Tichys Einblick
Verstoß gegen das Überwältigungsverbot

Per Abstimmung zum Antirassismus bekennen? – Überforderte Grundschüler

Eine Berliner Grundschule hat ihre Schüler darüber abstimmen lassen, ob sie Antirassisten sein wollen. Dabei sind Sechs-, Sieben- und Achtjährige überhaupt nicht in der Lage zu ermessen, worum es hier geht. Abstrakte Begriffe wie „Rassismus“ können sie nicht reflektieren.

Symbolbild

IMAGO / Sven Simon
Pardon, liebe Berliner, was jetzt folgt, ist kein Rundumschlag gegen viele nette Berliner, die ich kenne. Auch kein Rundumschlag gegen „Berliner Schnauze“, die ich durchaus zu würdigen weiß und gerne kontere. Nein, es ist ein notwendiger Rundumschlag gegen Berliner Stadt- und Landespolitik.

„Berlin – arm, aber sexy“. So hieß es einmal. Der damals „Regierende“ „Wowi“ hat das im November 2003 gesagt. Ich habe mit Blick auf die Berliner Schulpolitik und Schulpädagogik dann mal geschrieben: „Berlin – doof, aber sexy“. Jetzt muss ich mich selbst toppen und schreiben: „Berlin – nur noch verbohrt.“

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Was ist geschehen? Eine Berliner Grundschule hat sich dem Bündnis „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen und will wie bereits rund 3.500 deutsche Schulen dazu gehören. Nun ja, kann man machen, wenn für einen solchen Beitritt nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssten: zum Beispiel, dass sich mindestens 70 Prozent der Lehrerschaft und der Schülerschaft dafür aussprechen. Also auch 70 Prozent der Grundschüler. Eltern werden nicht gefragt. Es geht hier – vergessen wir es nicht – um Kinder ab 6 Jahren!

Sie werden mit der erhofften Zustimmung zu folgenden Statements traktiert: „Ich setze mich dafür ein, dass meine Schule nachhaltige Projekte, Aktionen und Veranstaltungen durchführt, um Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, zu überwinden. (. . .) Ich will, dass meine Schule in das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage eintritt.“ Und das überwältigende Ergebnis der nicht näher bezeichneten Grundschule: 80 Prozent der Schulmitglieder wollen Antirassisten sein. 20 Prozent waren nicht dafür; dabei wurden alle Kranken und anderweitig Abwesenden mitgezählt. Harte Nein-Stimmen kamen nur von 18 Personen.

Der Rektor der betreffenden Grundschule sagt der NZZ dazu: Für die Kinder sei der Wahlprozess etwas Besonderes, Gemeinschaftsstiftendes gewesen. Die beiden nicht-weißen Kolleginnen, die das Verfahren auf seine Anregung hin organisiert hätten, hätten den Wahltag zu einem Fest für alle Schüler gemacht: mit Musik, mit richtiger Wahlkabine und Urne. Für die Schüler sei es wichtig gewesen zu wissen: Ich habe mitentschieden. Also doch nur ein Event, ein Happening? Eine willkommene Unterbrechung des Unterrichts?

Aber grenzt all das nicht an Gesinnungsdiktat und an Kindesmissbrauch, was hier geschieht? Würde es nicht reichen, in dieser Schule mit vermutlich mehr nicht-deutschen als deutschen Schülern, eindeutige Regeln für den Umgang miteinander auszuhandeln oder notfalls auch vorzugeben? Muss daraus gleich ein kollektiver Gesinnungstest werden? Sechs-, Sieben- und Achtjährige sind überhaupt nicht in der Lage zu ermessen, worum es hier geht. Sie befinden sich in ihrer kognitiven Entwicklung noch zwischen magischem und realistischem Denken. Erst allmählich setzt das logische, relativierende und abstrahierende Denken ein. Abstrakte Begriffe wie „Rassismus“ können sie nicht reflektieren. Was hier also pseudo-erzieherisch geschieht, erinnert an „pädagogische“ Praktiken, wie wir sie aus der NS-Zeit, aus der DDR, aus China, Russland usw. kennen. Fehlen nur noch Gelöbnisse mit Gruppenappellen auf dem Pausenhof, wie man sie von Pimpfen oder Thälmann-Pionieren kennt.

Und nun werden wir mal besonders aufsässig und fragen: Wie wäre es, wenn sich Berlins Schulpolitik und Berlins Schulen einmal auf das besinnen würden, was Grundschüler in erster Linie beherrschen sollten: die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen? Berlin reicht bei innerdeutschen Schulleistungsvergleichen die „Rote Laterne“ in der Tabelle nämlich ständig zwischen sich, Brandenburg und Bremen hin und her. Statt die Schüler mit (oft genug erfundenen) Problemen zuzuschütten und auf „wokeness“ zu manipulieren.

Heute Anti-Rassismus. Seit ein paar Jahren Angst vor dem Klima. Und ebenfalls seit mehreren Jahren „Gender“ und Co. Die Schulen werden überfrachtet mit Ideologie, die das Vermitteln und Einüben konkreten Wissens und Könnens an den Rand drängt. Wir erinnern mit Blick auf Berlin an zwei Handreichungen für die dortigen Schulen (und Kitas). Es sind keine Handreichungen, wie man Kulturtechniken erwirbt und einübt. Sondern Handreichungen wie die folgende für die Kita: „MURAT SPIELT PRINZESSIN, ALEX HAT ZWEI MÜTTER UND SOPHIE HEISST JETZT BEN – SEXUELLE UND GESCHLECHTLICHE VIELFALT ALS THEMEN FRÜHKINDLICHER INKLUSIONSPÄDAGOGIK“ aus dem Jahr 2018.

Oder wir nennen den amtlichen „Orientierungs- und Handlungsrahmen für das übergreifende Thema Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter (Gender Mainstreaming)“ aus dem Jahr 2021 für die Jahrgangsstufe 1 bis 10.

Schön, dass Berlin keine anderen Probleme hat. Womit wir bei einem neuen Etikett wären: „Berlin – doof, aber woke“.