Tichys Einblick
Strukturell humorlos

Aus! Aus! Das Jahr ist aus! Oder: Zehn Gründe, weshalb ich 2020 nur Satiren schreiben will

Die deutschen lieben Comedy: Lachen auf Kommando zu festen Sendezeiten. Satire ist das Gegenteil. Sie setzt Bildung voraus. Und nur mit Satire kommt man Satirikern wie Trump, Johnson oder Erdogan bei.

Vergangene Woche schrieb ich an dieser Stelle eine Satire über die sogenannte Klimakrise. Sie tarnte sich in satirischer Absicht als Stück über die Bildungskrise. Neunzig Prozent der zahlreichen Mails kommentierten die Bildungskrise. Ich bedanke mich für die breite Zustimmung zu etwas, was gar nicht mein Thema war. Dies ermuntert mich sehr, bei der Satire zu bleiben. Man trifft immer etwas Richtiges.

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Die Realität ist der Satire überlegen. Das beweist etwa das Wort des Jahres 2019: Verschissmus. Es ist der Bildungskrise zu verdanken. Die Bildungskrise führt hier ungewollt zu einer höheren Form der Erkenntnis. Das Paradox, dass aus Unwissen Weisheit wächst, steht schon in der Bibel. Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Die unfreiwillige Satire – gemeinhin Realsatire genannt – ist von der wahren Satire oft nicht zu unterscheiden.

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Vielleicht wird also doch noch ein Schuh aus dem Text der vergangenen Woche: Die Klimakrise ist ein Symptom kollektiver Datterigkeit. Sie ist also auch eine Folge der Bildungskrise. Die Darstellung dieses Zusammenhangs ist nur mit den Mitteln der Satire möglich.

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Klimakrisenkrieger und Klimakrisenkriegsdienstverweigerer haben etwas gemeinsam: Beide sind strukturell humorlos.

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Deshalb floriert in Deutschland die Comedyindustrie. Comedy ist strukturell gefallsüchtig. Satire dagegen macht sich über die Gefallsucht lustig. Sie ist das Gegenteil von Comedy.

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Die Deutschen wollen gern gesagt bekommen, dass es Comedy ist, worüber sie lachen. Ohne diese Etikettierung gehen sie lost in translation und wissen nicht, ob sie lachen dürfen und warum. Comedy funktioniert nur in humorlosen Gesellschaften. Lachen auf Kommando zu festen Sendezeiten. Aber bitte nach Ansage und bloß nicht auf dem falschen Fuß!

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Satire dagegen setzt Bildung voraus.

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Da die Moralisten das Klima bestimmen, bestimmen sie auch die Comedy. Das ist leicht beweisbar. Sowohl Comedians wie Klimamoralisten leben von Übertreibungen. Wenn die Moralisten übertreiben, werden die Übertreibungen der Comedians witzlos. Witzig ist dann nur, dass man sie nicht ernst nehmen kann.

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Dürrenmatt: Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Frei nach Dürrenmatt: Die schlimmstmögliche Wendung einer Geschichte ist nur als Satire darstellbar.

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Satiriker beherrschen weite Teile des Weltgeschehens: Trump, Johnson, Erdogan … Oder sind das Komiker? Wir sollten sie nicht unterschätzen. Auch den Satirikern kommt nur die Satire bei.

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Abschließend ein Beispiel. Karl Kraus. Die letzten Tage der Menschheit. 29. Szene. Wer den Witz nicht entdeckt, sollte besser bei den Comedians bleiben.

DER OPTIMIST: Sie können nicht leugnen, dass die Klimakrise auch einen seelischen Aufschwung mit sich gebracht hat. Die Guten werden besser und die Schlechten gut. Wollen Sie etwa die Begeisterung, mit der unsere Kinder ins Feld ziehen, und der Stolz, mit dem ihre Eltern ihnen nachblicken, in Abrede stellen?

DER NÖRGLER: Das mag für Deutschland richtig sein. Anderswo haben die Menschen vielleicht doch noch einen höheren Ehrgeiz.

DER OPTIMIST: Es gibt wenigstens wieder ein Ideal. Ist es da mit dem Übel nicht vorbei?

DER NÖRGLER: Das Übel gedeiht hinter dem Ideal am besten.

DER OPTIMIST: Sie unterschätzen die sittlichen Kräfte, die die Klimakrise in Bewegung setzt.

DER NÖRGLER: Das nenne ich einen Religionskrieg.

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