Tichys Einblick
Kabinettsbildung in Bayern

Die CSU schmeißt die Schulpolitik über Bord

Es scheint nicht mehr weit her zu sein mit den Sonntagsreden aller CDU/CSU, nämlich dass die Schul- und Bildungspolitik das „Kernstück“, „Herzstück“ und „Filetstück“ des Föderalismus sei.

Christof Stache/AFP/Getty Images

Nun wandelt die CSU auch schulpolitisch auf CDU-Spuren. Immer seltener zeigen damit beide Unionsparteien einen entsprechenden politischen Gestaltungswillen. Das war vor Jahren anders. Über Jahrzehnte hinweg stellten CDU und CSU das Gros der Schulminister in der Kultusministerkonferenz (KMK). Aber es sind weniger geworden. 2013 gab es dort sogar nur noch einen einzigen Schulminister der Union: den CSU-Mann Ludwig Spaenle, dazu die zunächst parteilose Ministerin Brunhilde Kurth auf CDU-Ticket in Sachsen.

Es mögen mittlerweile wieder ein paar mehr sein: in Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein. Aber nun hat – das ist symbolträchtig – Bayerns wiedergewählter Ministerpräsident Markus Söder nach 60 Jahren einer CSU-Führung des Kultus- respektive Schulministeriums dieses Ressort dem Koalitionspartner Freie Wähler (FW) überlassen. Bereits zuvor war dergleichen andernorts geschehen, als CDU-Länderchefs dauerhaft oder vorübergehend dem kleineren Koalitionspartner die Schule überließen: etwa von Beust in Hamburg den Grünen, Kramp-Karrenbauer im Saarland der SPD, Bouffier in Hessen der FDP, Laschet in NRW der FDP.

Es scheint nicht mehr weit her zu sein mit den Sonntagsreden aller CDU/CSU-Granden, nämlich dass die Schul- und Bildungspolitik das „Kernstück“, „Herzstück“ und „Filetstück“ des Föderalismus sei. Praktisches politisches Handeln schaut anders aus – nun eben auch beim einstigen schulpolitischen Schwergewicht Bayern. Dort wird mit dem Fachhochschulprofessor Michael Piazolo (59) ein FW-Mann Kultus- und damit Schulminister. Als Staatssekretärin hat er die FW-Frau und Juristin Anna Stolz (36) zur Seite. Piazolo mag kein bildungspolitischer Frischling sein. Er hatte als Oppositionspolitiker einen maßgeblichen Anteil, dass die CSU – damals noch in der Alleinregierung – die Studiengebühren aufgab. Und er hat – ebenfalls als Oppositionspolitiker – einen maßgeblichen Anteil daran, dass die CSU-Alleinregierung ihr im Jahr 2003/2004 kopf- und konzeptionslos durchgepeitschtes achtjähriges Gymnasium in den Jahren 2015/2016 sukzessive preisgab und zum neunjährigen Gymnasium zurückkehrte.

Wahrscheinlich sitzt all dies quasi posttraumatisch in den Köpfen der CSU-Vorderen, so dass sich auch dort der seit Jahren in der CDU gängige Kalauer festsetzte: Mit der Schulpolitik kann man nur Wahlen verlieren, aber nicht gewinnen. Das ist natürlich Quatsch. Verlieren kann man Wahlen mit Schulpolitik allerdings, wenn man wirre Politik macht.

An einem passablen Schulminister hätte es der CSU nicht gefehlt. Bernd Sibler (47) ist seit zwanzig Jahren Landtagsabgeordneter, er war längere Zeit Staatssekretär im Kultusministerium und zuletzt nach dem rüden Hinauswurf Spaenles durch Söder im März 2018 Kultusminister. Söder konnte Bernd Sibler nicht opfern, weil er als niederbayerischer CSU-Bezirksvorsitzender eines der vergleichsweise besten persönlichen Wahlergebnisse eingefahren hatte. Wohl deshalb hat Söder ihn zum Wissenschaftsminister gemacht und die nur ein Halbjahr amtierende Wissenschaftsministerin Marion Kiechle hinauskomplimentiert. Im Hochschulbereich kann Sibler seine besondere Stärke, nämlich selbst gelernter Lehrer sein und den Schulfamilien zuhören zu können, allerdings weniger gut ausspielen.

Dass eine Kabinettsbildung zumal in Bayern immer einer Quadratur des Kreises gleichkommt, das haben viele Söder-Vorgänger sogar in Alleinregierungen erlebt, zählen bei der Nominierung zu Ministern doch mindestens vier Kriterien: regionale Herkunft, Konfession, Geschlecht und Alter. Bei inkl. Ministerpräsident maximal 18 Kabinettsposten, die die Bayerische Verfassung vorschreibt, eigentlich ein unmögliches Unterfangen, dem diesmal sogar so renommierte und nunmehr vormalige Minister wie Marcel Huber und Winfried Bausback zum Opfer fielen. Man könnte auch sagen: Spaenle, Kiechle, Bausback, Huber – so manche politische Leiche pflastert seinen Weg. Ob sich das irgendwann rächen wird, zum Beispiel wenn Söder in Personalunion auch noch CSU-Vorsitzender werden will?

Aber sei’s d’rum: Gewiss wollten die Freien Wähler ein „großes‘“ Ministerium ergattern: Mit dem Schulministerium ist ihnen dies auch gelungen. Denn eines der beiden anderen „großen“ Ministerien (Inneres, Finanzen) wollte die CSU nicht zur Disposition stellen. Dennoch muss man festhalten: Die Schulpolitik ist der CSU mittlerweile – auf gut bairisch – „wurscht“.