Tichys Einblick
Annegret Kramp-Karrenbauer

AKKs politisch korrektes Bauernopfer: MAD-Chef Christof Gramm muss gehen

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schießt im "Kampf gegen rechts" wie schon ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen über das Ziel hinaus. Mit der Ablösung des Chefs des Militärischen Abschirmdienstes unterminiert sie außerdem zur eigenen Profilierung das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung

imago images / Jens Schicke

Es ist immer das gleiche Spiel: Wenn die Politik versagt und wenn Politiker nicht mehr weiter wissen, dann muss irgendein Spitzenbeamter d‘ran glauben. Dann wird er in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Das bedeutet: Er bekommt für bis zu drei Jahre 71,75 Prozent seines Gehalts – in der Regel der Besoldungsstufe B9 bis B11. 

Die Beispiele sind Legion. Eine kleine Auswahl: So erging es wegen „Bad Kleinen“ Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, der von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger vor die Tür gesetzt wurde. Das war so bei Innenstaatssekretär August Hanning, einem Terrorismus-Topexperten, den Innenminister de Maizière unmittelbar nach Amtsantritt als Innenminister feuerte. Das war so, als ein gewisser Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan von heute auf morgen entließ, weil er sich über die Bombardierung eines Tanklasters in Afghanistan unzureichend informiert fühlte. Das war besonders spektakulär so, als Innenminister Seehofer den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Maaßen wegen „Chemnitz“ feuerte. Und so weiter und so fort: Zig Beispiele auf Bundes- und auf Landesebene könnte man auflisten, wenn man sich ein oder zwei Tage darüber setzte. 

Nun hat es den Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) erwischt. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (AKK) hat Christof Gramm (62) zum 1. Oktober 2020 gefeuert. „Im gegenseitigen Einvernehmen“ – wie es heißt. Hintergrund bzw. Begründung: Diese Entlassung solle den Reformprozess im MAD und der Bundeswehr nach einer Serie von rechtsextremen Vorfällen voranbringen.

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Dabei gilt Gramm parteiübergreifend allgemein als durchaus „harter Hund“, wenn es um die Fahndung und Ahndung von extremistischen Vorfällen in der Truppe geht. Auf dem „rechten Auge“ war er keineswegs blind, wie allein folgende Äußerung belegt: „Überhöhter Patriotismus ohne Bekenntnis zur offenen Gesellschaft und zum Grundgesetz wird in der Bundeswehr nicht geduldet“. Es fehlt Gramm auch keineswegs an Qualifikation. Bevor er 2015 MAD-Präsident wurde, war er im Verteidigungsministerium als Referatsleiter tätig. Der Jurist Gramm ist zudem im Bereich Öffentliches Recht bzw. Rechtsphilosophie promoviert und habilitiert, wie seine Vita offenbart.

Nun will AKK also im monomanischen „Kampf gegen rechts“ Muskeln zeigen. Bereits im Juni hatte sie die 2. Kompanie des Kommandos Spezialkräfte (KSK) aufgelöst. Deren Soldaten werden auch nicht mehr durch das KSK selbst ausgebildet, sondern durch das Heer. Damit soll der KSK-Korpsgeist aufgebrochen werden. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) habe nun verstärkt die Aufgabe, extremistische Tendenzen frühzeitig zu erkennen und die handelnden Personen sowie mögliche Netzwerke aufzudecken. Zudem solle die Zusammenarbeit mit anderen Behörden gestärkt werden. Diese neue Arbeit, so die gemeinsame Erklärung von AKK und Gramm, solle personell sichtbar gemacht werden. Über Gramms Nachfolge soll in Kürze entschieden werden.

AKK schießt mal wieder wie schon ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen (UvdL) über das Ziel hinaus. Wie Uvdl nährt sie einen Generalverdacht gegen die Bundeswehr und im besonderen gegen das KSK. Dabei beruft sie sich pikanterweise vor allem auf Erkenntnisse des MAD, etwa auf folgende Vorgänge: Bei einer KSK-„Feier“ seien Schweinsköpfe geworfen, „rechte“ Lieder gesungen und der Hitlergruß gezeigt worden. Bei einem KSK-Angehörigen seien in Sachsen Waffen und Munition gefunden worden. Ein KSK-Hauptmann habe in einem Schreiben an die Verteidigungsministerin auf 12 Seiten rechte Umtriebe und „Kadavergehorsam“ im KSK beschrieben. 

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Das Kind mit dem Bade ausschütten: „Teilauflösung“ des Kommandos Spezialkräfte (KSK)
Folge war damals im Juni 2020 schon: Ab sofort sollte das KSK, soweit es sich im Ausland befand, nach Deutschland zurückkehren. Ein „Advisory Board“ unter Leitung des Generalinspektors Zorn sollte die Reform des KSK begleiten und die politische Führung des Ministeriums laufend informieren. Weil Teile davon verschwunden waren, sollte es in puncto Munition, Sprengstoff und Gerätschaften eine Generalinventur geben.

Offen freilich bleibt die Frage: Wer macht zukünftig den „Job“ des KSK – etwa bei der Befreiung von Geiseln in Mali oder Afghanistan? Ohne jeden Zweifel hat keine Form von Extremismus (ob rechts oder links oder islamistisch) in der Bundeswehr etwas zu suchen. Indes wird auch hier wie schon zu Zeiten Ursula von der Leyens das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Von der Leyen hatte sich allerdings noch jedes Mal blamiert oder sogar von Staatsanwälten und Gerichten zurückpfeifen lassen müssen, als sie etwa von angeblich unappetitlichen Ausbildungsritualen in einer Kaserne schwadronierte und der Bundeswehr pauschal ein „Haltungsproblem“ unterstellte.

Eines bleibt seltsam: Es sind immer andere, Nachgeordnete schuld, wenn etwas nicht passt. Von politischer Verantwortung will man nichts mehr wissen: keine Kanzlerin, kein Minister, keine Ministerin. Sie kleben an ihren Stühlen. Dass mal einer oder eine von ihnen den Hut nimmt, ist schon lange nicht mehr vorgekommen. 

Für die Sicherheitsarchitektur Deutschlands und für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist es jedenfalls kein gutes Zeichen, wenn innerhalb von zwei Jahren zwei führende Abwehrchefs (Maaßen und Gramm) aus politischen und aus ministeriellen Profilierungs-Gründen ausgewechselt werden.

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