Tichys Einblick
Herles fällt auf

Alpha-Frau und Beta-Männchen. Ist Schäuble Laschets Vorbild?

Wie kann ein Mann von doch einigem Verstand glauben, Deutschland sei im vergangenen Jahr „über sich hinaus gewachsen“? Oder: „Deutschland erlebt ungeahnte Beweglichkeit“. Häää? Deutschland geht an seiner Unbeweglichkeit gerade ein.

Vielleicht ist dies das Widerwärtigste: Die Moralposaunisten täuschen Sorge um den Schutz der Bevölkerung vor. In Wahrheit benutzen Söder & Co. die Pandemie für ihren Machtkampf. Es geht noch nicht einmal um Wahlkampf. Sonst würde CSU-Söder nicht mit dem Grünen Kretschmann in die Schlacht gegen CDU-Laschet ziehen. Erneut schaut die CDU nur fassungslos zu. Und lässt es geschehen. Söder ist dabei, Laschet aus dem Ring zu boxen.

I.

Was haben S und K eigentlich gemeinsam? Dieser betet für Merkel, jener will Merkelstimmen auf seine Mühle lenken. Beide träumen von einem schwarzgrünen Regime, errichtet auf Klimahysterie und Panikpandemie. Beide zählen zur Fraktion der Wohlstandsvernichter, Einsamkeitsproduzenten, Kulturvernichter, Bildungszerstörer und Vernunftverächter. Die Wähler sollen die Nerven verlieren, das Volk soll leiden, damit sie ihre Version der Ära Merkel installieren können.

II.

Wo bleibt Laschet? Das ist der Vorsitzende, der Kanzlerkandidat werden möchte. Er hat das doch kapiert! Ja, hat er. Doch Begreifen ist etwas anderes als das Ergreifen einer Chance. Womit wir bei der entscheidenden Frage wären: Weshalb lassen die Unionsparteien zu, dass sich ein haltloser Söder mit dem grünen Spießer Kretschmann auf Kosten der eigenen Partei verbündet? Es ist dieselbe Frage wie: Warum haben die Unionsparteien sich von Merkel sechzehn Jahre lang missbrauchen lassen?

III.

Hier ist eine Antwort anhand eines namhaften Beispiels. Seit Helmut Kohl ist Wolfgang Schäuble die Nummer zwei auf der Ersatzbank. Unumstritten und beliebt nicht nur im eigenen Lager. Gerade tourt er wieder mit einem neuen Buch durch die Talkshows. Wer ihn hört, wer ihn liest, stößt auf das ganze Elend dieser Partei. Schäuble, das Beta-Männchen, der Partei-Schamane, der nie in die erste Reihe durfte, der sich stets ausbremsen ließ. Der erst den Kohlflüsterer und dann den Merkelversteher gab. Von Alpha-Tieren zuverlässig vorgeführt. Ein Held nur im Hinnehmen. Er hat das Elend von 100 Jahren Kohl und 1.000 Jahren Merkel letztlich verlängert. Er hat jenes Duckmäusertum brillant kultiviert, das die Union zerstört. Richtiges anmahnen und Falsches mitmachen ist keine Lösung. Es gibt kein richtiges Leben im falschen – um Adorno zu zitieren. Am Ende bleibt nur noch „ein richtig falsches Leben“, wie der Titel eines Thrillers von Jakob Bodan heißt. Da mag er noch so viele Verdienste haben – etwa um den Einheitsvertrag mit der DDR, auf den er so stolz ist. Den höchsten Preis dafür hat dieses Land bezahlt: Es hat Merkel bekommen. Wie Schäuble jetzt bei Lanz behauptet, trete sie als erschter Kanzler selbschtbeschtimmt ab. Das ischt, sorry, Mischt.

IV.

Kurzkritik: „Wolfgang Schäuble: Grenzerfahrungen – Wie wir an Krisen wachsen“. Was für ein Bullshit-Titel! Deutschland wächst nicht an Krisen, es schlittert lernunfähig von einer in die nächste. Schäubles Partei hat Krisen (Energie, Migration, Schulden, EU) geschürt und geschärft. Nach 16 Jahren Merkel erlebt das Land Krise als Dauerzustand. Wie kann ein Mann von doch einigem Verstand glauben, Deutschland sei im vergangenen Jahr „über sich hinaus gewachsen“? Oder: „Deutschland erlebt ungeahnte Beweglichkeit“. Häää? Deutschland geht an seiner Unbeweglichkeit gerade ein. Unsägliche Kirchentagsprosa ist auch die Behauptung, viele erlebten die „Entschleunigung durchaus auch als persönlichen Gewinn“. Schäuble sollte nicht von sich auf andere schließen. Es steht auch manch Richtiges im Buch – etwa, dass nicht alles hinter dem Schutz des Lebens zurückzutreten habe. Aber das Richtige steht nicht richtig da, sondern zwischen endlosem Sowohl-als-auch und unzählbaren Fragezeichen. Viel kleinlautes Angedeute. Sich bloß nicht durch Deutlichkeit angreifbar machen! Es sich bloß mit keinem verderben, schon gar nicht mit IHR. Schäuble gibt den Vernünftler, der über den Dingen steht. Das ist in diesen Zeiten eine Zumutung.

V.

Vielleicht hat Laschet das Zeug für einen von der Sorte Schäuble. Wollen wir’s nicht hoffen. Sonst holt uns der Söder.

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