Tichys Einblick
Neuer Adenauer gegen CDU-Sozialismus gesucht

Merz, Röttgen oder Laschet: Eine bittere Wahl der Qual

Der Neue müsste wie ein neuer Adenauer in der damals halbsozialistischen CDU um die richtigen Entscheidungen kämpfen. Wer glaubt, es genüge, dem grünen Zeitgeist den Arm zu reichen, irrt. Es geht um nichts anderes, als dem grünen Zeitgeist in den Arm zu fallen.

Wenn diese Zeilen Samstag früh ins Netz gestellt werden, ist der neue CDU-Vorsitzende noch nicht bekannt. Ein paar grundsätzliche Überlegungen behalten so oder so ihre Gültigkeit. Worum es geht? Um nicht weniger als um das Ende des Merkel-Regimes. Um die Ertüchtigung der Demokratie in Deutschland. Um die Zurückgewinnung der Zukunftsfähigkeit dieses Landes.

I.

Das Paradox, oder wenn Sie so wollen, das Dilemma dieser Wahl besteht darin, dass der, der sie gewinnt, eines ganz bestimmt nicht darf: sich von Merkel distanzieren, gar mit ihrem Regime brechen. Weder vor noch nach dieser Wahl. Wer Merkel keinen Lorbeerstrauß windet, hat keine Chance. Wer mit ihr nicht auskommt, versaut seinen Start als Vorsitzender und ist schon gescheitert, ehe es richtig los geht. Zugleich aber wird vom Neuen nichts anderes erwartet als eine doppelte politische Energiewende: Nach innen wie nach außen. Die CDU müsste sich wieder an den großen Zukunftsthemen abarbeiten, die Debatten anführen und Kompetenz zurück gewinnen. Wer glaubt, es genüge, dem grünen Zeitgeist den Arm zu reichen, irrt. Es geht um nichts anderes, als dem grünen Zeitgeist in den Arm zu fallen. Der neue Vorsitzende darf es nur nicht zugeben. Er muss weiter so tun, als breite sich zwischen AfD und Linken nichts anders aus als die fruchtbare Ebene der Mitte. Falsch: Die Grünen gehören nicht zur Mitte. Die SPD schon gar nicht. Die Mitte ist ein aufgegebenes Land, das, seit Merkel die LPG leitet, nicht mehr bestellt wird. Doch unseligerweise glauben die meisten Delegierten, nur das Festhalten am grünen Kurs garantiere den Machterhalt. Die CDU-Funktionäre fürchten Grün-Rot-Rot wie der Teufel das Weihwasser. Für den Machterhalt opfern sie seit langem ihren geerbten Grund. Der Neue müsste wie ein neuer Adenauer in der damals halbsozialistischen CDU um die richtigen Entscheidungen kämpfen.

II.

Wie aber tut man das Gegenteil dessen, was man um der Macht willen behauptet? Wie verkörpert man etwas, was nicht ausgesprochen werden darf? Der Neue kann sich schnell um Kopf und Kragen reden. Dann kann er die Kanzlerkandidatur auch gleich vergessen und scheitert bereits in den ersten Monaten im neuen Amt. Merkel ist auch die Kanzlerin des neuen Vorsitzenden. Sie kann und sie wird mitbestimmen, wer Kanzlerkandidat – und damit wahrscheinlich ihr Nachfolger wird. Sie kann, wenn sie nur will, Söder ins Amt puschen. Ja, sie könnte sogar, wenn sie nur will, „coronabedingt“ die Bundestagswahl verschieben lassen. Niemand würde sie daran hindern. Es wird jetzt also bis zur Wahl darauf ankommen, Merkel Macht zu nehmen, ohne dass es jemand merkt. Eine Unmöglichkeit. Aber genau darin wird sich der neue Vorsitzende bewähren müssen. Das geht nicht? Ja, dann hätte man sich die Wahl auch sparen können, jedenfalls mit diesen Kandidaten. Nur andere gab es nicht.

III.

Es nützt nichts, darüber in Resignation zu verfallen. Der neue Vorsitzende kennt das Spiel. Er hat sich zugleich den Grünen als künftigem Koalitionspartner zu empfehlen wie auch entschieden von den Grünen zu distanzieren. Den Ball flach halten, hieß die Parole – das gilt auch weiterhin. Die Botschaften der Kandidaten standen zwischen den Zeilen. Unsere Hellhörigkeit ist immer noch gefordert. Keiner wagte es, die vermurkste Energiewende in Zweifel zu ziehen. Aber Merz sprach im gleichen Atemzug eben auch von neuer Kernkrafttechnologie. Röttgen hat sich selbst aus dem Rennen geschossen – da nagle ich mich fest – weil er nicht mit der FDP koalieren will. Nicht nur der konservative, auch der liberale Kern der CDU ist unter Merkel entwertet worden und muss erneuert werden. Sehen wir es positiv. Auch der Neue, wer auch immer es ist, ist besser als AKK. Merkel wird bald niemand eine Träne nachweinen. Es sei denn … Es sei denn, der künftige Kanzler heißt Söder. Die heutige Wahl, auch wenn niemand es so klar ausgesprochen hat, diente vor allem auch dem Zweck, ihn am Durchmarsch zu hindern, der gar nicht zur Wahl stand. Der vor Machtgier und Selbstgewissheit schwitzende Söder steht mit Corona im Bunde. Die Pandemie ist sein Sprungbrett an die Macht. Sollte die Mehrheit der Bevölkerung sich ihn als Kanzler wünschen, wäre er kaum aufzuhalten. Er kann sich nur selber schlagen, wenn er übertreibt, wenn die Stimmung kippt. Darauf hofft auch der neue Vorsitzende. Man kann ihm dabei nur die Daumen halten.

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