Tichys Einblick
Ein Dialog

Der Rassist und das Rasseweib

„Früher haben sich so gut wie alle CDUler ungeniert als Schwarze bezeichnen lassen. Heute will das niemand mehr. Schwarz zu sein, gilt in der CDU fast schon als parteischädigend. Um nicht zu sagen als rassistisch.“

„Warum hat die CDU eigentlich neben der Frauenquote nicht gleich auch noch eine People-of-Colour-Quote beschlossen?“ beschwert sich Selma, die Frau, mit der ich am liebsten streite. „Wieder eine Gelegenheit verpasst, Vorreiter zu sein, statt immer nur Nachzügler.“

„Guter Einwand“, sage ich. „Früher haben sich so gut wie alle CDUler ungeniert als Schwarze bezeichnen lassen. Heute will das niemand mehr. Schwarz zu sein, gilt in der CDU fast schon als parteischädigend. Um nicht zu sagen als rassistisch.“

Selma zieht ein Gesicht. „Kann es sein, dass wir gerade aneinander vorbei reden?“

Das will ich auf gar keinen Fall. „Vielleicht sollte man zunächst eine Arbeitsgemeinschaft gründen. Schwarze in der CDU“, schlage ich vor.

„Da sehe ich schwarz“, meint sie.

„Das sagt man nicht mehr!“

„Was sagt man nicht mehr?“

„Schwarzsehen. Es konnotiert das Schwarze negativ. Deine Formulierung ist absolut rassistisch. Merkst du das nicht?“

„Ehrlich gesagt, nein“, sagt Selma, die sonst nie auf dem Schlauch steht.

„Siehst du! Genau das ist Rassismus: Wenn man es gar nicht mehr merkt.“

„Du willst mich doch nicht als Rassistin anschwärzen?“

„Anschwärzen geht gar nicht. So wenig wie schwarz malen. Auch schwarze Listen gehören verboten.“

„Anschwärzen steht schon im Wörterbuch der Brüder Grimm“ weiß Selma. Sie kennt sich aus. „Willst du behaupten, das waren auch Rassisten?“

„Antisemiten waren es jedenfalls, das steht fest. Und das Wort anschwärzen ist nun mal diskriminierend.“

„Es bedeutet doch nur, mit Ruß beschmieren, schmutzig machen.“

„Sage ich doch: ein durch und durch rassistischer Ausdruck.“

„Du willst mich verkohlen“, sagt sie.

„Das ist korrekt.“

„Ausgerechnet mich willst du als schwarzes Schaf hinstellen.“

„Schwarzes Schaf ist auch ein diskriminierender Ausdruck.“

„Aber das schwarze Schaf kommt gar nicht aus Afrika. Es kommt aus der Schafzucht. Die Wolle weißer Schafe ist leichter zu färben, also wertvoller als braune. Beschwer dich bei Mutter Natur!“

Mit Strickwaren kennt sie sich als Frau besser aus, denke ich. „Mutter Natur“, wende ich trotzdem ein, „ist sowieso rassistisch. Der ganze Quatsch von den Rassen kommt nur aus der Biologie. Auch die Physik ist total rassistisch. „Schwarz ist, was kein Licht zurückwirft. Eine Unfarbe.“

„Warum nennt man Nichtweiße dann Farbige?“

„Das Wort Farbige darfst du auch nie wieder in den Mund nehmen!“

„Das leuchtet mir ein“, antwortet sie. „Und ich begreife endlich, weshalb auch die schwarzen Zahlen aus der Mode kommen. Die schwarze Null war gestern. Soll nicht wieder vorkommen. Außer beim Schwarzgeld auf dem Schwarzmarkt.“

„Hast du es endlich kapiert!“ Ich atme auf. „Schwarz ist finster und undurchsichtig. Davor haben die Leute Angst. Wie vor dem schwarzen Mann. Das drückt sich eben in unser kolonialistischen Sprache aus.“

„Jetzt übertreibst du“, sagt Selma.

„Ich übertreibe? Du hast mir doch kürzlich erst erklärt, dass es heute nicht mehr darauf ankommt, was ein Wort bedeutet, oder wie es gemeint ist, sondern wie sich Menschen fühlen, wenn sie es hören. Ganz früher waren Mohren noch geachtet. And black was beautiful.“

„Offenbar macht dir dein rassistisches Geschwätz auch noch Spaß“, gibt sie zurück.

„Moment!“ Aber mir ist gerade nicht nach Streit. Deshalb mache ich ihr lieber ein Kompliment. „Du bist und bleibst ein Rasseweib.“ Ich spreche das mit rollendem R aus wie Osgood Fielding III in Billy Wilders „Manche mögen´s heiß“, wenn Toni Curtis als Josephine mit der Bassgeige an ihm vorbei stolziert.

Selma erkennt das Zitat. „Der Film ist auch rassistisch“, behauptet sie.

„Aber warum denn das? Was soll an einem rassigen Weib rassistisch sein?“

„Exotisch wackelt es mit den Hüften.“

„Alles positiv“, sage ich.

„Du bist nicht bloß ein Rassist, sondern auch noch ein Sexist.“

„Das wüsste ich…“

„Unterbrich mich nicht! Rasse und Weib: gleich zwei verbotene Wörter in einem. Und in der Damenkapelle spielen ausschließlich weiße Frauen.“

„Das stimmt leider. Genau wie in der CDU. Immerhin sind zwei der Frauen verkleidete Männer. Ich finde das gendermäßig ziemlich weit vorn“, widerspreche ich. Ich meine den Film.

Das Rasseweib ist nicht überzeugt. „Ein alter weißer Mann macht sich lustig über eine Damenkapelle. Das nennst du fortschrittlich? Der Film ist untragbar.“

Es ist eine meiner Lieblingsfilme. Ich bin aber gerade nicht auf Krawall gebürstet. „Tut mir leid“, sage ich, „aber nobody is perfect“.