Tichys Einblick
Beispiel „Bildungspolitik“

Ihr neuer „General“ Wissing zeigt, dass die FDP es nicht kann

Der Mainzer Landtag hat im Juni 2020 mit ihrer knappen Mehrheit ein neues Schulgesetz verabschiedet. Es gilt mit dem neuen Schuljahr, das in Rheinland-Pfalz am 17. August 2020 begann. Liberal ist darin nichts.

imago Images/Metodi Popow

Die FDP dümpelt vor sich hin. Ihre Umfragewerte bewegen sich zwischen dürren 5 und 7 Prozent. Gerade noch in zehn von 16 Landtagen ist sie vertreten. In nur noch drei Koalitionen ist sie Regierungspartner: In NRW koaliert sie mit der CDU, in Schleswig-Holstein im Rahmen von „Jamaika“ (schwarz, grün, gelb) und in Rheinland-Pfalz im Rahmen einer „Ampel“ (rot, gelb, grün). Die großen Themen (Corona, Arbeitsmarkt, innerer und äußere Sicherheit, Migration, Energie) rauschen an der FDP vorbei, weil sie kaum etwas dazu beizutragen hat.

Nun soll es ein neuer „General“ richten. Volker Wissing (50) wird die bisherige FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg ablösen. Wissing ist seit 2016 Wirtschaftsminister in einer „Ampel“ in Rheinland-Pfalz und dort stellvertretender Ministerpräsident. Gewicht hat seine Fraktion im Mainzer Landtag trotzdem nicht. Von 101 Abgeordneten stellt die FDP gerade man eben sechs. Das entspricht exakt dem FDP-Ergebnis der Landtagswahl von 2016 mit 6,2 Prozent. Das Amt des FDP-Managers möchte Wissing parallel zu seinem Ministeramt in Mainz ausüben. Wenigstens bis zum 14. März 2021, wenn im Land zwischen Mainz, Trier, Ludwigshafen und Koblenz neu gewählt wird.

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Wohin der FDP-Hase läuft, hat Wissing bereits hinreichend deutlich gemacht. Über die Mainzer „Ampel“-Regierung aus SPD, Grünen und FDP sagte er soeben: “Ich habe mit diesem Bündnis gute Erfahrungen gemacht, sehr gute sogar.“ Wissing pflegt ein Vertrauensverhältnis zu Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und hat gute Kontakte zu grünen Politikern. Die Neue Zürcher Zeitung charakterisiert Wissing denn auch als „wendigen Juristen“. FDP-Chef Christian Lindner, der sich als Freund von Wissing versteht, wird all das wissen. Gerne betont Wissing gleichwohl, seine FDP habe in Rheinland-Pfalz eine liberale Handschrift hinterlassen.

Wenn das mal nicht ein Pfeifen im Keller ist! Gemerkt hat man davon bislang nichts. Nehmen wir die Schulpolitik als Beispiel. Der Mainzer Landtag hat dazu im Juni 2020 mit ihrer knappen Mehrheit ein neues Schulgesetz verabschiedet. Es gilt mit dem neuen Schuljahr, das in Rheinland-Pfalz am 17. August 2020 begann.

Kurz und bündig: Es ist ein Schaufenstergesetz voller gefälliger, ja populistischer Schlagworte wie „Gleichheit“, „Gleichberechtigung“, „Mitbestimmung“, „Partizipation“, „Demokratisierung“. Über die Bildungslaufbahn entscheiden ohne Rücksicht auf Begabung und Leistungsvermögen nach wie vor ausschließlich die Eltern. Der Begriff „Begabung“ kommt nicht ein einziges Mal darin vor, der Begriff „Rasse“ übrigens auch nicht mehr, wiewohl er im Sinne von Diskriminierungsverbot zweimal in der Verfassung des Landes steht. „Schüler und Schülerinnen“ gibt es – gendersensibel, aber enorm textverlängernd – 239mal. Wenigstens ohne Gender-Star! Lehrer heißen Lehrkräfte. 32mal gibt es Klassensprecherinnen.

Vor allem konstruiert das neue Schulgesetzt eine bereits ab der Grundschule (also der Schule der Sechs- bis Zehnjährigen) basisdemokratisch verfasste Graswurzelschule. Nur ein Beispiel: In Paragraph 32 (2) heißt es nun: „(2) Die Schulen legen mit Zustimmung der Versammlung der Klassensprecherinnen und Klassensprecher und des Schulelternbeirats … Grundsätze über den Umfang und die Verteilung von Hausaufgaben fest.“ Die FAZ-Redakteurin Hannah Bethke schreibt denn auch unter der Überschrift „Agonie der Freiheit“ zu Recht: All das klinge „ideologisch angestaubt“, und man frage sich, „wozu es eigentlich noch Lehrer gibt.“ Sie nennt das neue Schulgesetz eine „Selbstaufgabe von Schule.“ Stimmt. Denn was ist daran liberal, oder ist „liberal“ jetzt „laissez faire“?

Um es boshaft zu sagen: Wenn in der Schule jetzt alle das gleiche Sagen haben, dann ist nicht mehr einzusehen, warum die Älteren von ihnen, die Lehrer, dafür bezahlt werden, und die Jüngeren, die Schüler, nicht.

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