Tichys Einblick
Mit Merkel scheitern

Endlich Kanzlerdämmerung. Danke Jogi!

Endlich, dank eines eines einzigen bitteren Abends in London, dämmert es auch dem Letzten. Man muss nur statt Jogi Löw den Namen Angela Merkel lesen.

In dieser Woche haben fast alle Medien den schmachvollen Abgang der Bundeskanzlerin kommentiert. Doch, doch. Man muss nur genau lesen. In der Welt heißt es zum Beispiel, ein gewisser Jogi Löw habe „den deutschen Fußball umgekrempelt.“ Wirklich? Wir schauen nochmal genauer hin: „Angela Merkel hat den deutschen Fußball umgekrempelt. Den auch? Zuzutrauen wäre es ihr; sie hat so gut wie alles umgekrempelt in diesem Land. Und „nach 15 langen Jahren kommt die Leere“. Fünfzehn kann nicht stimmen. Es waren sechzehn plus x. Und die Leere muss nicht erst kommen. Sie ist schon lange da.

I.

„Merkel verpasste den richtigen Absprung, wie ihr an diesem bitteren Abend in London selbst dämmerte.“ Auch dies zweifellos ein Satz, der ins Schwarze trifft. Die bitteren Abende sind gar nicht mehr zu zählen. Die Kanzlerschaft dämmert seit Jahren dahin, nur ihr hat es nicht gedämmert. Und es wird ihr niemals dämmern.

II.

Ein Land im Dämmerzustand. Endlich, dank eines eines einzigen bitteren Abends in London, dämmert es auch dem Letzten: „Deutschland ist nicht mehr Weltklasse.“ Offenbar ist es niemandem früher aufgefallen: „Deutschland scheitert immer schon nach der Vorrunde“: Beim Corona-Management, bei der Energiepolitik, in der Bildung, in der Zuwanderungsfrage, in der Nachwuchsförderung für das Regierungsteam etc.

III.

„Merkel wurde zum Gesicht eines Landes.“ Jeden Tag hat das Land in den Spiegel geschaut und sich in ihr selbst erkannt. Wie im Märchen: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Beste in diesem Land?“ Merkel „stand für ein Nationalteam, mit denen sich die Menschen identifizierten und für die sie auch wieder einen gewissen Stolz entwickelten.“ Ob es uns gefällt oder nicht, so ist es gewesen. Die Deutschen waren sooo stolz auf sie und sich. Unvergessen das 7:1 der Bundesrepublik gegen Trumps USA.

IV.

„Vieles war sehr positiv“ sagt sie und erinnert an ihre Erfolge. Merken Sie sich diesen Satz! Sie werden ihm nicht entgehen und bis Ende des Jahres nicht mehr hören können. Dass die sieben fetten Jahre längst vorbei sind, nimmt Deutschland erst jetzt, sieben Jahre nach dem Weltmeistertitel 2014 so richtig zur Kenntnis. Wie selbstvergessen muss dieses Land gewesen sein! „Der Glaube an die Mannschaft war absolut da“, behauptet die Übungsleiterin. Und dann das Gequatsche von den „deutschen Tugenden“. Auch jetzt wieder. Dann der unausrottbare Irrtum, Deutschland sei eine „Turniermannschaft“, die unter Druck, und wenn es gilt, zuverlässig zur Hochform aufläuft. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in Krisen erweist sich ein ums andere mal ihr Versagen. Und dann die alte Ausrede: „Die Leistungsbereitschaft war sensationell.“ Selten so gelacht. „Die Mannschaft war auf dem Weg, die Mitte zu finden“. Auch der ist gut. Das Land hat seine Mitte seit Jahren vernachlässigt und verloren. Trotzdem werden diese Sätze dauernd wiederholt.

V.

„Sie bedankte sich auch bei den Medien.“ Dazu hat sie allen Grund. Und auch dafür war der bittere Abend ein gutes Beispiel. Der ARD-Reporter Florian Nass echauffierte sich über die „fragwürdige Zuschauerzahl“, verlor über die Moralkniebeuge beinahe Tränen der Begeisterung, und immer, wenn die Deutschen den Ball gerade wieder los waren, stellte er fest, sie hätten „die Situation gut gelöst“. Er muss ein anderes Spiel gesehen haben als die meisten Zuschauer. Die Medien haben in den letzten Jahren so gut wie alles geschönt. Und sie schönen noch immer. Statt Bilanz zu ziehen, sagen sie nur leise Servus.

VI.

„Die Leere wird kommen und mit Sicherheit auch Aufgaben, die für mich interessant sind.“. Das ist die ärgste Drohung.