Tichys Einblick
Deutsche ordnen ihre Ängste neu

Schon wieder Zeitenwende

In linken Kreisen galten „die“ Palästinenser als antikapitalistisch, antirassistisch und antikolonalistisch – also als gut. Mit dieser Verharmlosung entfesselter Menschenfeindlichkeit unter der Flagge des Islam ist jetzt Schluss.

Am Wahlabend, ob in der Berliner Runde oder bei Anne Will, sprachen nicht einmal mehr die Grünen vom Klimawandel. Was war passiert? Die Deutschen ordnen von heute auf morgen ihre Ängste um. Der Terror in Israel drängt alles andere in den Hintergrund. Die Rettung der Welt vor den islamischen Barbaren steht weit vor der Rettung der Welt durch grüne Transformatoren. Die vor allem islamische Migration wird als Bedrohung Nummer Eins wahrgenommen. Selbst von den Links-Grünen: nämlich als Bedrohung ihrer eigenen Macht.

I.

Die Vorstellung, das Weltklima ließe sich retten, indem ein Land mit 1 Prozent der Weltbevölkerung eine Art Thermostat in den Himmel schraubt und auf maximal 1,5 Grad Celsius plus einstellt, war schon immer bescheuert. Gleichwohl glaubte fast die gesamte politische Klasse des Landes fest daran und hatte kaum noch etwas anderes im Kopf, ohne Rücksicht auf die Folgen für Wohl und Wehe der Bevölkerung. Die Letzte Generation ist inzwischen der letzte Haufen, der noch Klimaschutzhysterie mit Politik verwechselt. Die Wahlergebnisse in zwei Bundesländern sorgen dafür, dass die politische Klasse mittlerweile von einer ganz anderen Angst beherrscht wird. Es ist die Angst vor dem Siegeszug der Unberührbaren. Da helfen kein Kontaktverbot, keine Brandmauer, kein Verfassungsschutz. Das Volk mag unbelehrbar sein, aber es lehrt abgehobenen und machtversessenen Berufspolitikern das Fürchten. Gut so.

II.

Die das Land heillos überfordernde Masseneinwanderung auf der Grundlage eines nicht mehr zeitgemäßen und millionenfach missbrauchten Asylrechts ist heute das Generalthema deutscher Politik. Die Ampelregierung aber stümpert und eiert immer noch hilflos herum. Die einen finden die weitere Zuwanderung in den deutschen Sozialstaat als bedrohlicher, die anderen das demokratische Vorrücken der „Rechten“ in die Parlamente. Es ist die vielleicht entscheidende Frage der deutschen Demokratie: Was hält diese Gesellschaft eher aus? Einen echten Rechtsruck oder die ungesteuerte Invasion nicht integrierbarer Fremder?

III.

In dieser Situation schlägt der Krieg in Israel bei uns wie eine Bombe ein. Er ist nicht weg erklärbar mit Kritik an Israels Verhalten in den besetzten Gebieten. Auch der Dümmste spürt, dass das, was in Israel geschieht, nicht allein aus der Auschwitz-Perspektive beurteilt werden kann. Es geht tatsächlich um weit mehr als alte Schuld, neue Versäumnisse und falsche Toleranz gegenüber dem links-islamistischen Judenhass. Der Jubel über den Terror in Flüchtlingslagern und in den Parallelgesellschaften deutscher Kieze wirft – erstens – auf die Masseneinwanderung ein anderes Licht, und zeigt – zweitens –, dass in Israel Juden ermordet werden, nicht zuerst, weil sie Juden sind, sondern weil sie unsere Zivilisation verkörpern, für die Freiheit des Individuums stehen. Deshalb war dies kein Anschlag auf Militäreinrichtungen, sondern ein Massaker auf einem Musikfest. Israel bietet ein freies Leben nach westlichen Vorstellungen, deshalb wird es gehasst. Bei allen Kämpfen gegen die eigene Orthodoxie steht es für den Kampf der Moderne gegen die Finsternis. Wer das schon früher sagte, galt als islamophob, also rechts, als rassistisch, also rechts, als kolonialistisch, also rechts. Und umgekehrt galten „die“ Palästinenser in linken Kreisen als antikapitalistisch, antirassistisch und antikolonalistisch – also als gut. Mit dieser Verharmlosung entfesselter Menschenfeindlichkeit unter der Flagge des Islam ist jetzt Schluss.

IV.

Der Ukraine-Krieg, der mehr als eine Million zusätzlicher Flüchtlinge nach Deutschland trieb, steht deshalb plötzlich auch nicht mehr ganz oben auf der Agenda. Selbst Putin verliert (vorübergehend?) seinen Rang als größtes lebendes Monster. Den wird es freuen. Denn eines ist gewiss: Die Angst vor einem „Flächenbrand“ im Nahen Osten mit der Selbstverpflichtung der Deutschen, Israel beizustehen, drückt die deutlich nachlassende Bereitschaft zu weiterer Militärhilfe an die Ukraine. Das ist jetzt einfach zu viel, so empfinden es die meisten, egal welcher Couleur. Auch die politische Klasse, ob in den USA oder in Europa wird von anderen, womöglich schwereren Sorgen als dem Klima beherrscht. Die westliche Zivilisation muss nicht nur gegen die autoritären Imperien im Osten, sondern auch noch gegen einen offenbar unzähmbaren aggressiven Islam verteidigt werden. Erst Klima, dann Krieg. Es ist nicht einfach die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Womit wir wieder bei den deutschen Angelegenheiten wären. Das, was jetzt als „Rechtsruck“ weg zu erklären versucht wird, ist in Wahrheit das wachsende Bewusstsein der bürgerlichen Mitte dafür, was alles auf dem Spiel steht.