Tichys Einblick
Zum Zustand der Demokratie in D

Wenn die Opposition nicht opponieren mag

Oppositionsparteien, denen wichtiger ist, gegen eine von ihnen zu opponieren statt die Regierung zu kontrollieren, sind keine Opposition und haben ihren Auftrag verfehlt.

In der erklärten Absicht, die Demokratie in Deutschland vor der schlimmen Alternative zu schützen, wird die Demokratie kurzerhand kastriert. Das ist der Irrsinn dieser Woche.

I.

Eigentlich ist es ganz simpel. Die einen regieren, die anderen opponieren. Damit die Opposition überhaupt eine Chance gegen die Regierungsmacht hat, bekommt sie ein paar Instrumente an die Hand. So geht das Spiel: Die Regierung muss sich Fragen stellen lassen, und versucht zu kneifen. Neu ist, dass nicht nur die Regierung Antworten zu verweigern versucht, sondern die Opposition sie gar nicht erst stellen mag.

II.

Die Demokratie wird nicht dadurch beschädigt, dass ins Parlament eine überschaubare Minderheit mehr und weniger radikaler Kritiker der Mehrheitspolitik Einzug gehalten hat. Beschädigt wird die Demokratie, wenn die Ablehnung dieser Minderheit stärker ist als die demokratische Pflicht, die Regierung zu kontrollieren. Das Problem ist nicht die AfD an sich, sondern dass sie für unberührbar gehalten wird.

III.

Höchstes Ziel der anderen Parteien ist es derzeit, die AfD unwirksam zu machen. Tatsächlich erreichen sie damit das Gegenteil. De facto regiert die 15-Prozent-Partei AfD mit. Denn es geschieht nichts, was die AfD will, und sei es noch so selbstverständlich und notwendig. Sagt die AfD Ja, gilt allgemein ein striktes Nein.

IV.

Opposition, die nicht opponieren will, ist zwar noch keine Regierung, aber ganz gewiss auch keine Opposition mehr. Sie ist einfach nur noch überflüssig. Sie verweigert sich dem Untersuchungsausschuss, der gravierende Eingriffe in Rechtstaatlichkeit und Sicherheit dieses Landes unter die Lupe nehmen soll. Der Regierungshandeln überprüfen soll, welches unter weitgehender Umgehung des Parlaments und gültiger Gesetze tiefgreifende Konsequenzen für dieses Land hat.

V.

Grüne und Linke schaden der Demokratie, als deren Hüter sie sich aufspielen. Der Vorwand dafür ist hanebüchen. Ein paar Sitzungen im Innenausschuss, heißt es, führten zu schnellerer Aufklärung in Sachen BAMF. Aber es geht nicht um eine schnelle Pflichtübung, sondern um Gründlichkeit. Aber Thema ist nicht nur das BAMF, sondern vor allem die Politik, die den Skandal befördert hat. Zudem besteht der dringende Verdacht, die Regierung habe das Parlament belogen. Das ist keine Vorverurteilung, sondern zeigt nur die Notwendigkeit der Aufklärung mit allen möglichen Mitteln. Nie war ein Untersuchungsausschuss nötiger als dieser. Sonst bräuchte man dieses Instrument gar nicht.

VI.

Er müsste längst seine Arbeit aufgenommen haben. Nur war in der vergangenen Legislaturperiode in der Frage der ungesteuerten Zuwanderung gar keine Opposition vorhanden. Merkels Koalition bestand in dieser Frage aus einem Block aller Parteien. Das rächt sich heute. Denn so gut wie alle müssten auch ihr eigenes damaliges Verhalten untersuchen. Mit dem Hinweis auf die AfD verzichten sie darauf. Lieber besorgen die Oppositionsparteien Grüne und Linke weiter das Geschäft der Regierungschefin. Falls es doch noch zu einem Untersuchungsauschuss kommt, dann nur deshalb, weil eine der beiden Regierungsparteien, die SPD, in dieser Frage nicht geschlossen votiert. Nur, wenn ein Teil des Regierungslagers mitspielt, wird untersucht. Das ist pervers.

VII.

Zum Skandal gehört, dass die Bundeskanzlerin außer bekannten Floskeln und Plattitüden zur Sache noch nichts beigetragen hat. (Auch in der schwer begrüßten Befragung im Bundestag nicht, die nur ein anderes Beispiel für die Selbstentmannung der Volksvertretung in der real existierenden Merkelkratie gewesen ist).

VIII.

Wir sprechen hier nicht von einem Klecks auf dem Jackett der Kanzlerin. Wir sprechen von der Demokratie. Es ist eine ganze Karre Mist, die in den Berliner Himmel stinkt.