Tichys Einblick
Sprüche und Folgen

Treten Sie zurück, Herr Spahn! Sie zuerst.

Die Intensivstationen sind ausschließlich wegen der verfehlten Personalplanung überlastet. Das wird als Hauptargument dafür missbraucht, der großen Mehrheit der Bevölkerung das Leben zu versauen. Und: Je weniger Covid-Patienten ein Krankenhaus aufnimmt, umso mehr profitiert es von der Corona-Politik.

Nichts wird besser: nicht der Pandemieverlauf in Deutschland, nicht die Pandemiepolitik. Im Gegenteil. Doch ehe gescheiterte Provinzverschärfungsgrößen und Merkels verdorstelte Bundesschranzentruppe Fehler eingestehen und ihre Linie ändern, bedrohen sie die Bevölkerung mit immer noch weiteren Gängelungen und überbieten sich in Verbotsszenarien. In England steht das Impfserum aus deutschen Labors bereits zur Verfügung. Die Deutschen selbst werden noch Wochen darauf warten müssen. Und die Intensivstationen laufen nicht etwa voll, weil Covid-19 es erzwingt, sondern weil die Gesundheitspolitik gewaltige Versäumnisse und Fehlentscheidungen zu verantworten hat. Der einstige Hoffnungsträger Spahn tut sich in seiner Doppelfunktion als Hauptversager (Gesundheitsminister) und Scharfmacher (merkelaffiner CDU-Karrierist, der glaubt, er könne Kanzler) besonders hervor.

I.

Spahnspruch eins: „What ever it takes“ (Frühjahr). Ausgerechnet der Englischverächter („Mir geht es zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht“) hat damit ausdrücken wollen, dass ohne Rücksicht auf die Kosten alles getan werde, um die Situation zu verbessern.

Nun rollt die zweite Welle und Spahns Bilanz sieht so aus: Die Kliniken haben enorm aufgerüstet. Gab es im April noch 20.000 Intensivbetten, waren es im Sommer bereits 32.000. Allerdings sind diese Zahlen irreführend. Die Zunahme kommt allein davon, dass jedes neue Bett mit 50.000 Euro aus den Taschen der Bürger bezahlt wurde. Leider hat Spahn versäumt, die Subventionen mit der Bedingung zu verknüpfen, dass die Betten auch mit dem nötigen Personal betrieben werden können. Die meisten Krankenhäuser haben die Betten, aber es fehlt das Personal, auch weil es sich ansteckt oder überarbeitet krank meldet. Das Geld ist dennoch geflossen. Das führt zu dem absurden Fazit: Die Intensivstationen sind ausschließlich wegen der verfehlten Personalplanung überlastet. Das wiederum wird als Hauptargument dafür missbraucht, der großen Mehrheit der Bevölkerung das Leben zu versauen und dazu noch Milliarden Steuergelder zu verbrennen. Manche Krankenhäuser haben nachweislich Beatmungsgeräte nur geleast, um sie wenig später, als das Geld auf dem Konto war, zurückzugeben. Die skandalösen Verhältnisse (nachzulesen im Bericht des Expertenbeirats des Bundesgesundheitsministeriums) betreffen auch die Freihaltepauschale: Krankenhäuser bezogen insgesamt neun Milliarden Euro dafür, „gewöhnliche“ Kranke abzuweisen und für Coronafälle frei zu halten. In psychiatrischen Kliniken beispielsweise wurde ihnen dafür fast doppelt so viel vergütet (560 Euro pro Nacht), als die mit psychisch Kranken belegten Betten einbringen würden (im Schnitt 300 Euro). Je weniger Covid-Patienten ein Krankenhaus aufnimmt, umso mehr profitiert es von der Corona-Politik.

II.

Spahnspruch zwei: „In welchem Land wären Sie lieber als in der Bundesrepublik?“ Die Antwort fällt nicht schwer. Der Unterschied ist nicht nur bei der Covid-19-Abwehr zu erkennen. Die Schweiz setzt als ein Land, in dem Demokratie nicht nur repräsentativ, sondern weitgehend direkt zu haben ist, auf die Eigenverantwortung der Bürger. Die sind keine gegängelten Untertanen, sondern Souveräne ihres Landes wie ihres eigenen Lebens. Das ist in Deutschland vollständig anders. Die Schweizer haben keine besseren Zahlen, aber sie leben trotzdem fast normal. Natürlich sind auch die Schweizer nicht leichtsinnig. Sie tragen Atemschutzmasken.

Aber sie ruinieren nicht sinnlos weite Teile der Wirtschaft und behandeln die Eidgenossen auch nicht wie unmündige Kinder. Selbstverständlich sind Restaurants ebenso geöffnet wie Skigebiete. Die Politik denkt an die ganze Gesellschaft und schützt deshalb die Wirtschaft des Landes. Bemerkenswert ist auch, dass die Schweizer Medien ein völlig anderes Bild zeichnen als die Medien in Deutschland. Hierzulande stehen sie überwiegend kritiklos denen zur Seite, die Ahnungslosigkeit mit Schärfe kompensieren. In der Schweiz tun sie das, was eigentlich zum Berufsethos von Journalisten gehört: Sie stehen auf der Seite der Freiheit und verzichten auf Angstkampagnen. Sie folgen auch nicht dem Diktat eines weitgehend willkürlich oktroyierten Zahlenwerks. Muss man in Deutschland erst 700 Jahre Demokratie üben, bis sie einigermaßen funktioniert? Oder ist die einzig tragfähige Basis der Freiheit Wohlstand? Dann wären die, die hier alles daran setzen, ihn zu vernichten, vorsichtig formuliert: schlechte Demokraten.

III.

Spahnspruch drei: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Danke, dazu ist es zu spät. Verziehen wird nur dem, der bereut und sich bessert.

Davon kann keine Rede sein.

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