Tichys Einblick
"Hurra die Schule brennt"? - von Innen

Brandbrief: Ein Land mit Schulen wie in Berlin braucht keinen Pisa-Test mehr

Empfänger dieses Berliner Brandbriefs ist die Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD). Ihr Vorwurf: Personalmangel und ein hoher Migrantenanteil, dadurch sein ein regulärer Schul- und Unterrichtsbetrieb, sogar im Gundschulbereich, unmöglich. Im Fokus:die fixe Idee der dortigen Schulpolitik von Totalinklusion.

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Wieder einmal haben sich Lehrer mit einem Brandbrief an ihre oberste Behörde und an die Öffentlichkeit gewandt. Diesmal sind es Lehrer in Berlin, die ihrer Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) etwas husten mussten, was diese in ihrem Elfenbeinturm wohl gar nicht mehr registriert hatte. Nämlich, dass an vielen Schulen Berlins, selbst im Grundschulbereich, an einen regulären Schul- und Unterrichtsbetrieb nicht mehr zu denken sei. Als Gründe nennen die Lehrer: Personalmangel, bis zu 90 Prozent Migrantenanteil und die fixe Idee der dortigen Schulpolitik von Totalinklusion.

Totalinklusion mündet in Zwangsinklusion – vorbei am Bedarf der Betroffenen?

Über Probleme mit dem Migrantenanteil haben wir wiederholt berichtet. Hier widmen wir uns einmal der Inklusion, die nicht wenige marxistisch gepolte oder naiv gutmenschliche Pädagogen ohne Rücksicht auf die betroffenen Kinder und ohne Rücksicht auf das Gros einer Klasse durchziehen möchten. Zwangsinklusion – das ist das Hobby rot-grüner Schulpolitik geworden: vor allem in Bremen, in Berlin, bis 2017 in NRW.

Zu diesem Zweck wird getrickst und gelogen, dass sich die Balken biegen. Ja, die Bundesrepublik hat die UN-Konvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ des Jahres 2006 drei Jahre später ratifiziert. Eine Abschaffung von Sonder- und Förderschulen ist in dieser Konvention aber keineswegs gefordert. Im Gegenteil: Artikel 5 (4) der UN-Konvention spricht davon, dass „besondere Maßnahmen … zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen“ nicht als Diskriminierung gelten. In Artikel 7 (2) heißt es: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Auch Artikel 24 der Konvention spricht nicht von einem inklusiven einheitlichen Schulwesen.

Jede Behinderung muss individuell betrachtet werden

Das Ziel jeder behindertenpädagogischen Maßnahme ist unumstritten: Es geht um Zugehörigkeit und Teilhabe, es geht um die berufliche und soziale Eingliederung dieser jungen Menschen. In vielen Einzelfällen aber, kann Inklusion der falsche Weg dorthin sein. Vor allem muss jede Behinderung individuell betrachtet werden, damit bei den betroffenen Kindern nicht am Ende ein Anpassungsdruck und ein Gefühl der Ausgrenzung entsteht. Es muss vermieden werden, dass Schüler mit Anforderungen konfrontiert werden, denen sie nicht gewachsen sind. Inklusion ist insofern nur dann im Sinne des Kindeswohls, wenn begründete Aussichten bestehen, dass ein Schüler das Bildungsziel der betreffenden Schulform – durchaus mittels Nachteilsausgleich – erreichen kann und auch die Regelklasse durch die Inklusion nicht über Gebühr beeinträchtigt wird.

Ohne Zweifel gibt es Behinderungen und Beeinträchtigungen, die mit technischen und baulichen Mitteln kompensiert werden können und die Inklusion ermöglichen.
Wenn eine Behinderung bzw. Beeinträchtigung mit Hilfe technischer oder baulicher Mittel (Digitalisierung des Unterrichtsgeschehens, Aufzüge und Treppenlifte in Schulgebäuden, zusätzliche Räume usw.) bzw. mit Hilfe zusätzlicher Fachkräfte kompensiert werden kann, steht einer Inklusion nichts im Wege.

Anrecht auf Bildung haben alle Schüler, gleichermaßen

Anders stellen sich die Möglichkeiten der Inklusion bei extrem verhaltensauffälligen oder kognitiv dauerhaft beeinträchtigten Schülern dar. Im übrigen gibt es auch berechtigte Bildungsinteressen der Mehrzahl der Schüler einer Klasse.

Wer all diese Argumente über Bord wirft und auf Zwangsinklusion macht, der instrumentalisiert (vulgo: missbraucht) junge Menschen für seinen marxistischen Egalisierungswahn.

Jedenfalls braucht ein Land mit solchen Schulverhältnissen keinen Pisa-Test mehr. Die alle drei Jahre für „Pisa“ anfallenden Kosten in Millionenhöhe, wären besser in die Schulen vor Ort investiert.


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop