Tichys Einblick
300 Wörter fort, 3.000 dazu

Duden nähert sich der Orwellschen „Neusprache“ an

George Orwell hätte sich 1948, als er „1984“ schrieb, wohl eher nicht träumen lassen, dass sein „Big Brother“ siebzig Jahre später bereits ein- bzw. überholt ist.

imago images / Steinach

Geschäftstüchtig sind sie ja, die „Duden“-Wortwerker. Nachdem sich die 27. Ausgabe des Jahres 2017 insgesamt 650.000mal verkauft hatte, wurde jetzt die 28. Ausgabe auf den Markt geworfen. Die „Duden‘“-Macher erheben damit erneut den überheblichen Anspruch, „die verlässliche Instanz für alle Themen rund um die deutsche Sprache und Rechtschreibung“ und dabei „immer auf der Höhe der Zeit“ zu sein.

Der aktuelle „Duden“ ist also Nummer 28 seit der Begründung des „Duden“ durch den damaligen Schleizer und späteren Hersfelder Gymnasialdirektor Konrad Duden (1829 – 1911) im Jahr 1880. Die neue Ausgabe ist 1.296 Seiten stark und damit 32 Seiten stärker als die 27. Ausgabe. Insgesamt enthält sie 148.000 Stichwörter. Das ist etwa ein gutes Viertel des auf mehr als 500.000 Wörter geschätzten Wortschatzes der deutschen Gegenwartssprache.

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Gegenüber „Duden“ Nummer 27 sind 300 Wörter verschwunden, zum Beispiel „Bäckerjunge“ und „Jägersmann“. 3.000 Wörter wurden neu aufgenommen, zum Beispiel „bienenfreundlich“, „Flugscham“, „Hatespeech“, „Geisterspiel“, „Lockdown“, „Herdenimmunität“, „Cisgender“ und „Gendersternchen“. Klar, der „Duden“ will sich von ewig-morgigen Zeitgenossen nicht den Vorwurf machen lassen, hinter aktuellen gesellschaftlichen (oktroyierten!) Debatten um Klimawandel, Corona, Rassismus und Co. hinterherzuhinken.

Wenigstens hatte sich der Verein Deutsche Sprache (VDS) schon mehrmals und zu Recht gegen den auch im „Duden“ um sich greifenden übermäßigen Gebrauch von Anglizismen und zuletzt vor allem gegen den Einzug von „gendergerechter“ Sprache mit der Petition „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ eingesetzt. Der VDS greift den aktuellen „Duden“ denn auch scharf an. Sein Vorsitzender Walter Krämer sagte, es müsse „endlich Schluss sein, dass von einer Redaktion von oben herab entschieden werde, wie sich Sprache zu entwickeln hat“. Und er ergänzte: „Viele Menschen nehmen das, was im „Duden“ steht, für bare Münze und glauben, dass Gendersternchen und ähnliche Konstrukte echte Bestandteile der deutschen Sprache seien“. Der VDS lässt hier nicht locker. Bereits 2013 hatte der VDS den „Duden“ zum „Sprachpanscher des Jahres“ gekürt.

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Die herkömmlichen Parteien lassen all dies geschehen. Die Damen und Herren „Volksvertreter“ scheinen nicht mehr zu wissen, dass die Sprache dem Volk und nicht irgendwelchen Sprach-„Wissenschaftlern“ oder Redakteuren gehört. Die einzige Partei, die gegen zumal ideologisch motivierte Sprachmanipulationen wettert, ist die AfD. Etwa wenn die Begriffe „Alltagsrassismus“ oder „rechtsterroristisch“ in den „Duden“ aufgenommen werden. Aber die „Arrivierten“ wischen das mit dem Hinweis weg: „Naja, AfD eben!“

Es ist zu befürchten, dass der „Duden“ Nummer 29 noch einen Schritt weitergeht. Bislang hat sich die „Duden“-Redaktion beim „großen“ Wörterbuch noch nicht an gendersensible Schreibweisen herangetraut. Wahrscheinlich kann man sich noch nicht entscheiden, welche der fünf mittlerweile angesagten Schreibweisen es sein soll: BürgerInnen oder Bürger*innen oder Bürger_innen oder Bürger:innen oder Bürger/innen. Mit einem „kleinen“ Sonder-„Duden“ hat man aber Ende 2017 schon mal einen Versuchsballon gestartet. Der Titel dieses kleinen, 120 Seiten starken „Duden“ lautet: „Richtig gendern: Wie Sie angemessen und verständlich schreiben“. Wir haben dieses Machwerk hier bei TE auf die Schippe genommen. Wahrscheinlich warten die „Duden“-Leut_/:*Innen sehnsüchtig darauf, dass der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ hier eine „gendersensible“ Steilvorlage gibt. Bislang hat er sich das (noch?) nicht getraut.

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Volkspädagogik haben wir dem „Duden“ attestiert. Klar, allein die neu aufgenommenen Wörter drängen dem Nutzer gesinnungsrelevante Assoziationen auf. Damit allein aber begnügt sich die „Duden“-Redaktion nicht. Beim berühmt-berüchtigten „N-Wort“ findet sich im neuen „Duden“ – damit ja nichts schiefgeht – ein Info-Kasten. Darin steht unter anderem: „Die Bezeichnungen Neger, Negerin sind stark diskriminierend und sollten vermieden werden. Als alternative Bezeichnungen fungieren Farbiger, Farbige sowie Schwarzer, Schwarze … In Deutschland lebende Menschen mit dunkler Hautfarbe wählen häufig die Eigenbezeichnung Afrodeutscher, Afrodeutsche, die zunehmend in Gebrauch kommt.“ Übrigens: Da hinkt der „Duden“ hinterher. Es wird Zeit für die 29. Ausgabe. Denn „schwarz“ sollte man nach der BLM-Kampagne ja auch nicht mehr sagen bzw. schreiben.

George Orwell hätte sich 1948, als er „1984“ schrieb, wohl eher nicht träumen lassen, dass seine Dystopie siebzig Jahre später bereits ein- bzw. überholt ist. Erinnern wir uns also an Orwells „Big-Brother“-Regime. Die in Orwells 1984er Romanwelt vorkommenden Menschen werden unter anderem manipuliert durch ein stets aktualisiertes Wörterbuch der „Neusprache“. An diesem Verzeichnis bastelt der Sprachwissenschaftler Syme. Er sagt zur Hauptfigur des Romans, zu Winston Smith:

„Wir geben der Neusprache ihren letzten Schliff … Wir merzen jeden Tag Worte aus … Siehst du denn nicht, dass die Neusprache kein anderes Ziel hat, als die Reichweite der Gedanken zu verkürzen? … Es ist lediglich eine Frage der Wirklichkeitskontrolle. … Die Revolution ist vollzogen, wenn die Sprache geschaffen ist … Es wird überhaupt kein Denken mehr geben … Strenggläubigkeit bedeutet: nicht mehr denken – nicht mehr zu denken brauchen.“

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