Tichys Einblick
Die nächste Wählerfürdummverkaufskampagne

Der Staat als Bürgerfeind

Armin Laschet und Markus Söder tun so, als stritten sie um Steuern. Die Diskussion ist ohne Bedeutung angesichts der noch gar nicht abzusehenden enormen Rekordlasten, die ihre Unionsparteien den Bürgern aufhalsen.

Die nächste Wählerfürdummverkaufskampagne richtet ihre Blendscheinwerfer auf uns. Sie kommt aus dem Feldlager der vermutlichen Wahlgewinner CDU und CSU. Die Frage, ob Steuern „schrittweise gesenkt“ (Söder) oder nur schrittweise „nicht erhöht“ (Laschet) werden, bekäme allenfalls eine gewisse Relevanz, wenn die Unionsparteien miteinander Koalitionsverhandlungen führen müssten – vorausgesetzt sie regierten nicht nur eine Provinz der EU, sondern ein selbstständiges Land. Solange sie aber als Pech (Laschet) und Schwefel (Söder) in der selbst mitgeschaffenen Fiskalhölle schmoren, ist diese Debatte der schlechteste Witz der Jetztzeit.

I.

Um es kurz zu machen: Die Frage, ob die Bürger vom ewigen Soli (verfassungswidrig) und von der stillen Progression (verfassungswidrig) oder von einzigartigen Spitzensteuersätzen für Durchschnittsverdiener mehr oder weniger gezwickt und gezwackt werden, ist ohne Bedeutung, angesichts der noch gar nicht abzusehenden enormen Rekordlasten, die eben diese Unionsparteien den Bürgern aufhalsen. Die demnächst gebrochen werdenden Wahlversprechen machen das Kraut nicht fett. Herr Laschet nennt die Heimsuchung unter seiner Führung Entfesselung. Die Vorsilbe ENT ist schon jetzt eine Lüge. In groben Zügen sind es drei Politikfelder, die dem Bürger Fesseln anlegen.

II.

Das erste sind die ökonomischen Folgen von Corona. Zu unterscheiden sind die Kosten der Pandemie und die Kosten der Pandemiepolitik. Mit vollen Händen wurden Milliarden an den medizinisch-industriellen Komplex umverteilt. Zum anderen glaubte man, mit Steuermitteln das ökonomische Desaster der sogenannten „Maßnahmen“ unschädlich machen zu können. Welch ein Irrtum! Der selbst verursachte Konjunktureinbruch lässt noch lange alle bluten. Die zerstörten Existenzen liegen unverschuldet dem Sozialstaat auf der Tasche – und generieren keine Steuereinnahmen mehr. Steuersenkungs-Söder hat im Team Vorsicht rücksichtslos für den größtmöglichen sozialen, kulturellen und auch ökonomischen Schaden gesorgt.

III.

Das zweite ist die vernunftfreie Vorherrschaft der Klimapolitik. Der „Green Deal“, der Klimaplan aus Brüssel, bürdet den Bürgern vom Wohnen über’s Reisen bis zum Essen eine Senkung des Lebensstandards auf. Und zwar ohne die geringste Aussicht, damit die Erderwärmung nachhaltig zu bremsen oder auch nur einen verregneten oder zu trockenen Sommer vermeiden zu können. Aber schon der Gebrauch des Wortes Wetter wird diskriminiert. Wer nicht in jedem Gewitter Klima sieht, verbreitet „rechtes Gedankengut“. Man kennt die Mechanismen des moralischen Framings ja inzwischen. Es mischen sich Hybris mit nahezu religiösem Wahn und Machtmissbrauch. Corona ist noch nicht vorbei, da kommt wie bestellt Tief Bernd zum Einsatz. Es hat die Schleusen der nächsten Hysterie geöffnet, und Söder (eilfertig) und Laschet (zögerlich) werden sich ohne Rücksicht auf Verhältnismäßigkeit und Kosten der geistigen Flutwelle anschließen.

IV.

Die dritte Ursache der ökonomischen Katastrophe ist die Geldpolitik der EU. Mit Nullzinspolitik und Geldentwertung ist das toxische Gebräu entstanden, mit dem die Keller, die materiellen Fundamente der Bürger, absaufen.

V.

Kommen Sie jetzt bitte nicht mit dem Argument, ohne Unionsparteien würde alles noch viel schlimmer. Die Täter vernebeln die Folgen der von ihnen ausgerufenen „Revolution“ mit dem Geschwätz von Sozialverträglichkeit, Gerechtigkeit und Verbraucherfreundlichkeit.

Was dieses Land bitter nötig hätte, wären liberale Überzeugungen. Es wird auch darauf ankommen, ob und wie weit die Liberalen (in den bürgerlichen Parteien, nicht nur in der FDP) in der Lage sein werden, einer Regierung Laschet Grenzen zu setzen und die fundamentalen Fehler zumindest zu drosseln, die allen Bürgern den Lohn ihrer Lebensleistung rauben und den Staat zur größten Bedrohung machen. In diesem Konflikt zwischen Staat und Bürger steckt die eigentliche Krise der Demokratie. Recht und Besitz der Individuen wurden vermeintlich übergeordneten Bedürfnissen so radikal bisher nur in Kriegszeiten geopfert. Es handelt sich um die Selbstzerstörung eines Erfolgsmodells – der auf Freiheit und Vernunft bauenden, liberalen abendländischen Demokratie. Die notwendige Balance zwischen Staat und Individuum, Freiheit und Gesellschaft ist verloren gegangen.

VI.

Dem staatsgläubigen deutschen Wähler aber kann man alles erzählen. Sogar, dass die Steuern schrittweise nicht erhöht werden. Er hält es am Ende noch für eine gute Nachricht.