Tichys Einblick
AM und AN

Ein halbes Jahr Regierungsbildung – was bleibt? AM.

Die mächtigste Politikerin sitzt gar nicht im Kabinett. AM ist Kanzlerin von ANs Gnaden. Es ist für sie - bätschi, sag' ich - eigentlich die Höchststrafe.

Nie zuvor hat sich die politische Klasse so unverstellt präsentiert wie in den Monaten der Vorsondierungen, Sondierungen, Koalitionsverhandlungen und des nachfolgenden Personalgeschachers. Der Anblick der nackten Machtspieler spottete jeder Beschreibung. Nach der Vorstellung ist vor der Vorstellung. Nein, keine neue Prognose. AM hat sie alle überlebt. Heute nur ein Blick zurück.

I.

Die mächtigste Politikerin sitzt gar nicht im Kabinett. AM ist Kanzlerin von ANs Gnaden. Es ist für sie – bätschi, sag‘ ich – eigentlich die Höchststrafe. Doch dazu bedürfte es einer gewissen Sensibilität, auch Selbstachtung oder Ehrgefühl genannt.
Persönliche Anmerkung: Mir wäre die katholische Landpomeranze aus der Eifel als offizielle Kanzlerin lieber als die protestantische Einheitsparteichefin aus der Uckermark. Aber das ist sicher ein tief sitzendes kulturelles Vorurteil. Wir wollen die beiden nicht gegeneinander aufwiegen, es hielte keine Waage aus.

II.

Horst Seehofer verdanken wir einen ungewohnt tiefen Blick in die Seele der AM: „Die war richtig ernst, wie man sie ganz, ganz selten erlebt…sie war wirklich getroffen. Und sie hat mir dann später unter vier Augen gesagt: ‚Die wollen mich weghaben.‘ Die FDP – die wollen mich weghaben.“

Nun wissen wir, was AM wirklich tief bewegt. Von ihr könnte der Satz stammen – wir wollen genau sein beim Zitieren -: „Ich liebe – Ich liebe doch alle – alle Menschen – Na ich liebe doch – Ich setzte mich doch dafür ein!“

III.

Die FDP hat ihre Regierungsbeteiligung hergeschenkt, hat Wähler enttäuscht, doch der Liberalität gedient. Es war die einzige rote Linie, die nicht überschritten wurde, dank Christian Lindner: Lieber nicht regiert werden als schlecht regiert werden. Quod erat demonstrandum.

IV.

Unser besonderer Gruß geht nach Goslar. Kaiserpfalz vor tausend Jahren, im tausendjährigen Reich dann Reichsbauernstadt und Sitz des Reichnährstands. Nicht weit entfernt ruht Barbarossa in seiner Harz-Höhle Kyffhäuser. Goslar ist nun Gabriels Kiffhäuser. Frei nach Friedrich Rückert dichten wir:
Er hat hinabgenommen
Des Amtes Herrlichkeit,
Und wird nie wiederkommen,
Es war nicht seine Zeit.

V.

Da wir schon dabei sind: 1950 fand in Goslar der erste Bundesparteitag der CDU statt und wählte Konrad Adenauer zum Vorsitzenden. Auch er wird nicht wiederkommen. AM könnte ja mal eine Wallfahrt machen. Den Geist des Alten könnte die Reichsbauernfängerin wahrlich gebrauchen.

VI.

Generalsekretärin AKK gilt als Wunderwaffe und eine neue Zeit in der Union. Falsch. Die wichtigste Personalie hinter AM ist eine andere. Die Führung der Fraktion liegt noch immer in den Händen von Volker Kauder, der nichts ist als ein orthodoxer Merkelknecht.

Der Fraktionsvorsitz wäre die beste Plattform, sich als Kanzlerkandidat zu profilieren, nicht als Edelsekretärin (AKK) auch nicht als Bundesminister mit Kabinettsdisziplin (JS). Dass in der großen CDU/CSU-Bundestagsfraktion niemand den Fraktionschef in Frage stellt, lässt tiefer blicken als die Nibelungentreue zu AM. Wem an einer Erneuerung wirklich läge, müsste Kauder auswechseln wollen, und sein Amt endlich emanzipieren. Im direkten Wettbewerb mit der Eifel-Drossel ließe sich Talent erkennen und entwickeln. Die ausgefallene Personaldebatte an dieser entscheidenden Stelle offenbart, wie wenig die Abgeordneten der Union kapiert haben.

VII.

Gabriel ist wenigstens noch direkt gewählter Abgeordneter, also nur noch seinem Gewissen unterworfen. Er könnte jetzt davon Gebrauch machen. Der Mann mit den Haaren im Gesicht, ist nicht mal das. Martin Schulz kam von der Landesliste, ist also nun Fraktionssoldat. Im Gleichschritt Marsch! Der Mann, der uns ein O für ein U vormacht, sitzt gar nicht mal im Bundestag. An der Seite AMs ist er nur sich selbst unterworfen.

VIII.

Wir wissen nun, dass Jobs alles sind, Konzepte nur dazu da, Papier zu verschwenden. Vom 179 Seiten starken Koalitionsvertrag bleibt nicht mehr als ein Umweltskandal. Dafür mussten Bäume sterben!