Tichys Einblick
Herles fällt auf

Horst im Glück – Anmerkungen über die Bayern

Der Zentralismus Europas ist eine Nachäffung des Nationalstaats mit untauglichen Mitteln. Darin besteht der Kern der europäischen Krise.

Morgen führen CDU und CSU Friedensverhandlungen. Pardon: Sondierungsgespräche. Die preußische Reichskanzlerin empfängt den Duodezfürsten aus dem Alpenvorland. Zu verhandeln gibt es nichts. Der Seeloser kann nur bettelnd auf Huld hoffen. Drohen kann er nicht. Womit auch?

I.

Verweigerung der Jamaika-Koalition? Wer nicht träumt, weiß, wie das ausgeht. Die Bayern wählen die CSU nicht dafür, dass sie in Berlin nichts mehr zu melden hat. Mit Merkel hatte sie schon bisher nichts zu melden. Aber ohne Merkel erst recht nicht. Ein klassisches Dilemma.

II.

Und wenn es der CSU gelänge, Merkel loszuwerden? Wie denn das? Würde Jamaika an der CSU scheitern, käme wieder die SPD ins Spiel. Dann wäre eher die CSU draußen als Merkel. Allein Neuwahlen versprächen eine andere Kanzlerkandidatur. Für die CSU wäre das hochriskant. Denn auch die Mehrheit der Bayern hat sich an Merkel gewöhnt wie an eine alte Couchgarnitur.

III.

Die Lossagung von der CDU gibts nur im Bierzelt, sonst nicht. Das musste schon Franz Josef Strauß erfahren. Wenn es zum Schwur kommt, sind die Bayern kein geschlossenes Volk. Franken und Schwaben hängen von jeher an Berlin. Markus Söder, Joachim Herrmann, Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg sind Franken. Sie halten nichts von dem Spruch: Aber Hund sa ma scho. Söder ist ein Machiavellist, aber kein Hund. Im Altbayerischen ist Hund ein Kompliment. Der Altbayer Seehofer ist ein gewesener Hund. Jetzt reicht´s noch knapp zum Kläffer.

IV.

Der CSU ging es im Bund immer dann am besten, wenn sie gemeinsam mit der CDU in Opposition war. Strauß und Stoiber durften dann sogar Kanzlerkandidaten sein. Aussichtslos – aber immerhin.

V.

Die CSU gibt es nur, weil die Bayern über eine Restidentität verfügen. Sonst wären sie ein Landesverband der CDU. Die Mehrheit der Franken wäre damit wohl zufrieden.

VI.

Die CSU war eine größere Nummer in der Bonner Republik. 12 Millionen von 60 Millionen sind mehr als 12 von 82. So gesehen sind Bayern und die CSU Verlierer der Einheit. Seit 1990 dürfen sie noch mehr an andere Länder abgeben. Bei der neuen „Föderalismusreform“ haben sie gegen Geld ein weiteres Stück Eigenständigkeit aufgegeben und lassen sich von Berlin noch mehr hineinreden. Wetten, dass sie den Reggae-Parteien auch ihr letztes Hemd geben: ihre Bildungssouveränität. Bayern wird sich auf dem Niveau von Bremen und Berlin vereinheitlichen lassen.

VII.

Einer der Grundfehler der CSU: Sie gibt sich gern deutschnational. Notfalls müssten die Bayern die letzten Preußen sein, tönte schon Franz Josef Strauß. Ein saudummer Spruch. Am Ende sind in der CSU nicht die letzten Preußen zu finden, sondern bloß die letzten Bayern.

VIII.

Bayern könnte das Katalonien Deutschlands sein. Aber die Deutschen schwärmen von Einheit und Einheitlichkeit. Auch die garstigen Nachwirkungen der Wiedervereinigung haben ihre Ursachen nicht im Mangel an innerer Einheit, sondern an zuviel Zentralismus. Merkel kennt nur Zentralismus. Weil sie in der DDR nichts anderes gelernt hat. Sachsens vermeintlich „skandalöses“ Wahlverhalten wird falsch interpretiert. Es ist ein Votum gegen den Berliner Zentralstaat. Die Sachsen machen es den Bayern vor, was es heißt „Freistaat“ zu sein.

IX.

Weniger Einheitlichkeit hätte zu mehr Einheit geführt. Das ist kein Paradox, sondern eine universelle Weisheit. Sie gilt in Spanien, im Vereinigten Königreich und in Deutschland.

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X.

Identität und Heimat gibt es nicht in großen, heterogenen Nationalstaaten. Deutschland ist mindestens so heterogen wie Spanien. Und mindestens so zerrissen. Die deutschen Bayern sind leider regierungstreuer als die Katalanen königstreu.

XI.

Bayern hätte als eigenes Land in Europa ein größeres Gewicht. Es hat eineinhalb Mal so viele Bürger wie Österreich. Österreich wird (gerade besonders) aufmerksam wahrgenommen. Es hat in der Einwanderungsfrage eine eigene Stimme. Um die CSU schert sich in Brüssel niemand. Und Bayern hat dort gar keine Stimme.

XII.

Der CSU ist unter Seehofer das “Mir san mir“-Gefühl abhanden gekommen. Mit Rechts und Links hat das nichts zu tun. Aber mit Selbstachtung.

XIII.

Der Zentralismus Europas ist eine Nachäffung des Nationalstaats mit untauglichen Mitteln. Darin besteht der Kern der europäischen Krise. Die herrschende Klasse und ihre Medien aber beschimpfen Katalanen und Schotten als Nationalisten. Es ist genau umgekehrt: Die Nationalisten sitzen in Madrid und London.

XIV.

Horst ist ein Hans. Ein Hans im Glück. Den Batzen Gold hat er längst eingetauscht und schleppt sich nur noch mit Steinen ab. Der letzte Bayer redet sich ein, der glücklichste Mensch unter der Sonne zu sein. Befreit von allem – außer von seiner Blödheit.

XV.

Seehofer ist der Mühlstein am Hals der CSU.

XVI.

Wenn die Partei klug gewesen wäre, hätte sie als Stein am Hals der Kanzlerin Deutschland einen Gefallen getan. Die CSU hätte sie niemals als Spitzenkandidatin akzeptieren dürfen. Nun ist sie zu Nibelungentreue verdammt.

XVII.

Die Zentralistin Merkel hat Europa und Deutschland beschädigt. Seehofer hat Bayern beschädigt. Das ist die bittere Pointe. Merkel wird ihn morgen mit leeren Händen und einer faulen Formel seinem Schicksal überlassen.


Wolfgang Herles ist Schriftsteller und (TV-) Journalist, er schrieb mehrere Romane und zahlreiche politische Sachbücher, zuletzt Die Gefallsüchtigen in dem er das Quotendiktat der öffentlich-rechtlichen Medien und den Populismus der Politik attackiert. Sie erhalten es in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop