantiert Bildungsrechte

Karlsruhe: Beamte und damit Lehrer dürfen nicht streiken

Gibt es wie in Deutschland eine rechtlich verankerte Schulpflicht und einen moralischen Anspruch auf Bildung, darf der Schulbesuch der Schüler nicht von den Launen von Lehrern oder dem Kampfeswillen einer Gewerkschaft abhängen.

© Getty Images

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 12. Juni 2018 entschieden, dass Beamte und damit Lehrer nicht streiken dürfen. Anlass des Urteils war eine Klage von vier Lehrern. Diese hatten während der Arbeitszeit an Protestveranstaltungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) teilgenommen; sie waren dafür disziplinarisch belangt worden. Hiergegen hatten sie geklagt.

Nun hat der Zweite Senat unter Vorsitz von BVerfG-Präsident Andreas Voßkuhle verfügt: Das Streikverbot sei verfassungsgemäß, es entspreche den Grundsätzen des Berufsbeamtentums, und es stehe in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. (AZ: 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15).

Dieses Urteil schafft Rechtssicherheit und vor allem sichert es die Bildungsrechte der Schüler. Wenn es in einem Land wie in Deutschland eine rechtlich verankerte Schulpflicht und einen moralischen Anspruch auf Bildung gibt, dann darf der Schulbesuch der Schüler nicht von den Launen von Lehrern oder dem Kampfeswillen einer Gewerkschaft abhängen. Wohin das sonst führt, das erfahren Millionen von Schülern in anderen Ländern Europas (Frankreich, Griechenland, Großbritannien usw.) und in den USA fast jedes Jahr, wenn dort Zig- und Hunderttausende von Lehrern den Schulbetrieb wochenlang lahmlegen und sogar die Durchführung von Abschlussprüfungen verhindern.

Aber auch darüber hinaus gibt es Gründe, warum Lehrer Beamte sein sollen: Der Staat hat laut Grundgesetz Artikel 7 die volle Verantwortung für das Schulwesen übernommen. Er erzwingt gegebenenfalls die Erfüllung der Schulpflicht und besitzt weitestgehend ein Schulmonopol. Er trägt eine Garantieverpflichtung für die Schule gegenüber dem Bürger. Lehrer an öffentlichen Schulen erfüllen zudem in weiten Teilen Hoheitsaufgaben – von Ordnungsmaßnahmen bis zu Benotungen, Versetzungsentscheidungen und bis zur Vergabe bzw. Verweigerung von Berechtigungen. Das sind Eingriffe in Freiheitsrechte, die nach der Verfassung in der Regel Beamten vorbehalten sind (Art. 33 Abs. IV Grundgesetz). Zudem ist die Verbeamtung von Lehrern das Ergebnis eines generationenlangen Kampfes der Lehrerschaft. Historisch gesehen hat sich in der Verleihung des Beamtenstatus die erste große Etappe der Befreiung der Lehrer vollendet: Sie sind nun nicht mehr Diener einer Kirche oder irgendwelcher Feudalherren.

Dass der Beamtenstatus auch schwache Lehrer schützt bzw. vor einer Entfernung aus dem Dienst verschont, mag sein. Aber das gilt nach einigen Jahren eines Angestelltenvertrages auch. Im übrigen sind Lehrer, die sich als Beamte etwas zuschulden kommen lassen, realiter sogar schneller aus dem Dienst entfernt als Angestellte. Im ersten Fall kümmern sich im Klagefall die Verwaltungsgerichte darum, im zweiten Fall die oft sehr liberalen Arbeits- und Sozialgerichte.

Auch das Argument, ein Beamtensystem blockiere Leistungsanreize und fördere Mittelmaß, stimmt nicht. Leistungsanreize (Beförderungen, Prämien, Leistungszulagen) sind in allen Dienstverhältnissen möglich. Nur werden sie im Beamtenbereich leider noch zu selten angewendet oder zu sehr nach dem Gießkannenprinzip exekutiert. Aber das kann man ja ändern.