Tichys Einblick
Wurzeln früher bekämpfen

Neue salafistische Extremisten

Ser IS-Terror greift zu einer neuen Strategie und versucht jetzt, nicht mehr nur Kinder und Jugendliche einzufangen. Er will auch ältere und schwerkranke Sympathisanten, Anhänger und Gleichgesinnte für seine verbrecherischen Vorhaben rekrutieren.

© Sean Gallup/Getty Images

Die Diskussion über die Bekämpfung des salafistischen Extremismus umfasst leider noch immer nicht alle Probleme. Zu oft gibt es Denkverbote oder falsch verstandene Toleranz. Auch der Gefahr der Indoktrinierung von Kindern in salafistischen Familien wird viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Das haben die neusten Berichte des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wieder verdeutlicht. Darin wird von immer mehr Kindern berichtet, die von ihren salafistischen Eltern selbst zu salafistischen Extremisten erzogen werden. Bereits in den Grundschulen gebe es nun viele Hinweise von Lehrern, dass Kinder aus solchen Haushalten schon in jungen Jahren hasserfüllte Gedanken in sich trügen und ein radikales Freund-Feind-Bild hätten.

Dass diese Berichte zunehmen, erstaunt mich leider nicht. Davor habe ich schon immer, seit Jahren gewarnt. Seit der Übernahme meines Landtagsmandats 2010 empfange ich jedes Jahr viele Schulklassen von der Gesamtschule über die Berufsschule bis hin zum Gymnasium. Waren es zu Beginn nur einzelne Kinder, die in den politischen Gesprächen mit mir bereits einen radikalisierten Eindruck hinterließen, werden es in den letzten Jahren immer mehr. Man kann sagen, dass es jetzt immer mehr Jungen oder Mädchen gibt, die eine gefährliche, undemokratische Einstellung haben und auch ein radikales Gedankengut in sich tragen. Das geht bei Einzelnen sogar bis zur Feststellung, dass tödliche Gewalt in gewissen Fällen erlaubt und erwünscht ist.

Natürlich sehe ich es positiv, dass auch Experten endlich der Wahrheit ins Gesicht blicken und das Problem an den Schulen in die Öffentlichkeit tragen. Wir dürfen auch nicht den Fehler machen und denken, es wäre ein neues Phänomen, das noch nicht viele betrifft. Nein, im Gegenteil. Das Problem ist da und zwar schon seit langem. Lehrer und Schulpsychologen suchen verstärkt den Rat im Umgang mit radikalisierten Kindern im Grundschulalter. Und auch deutsche Familien sind betroffen.

1.700 Kinder und Jugendliche IS-Kämpfer, 30 Prozent davon weiblich

Ich finde es erschreckend zu wissen, dass gerade minderjährige Jugendliche für die IS-Terrorideologie gewonnen werden. Sie bekommen vermittelt, dass sie dank unseres Jugendstrafrechts mit geringen bis keinen Konsequenzen zu rechnen haben. Es ist schon schlimm genug, dass der IS immer noch seine Tentakel über die sozialen Netzwerke bis in unsere Kinderzimmer hat. Die Tatsache aber, dass Eltern ihre eigenen Kinder zu hasserfüllten Extremisten erziehen, geht noch viel tiefer. Es ist wie eine Hydra, denn selbst, wenn es unsere Justiz schafft, die Eltern für ihre Taten dingfest zu machen, sind bereits drei, vier, fünf Kinder hier, die ihren Eltern nacheifern. Hier müssen wir dringend ansetzen. Deshalb fordere ich schon seit Jahren, dass es zukünftig noch leichter möglich sein muss, solchen Eltern die Kinder auch gegen ihren Willen zu entziehen. Man muss die bestehenden Gesetze viel strenger auslegen und anwenden. Nur dann würde man sehr schnell Erfolge sehen.

Ich erachte es auch als sehr wichtig, das Gespür von Lehrern und Schulleitern, aber auch von Freunden und Verwandten zu schärfen, um ein Abgleiten von Kindern in den Salafismus frühzeitig zu erkennen und wenn möglich noch zu unterbinden. Es darf keine Gehirnwäsche durch die Eltern stattfinden, das müssen wir verhindern. Denn Kinder und Jugendliche sind, wenn sie erstmal die Ideologie des IS, des salafistischen Extremismus, verinnerlicht haben, kaum noch zurückzuholen. Wir sehen das doch an den vielen Jugendlichen, die nach Syrien, nach Libyen oder in den Irak gezogen sind, um dort an der Seite des IS zu kämpfen. Diese Kinder erreichen wir nicht mehr ohne weiteres. Ich gehe davon aus, dass allein in Syrien noch mehr als 1.700 Kinder und Jugendliche aus Deutschland kämpfen, 30 Prozent davon sind weiblich.

Doch das ist nur eine der vielen Wege des IS, um Menschen für sich zu gewinnen. Ich glaube, dass wir mit einer ganz neuen Form der Bedrohung rechnen müssen. Denn der IS-Terror greift wieder zu einer neuen Strategie und versucht jetzt, nicht mehr nur Kinder und Jugendliche einzufangen. Er will auch ältere und schwerkranke Sympathisanten, Anhänger und Gleichgesinnte für seine verbrecherischen Vorhaben rekrutieren.

Auch Alte und Kranke wirbt der Salafismus für den Terror

Damit könnten die Salafisten eine neue Zielgruppe für ihre verbrecherischen Machenschaften aufbauen. IS-Terroristen sprechen unter ihren Sympathisanten und Mitstreiter gezielt auch ältere Menschen im hohen Alter, schwerkranke Fundamentalisten an und wollen sie für Attentate und Anschläge anwerben. Sie wollen diese Menschen davon überzeugen, für die Dawa den Märtyrertod zu sterben und sich einen Platz im Paradies zu erwerben.

Auch hierauf müssen die Sicherheitsbehörden ihren Fokus ausrichten. Sie müssen nicht nur bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam sein, sondern sollten sich dessen bewusst sein, dass auch Senioren in die Hände des IS gelangen können. Hier gilt es, die Menschen zu informieren und zu warnen. Das ist das A und O, egal für welche Bevölkerungsschicht oder in welchem Alter.

Zu den präventiven Maßnahmen gehört aber auch ein Mehr an Sicherheitsvorkehrungen, vor allem an öffentlichen Plätzen. Dazu zählen für mich in aller erster Linie auch die Flughäfen. Wir müssen hier aufmerksamer und sensibilisierter werden. Denn wie eine Reportage von RTL aufgedeckt hat, können Menschen ungehindert mit einem falschen Namen und ohne Überprüfung der Identität mithilfe eines Niqab in ein Flugzeug gelangen.

Das finde ich schockierend und es kann fatal sein. Eine Identitätsüberprüfung ist unerlässlich. Auch bei Inlandsflügen sollte diese für alle Fluggäste und das Personal stattfinden. Wir müssen wissen, wenn sich Gefährder oder Salafisten von A nach B bewegen, nur so können wir sie rechtzeitig aufhalten oder auch Netzwerke aufdecken. Deshalb müssen wir auch wissen, wer in die Flugzeuge steigt. Strengere Sicherheitsvorkehrungen, vor allem auch was Gesichtsverhüllung angeht, sind wichtig.

Unterbindungsgewahrsam

Gleichzeitig denke ich aber auch, dass wir weitere Maßnahmen finden müssen, um Anschläge zu verhindern. Dazu gehört für mich auch der Unterbindungsgewahrsam. Dadurch sollen die betroffenen Personen daran gehindert werden, eine Straftat zu begehen. Gerade die Gefahr vor einem terroristischen Anschlag, der viele Menschen zum Opfer machen könnte, sollte meiner Meinung nach so ein Vorgehen rechtfertigen. Immerhin geht es um die Abwehr einer schweren Gefahr für die Allgemeinheit. Wir müssen hier rechtliche Wege finden, um Gefährder daran zu hindern, ihre verbrecherischen Taten zu planen und auszuüben. Das könnte ein geeignetes Mittel sein.

Wir dürfen dabei auch nicht vergessen: Gesetze, so wie sie jetzt existieren, wurden gemacht zu einer Zeit, in der die Bedrohungslage vielleicht noch eine andere war. Deshalb sollten wir uns jetzt auch über solche Möglichkeiten unterhalten. Denn die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ist die oberste Pflicht. Eine härtere und strengere Auslegung der Gesetze oder eine Erweiterung auf diese neuen Bedrohungen unseres Jahrhunderts sollten wir deshalb nicht einfach vom Tisch fegen. Wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten und alle notwendigen rechtlichen Maßnahmen ergreifen.

Die Sicherheit der Bürger muss stets Vorrang haben. Nur wer sicher lebt, kann auch alle Freiheiten dieses Landes genießen. Freiheit und Sicherheit sind die Fundamente der Demokratie. Diese gilt es zu schützen.