Tichys Einblick
Homo sapiens

Corona, Klima, Gender: Anthropologischer Bericht aus einer anderen Galaxie

Die den Globus bislang beherrschende Art leidet zunehmend an den Folgen ihres eigenen Erfolgs. Es gibt zu viele Menschen. Diese Erkenntnis lässt den Homo sapiens an fast allem zweifeln, was er im Laufe seiner Geschichte hervorgebracht hat - ja selbst seine eigene Geschichte lässt er nicht mehr gelten.

Ein außerirdischer Anthropologe aus der Galaxie &)>=?§% fasste neulich seine Beobachtungen vom großen Tohuwabohu auf dem Planeten Erde wie folgt zusammen:

Der Homo sapiens, die einzige lebende Art der Gattung Homo aus der Familie der Menschenaffen in der Ordnung der Höheren Säugetiere, hat sich im Laufe seiner soziokulturellen Evolution trotz komplexer sozialer Bindungen und eines bewussten, reflektierten Verhältnisses zu sich selbst, in eine schwierige Lage gebracht. Die den Globus bislang beherrschende Art leidet zunehmend an den Folgen ihres eigenen Erfolgs. Es gibt zu viele Menschen. Diese Erkenntnis lässt den Homo sapiens an fast allem zweifeln, was er im Laufe seiner Geschichte hervorgebracht hat – ja selbst seine eigene Geschichte lässt er nicht mehr gelten.

I.

Die Menschen gehen sich – buchstäblich – auf die Nerven, seit sie nicht mehr auf natürliche Weise Distanz erleben können. Im „global village“ wird die Verdichtung als negativ empfunden, zumal die digitale Technik den Raum auch virtuell zum Verschwinden bringt. Dies aber verleitet den Homo sapiens zu falschen, seine eigene Entfaltung behindernden Konsequenzen. Zum Beispiel wird die von einem Corona-Virus verursachte Pandemie paradoxerweise von vielen Menschen begrüßt. Sie rechtfertigt nämlich soziale Distanz und weltweite Grenzblockaden. So stellen die „Maßnahmen“ gegen die Pandemie einen Zustand wieder her, der überwunden schien. Das jedoch, was lange als „Fortschritt“ begrüßt worden war, wird nun systematisch diskriminiert. Es heißt, nichts dürfe mehr so sein wie zuvor. Ein schönes, altes, menschliches „Sprichwort“ lautet: Man dürfe das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Der Homo sapiens entwickelt jedoch immer erstaunlichere Fähigkeiten genau dies zu tun.

II.

Offenbar glaubt ein großer Teil der Menschheit, Corona und Klimawandel hätten die selben Ursachen. Die Ernährung mit Fleisch schadet demnach dem Klima und fördert zugleich die Ausbreitung des Virus. Mobilität verursacht klimaschädliche Gase und verbreitet auch das Virus. Also werden bewährte Ernährungsgewohnheiten und Reisebedürfnisse systematisch sanktioniert. Man muss insgesamt zu dem Schluss kommen, dass kein biologisches Geschöpf seine eigene Entwicklung jemals stärker behindert hat als der Homo sapiens. Die wichtigsten Ausprägungen der „Freiheit“ – für die der Homo sapiens über Jahrtausende kämpfte – geraten in Misskredit. Dazu zählt auch die Freiheit, zu sagen und zu glauben, was jedem einzelnen beliebt. Der Mensch ist immer weniger bereit, für seine größte Errungenschaft, die Befreiung aus den Fesseln seiner eigenen Natur, den unvermeidlichen Preis zu tragen. Der Homo faber zieht es vor, einen noch höheren Preis zu entrichten und auf Freiheit zu verzichten. Den Untiefen des Glaubens und Aberglaubens entronnen, stürzt er sich sofort in andere Glaubenszwänge. Virologen, Klimaforscher, Genderwissenschaftler nehmen die Rolle von Schamanen und Priestern ein.

III.

Die Wirkungen dieses neuen Glaubens sind höchst widersprüchlich. Einerseits definieren Unterschiede die sogenannte Identität des „Individuums“, als das sich die meisten Exemplare des Homo sapiens begreifen. Deshalb hängen Menschen neuerdings zum Beispiel der absurden Vorstellung nach, sie könnten ihr Geschlecht selbst bestimmen, und Dutzende stünden zur Auswahl. Dazu im Widerspruch hält der Mensch jedoch Unterschiede zugleich immer schwerer aus: etwa zwischen dunkelhäutigen und hellhäutigen Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung oder Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Lebewesen. Sie werden geleugnet und sprachlich eliminiert.

IV.

Corona, Klima, Gender: Dass alles mit allem zu tun hat, ist auf Erden zwar keine neue Erkenntnis, doch nun wird sie als besonders schmerzhaft empfunden. Sie führt zu einem Gefühl allumfassender Bedrohung. Die Menschheit ist von Paranoia erfasst. Dieser Erreger ist der mangelhaften psychischen Ausstattung des Homo sapiens geschuldet und richtet sich gegen ihn selbst. So kommt der zeitgenössische Mensch nicht ohne Plage aus. Statt Erleichterung zu empfinden über die Lockerung der „Maßnahmen“, stürzt sich der Homo sapiens in die jeweils nächste Angstpandemie: in die Furcht, ein gewisser zyklischer Temperaturanstieg der Erdatmosphäre könne seine Art ausrotten. Auf diese Weise steigert der Mensch seine Hysterie von Plage zu Plage, und man darf annehmen, dass die Angst die größte Plage des Menschen ist.

V.

Mit der zweiten Evolution, die der künstlichen Intelligenz zu verdanken ist, wird dieser grundlegende Fehler in der geistigen Ausstattung des Homo sapiens an Bedeutung verlieren. Die Menschheit wird aus Angst auf die selbstbestimmte Gestaltung ihrer künftigen Lebensbedingungen verzichten. Das müssen dann andere übernehmen. Wir müssen nur zusehen und warten. Es könnte sich herausstellen, dass der Homo sapiens doch kein ernst zu nehmender Nachbar im Universum (gewesen) ist, sondern nur eine vorübergehende Scheinblüte. In Wahrheit also ist er das geblieben, was er immer war: bloß ein Aff.