Tichys Einblick
In der Flugblatt-Affäre

Mit Mistgabel und Keule – Anmerkungen zum grünen Bauernkrieg

Ministerpräsident Söder soll genötigt werden, mit den Grünen zu koalieren. Zu beobachten ist ein massiver Versuch der Wahlbeeinflussung. Der Bäumeumarmer, so das Kalkül, wendet seine Gesinnung wie der Bauer das feuchte Heu auf der gemähten Wiese, Hauptsache, er fährt seine Ernte ein.

Ginge es nur um Aiwanger, wäre nicht mehr viel zu sagen. Aber wir befinden uns mitten im Kulturkampf links-grün-woker Gesellschaftszertrümmerer gegen die bürgerlichen Fundamente der Republik.

I.

Da wird mit allen Mitteln gehauen, gestochen und gemeuchelt. Hinterfotzigkeit, Pharisäertum, theatralische Empörung, bösartige Unterstellungen, unbeweisbare Behauptungen. Von den Gepflogenheiten einer zivilisierten, offenen Gesellschaft ist das weit entfernt. Wollte man sich Ärger einhandeln, und wer will das schon, könnte mit Martin Walser selig den Fall auf den schlichten Nenner bringen: Leithammel der Freien-Wähler-Partei mit Auschwitzkeule niedergestreckt. Der kluge deutsche Jude Michael Wolffsohn brachte sein gesundes Angewidertsein so auf den Punkt: „Als Jude wehre ich mich dagegen, dass Denunzianten uns Juden für ihre tagespolitischen Zwecke missbrauchen.“

II.

Aiwanger, das ist sein eigentliches Vergehen, ist in diesem Bauernkrieg dem Juste Milieu mit der Mistgabel zu Leibe gerückt. Laut, grob, direkt, auch auf Niederbayerisch leicht zu verstehen und deshalb erfolgreich. Dafür muss er büßen, nicht für Verfehlungen als pubertierender Oberschüler. Habeck, der grüne Kurienkardinal und Moraltheologe, bringt so ungeniert wie unverschämt die Flugblatt-Geschichte in Verbindung mit Aiwangers jüngsten Sünden. Da sitzt einer in Bayern im Kabinett, der „zum rechten Populismus hin offen ist“. Das also ist es. Linker Populismus wäre erlaubt auch mit Jugendsünden. Als Wirtschaftsminister hat Aiwanger zwar keine Bäume ausgerissen, aber immerhin war er nicht bereit, dem Anführer des „Teams Vorsicht“ während des Covid-Zwangsregimes blind zu folgen. Auch solche Verdienste finden nun ihre Rächer.

III.

Der Angriff richtet sich aber auch gegen Söder. Für Habeck und seine Spießgesellen ist die Entlassung Aiwangers „eine Frage der politischen Haltung, nicht der politischen Taktik“. Klar! Ziel ist es, die bürgerliche bayerische Koalition – die einzige im ganzen Land – wenige Wochen vor der Wahl zu sprengen oder zumindest nachhaltig zu beschädigen. Zu diesem Zweck wird der jugendliche Hubsi Aiwanger zum Zerrbild eines schrecklichen Antisemiten, der bereits mit Fünfzehn das Ansehen Bayerns beschädigt hat. Hätte er nur geahnt, was einmal aus ihm werden würde, und welch moralinsaurer Regen einmal aus den Wolken der Wokeness auf Bayern prasseln würde.

IV.

Nein, das vergilbte Flugblatt ist natürlich nicht zu entschuldigen. Und das wurde es damals auch nicht. Heute aber dient es nur noch – Verzeihung, ich paraphrasiere – als Toilettenpapier, für die, die dort oben „den Oasch offen“ haben. Fürwahr eklig und scheinheilig obendrein. Angeführt von der Alpen-Prawda (SZ), die einstmals ein liberales Blatt gewesen ist, und selbst zu Hygienezwecken nicht mehr richtig taugt, übt der grüne und rote Mob Lynchjustiz. Aiwanger wird mit dem Wisch „in Verbindung gebracht“, das muss genügen, ob er ihn verfasst oder verbreitet hat oder nicht, von jetzt an bis in Ewigkeit.

V.

Wem das dienen könnte, liegt auf der Hand. Ministerpräsident Söder soll genötigt werden, mit den Grünen zu koalieren. Zu beobachten ist ein massiver Versuch der Wahlbeeinflussung. Der Bäumeumarmer, so das Kalkül, wendet seine Gesinnung wie der Bauer das feuchte Heu auf der gemähten Wiese, Hauptsache, er fährt seine Ernte ein. Wäre es doch nur das Vorspiel zur nächsten Tat, der Bildung einer schwarz-grünen Koalition in Berlin unter seiner Führung. Auf dieses durchschaubare Spiel lässt Söder sich (erst einmal) nicht ein. Dazu ist er dann doch zu klug. Er kennt die Risiken, die damit verbunden wären, die Koalition vor der Wahl platzen zu lassen. Würden die Freien Wähler ohne Aiwanger ihren Wahlerfolg einbüßen, würden davon mit Sicherheit die Unberührbaren profitieren, die dank der Freien Wähler in Bayern kleiner sind als anderswo.

Zweifellos ein Verdienst Aiwangers. Auch für die FDP könnte der Sturz des Bauernführers ein Geschenk des Himmels sein, das sie doch noch über die Fünf-Prozent-Hürde hievt. Selbst die Splitterpartei SPD rechnet sich plötzlich wieder, wenn auch geringe Chancen als Koalitionspartner aus. Söder will es sich wohl weder mit seinen bürgerlichen Wählern verderben noch mit den grünen Merkelianern, die er brauchen wird, wenn es für ihn um die Kanzlerschaft geht – wozu ein klarer Sieg in Bayern Voraussetzung wäre. Die Rechnung, die CSU könnte nach Aiwangers Abschuss mit Hilfe der nun heimatlosen „freien“ Wähler allein die absolute Mehrheit der Mandate gewinnen, wäre bloße Zockerei. Söder ist kein Hasardeur. Er spielt auf Zeit und lässt alle Optionen offen.

VI.

Unabhängig vom Ergebnis der unheiligen Inquisition, ist Aiwanger nachhaltig angeschlagen, sein Ruf auf Dauer ruiniert. Gänzlich ungeniert lebt es sich damit nicht. Er wird in Zukunft seine Worte sorgsamer wägen müssen und damit auch ihre Wirkung schwächen. Dennoch stehen und fallen die Freien Wähler nach wie vor mit ihm. Bayern ist zu wünschen, dass das Bubenstück scheitert und die Freien Wähler ein Bollwerk im rot-grünen Kulturkampf bleiben. Vielleicht sind die belehrten Wähler ja doch nicht ganz so blöd wie ihre Belehrer.

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