Tichys Einblick
Selbstanzeige

An den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Herrn Thomas Haldenwang

Wäre ich nicht schon länger hier, dürfte mich heute keine Ausländerbehörde mehr einbürgern, denn ich lehne den herrschenden Geist der Berliner Republik ab. Er ist einer Ideologie verhaftet und nicht mehr der Vernunft. Scharf, aber keineswegs überspitzt formuliert: Ich fühle mich ausgebürgert.

Sehr geehrter Herr Haldenwang,
vermutlich bin ich dem Netz ihrer Behörde bisher entgangen, denn ich meide Demonstrationen, bin bereits einmal geimpft, und habe keinmal AfD gewählt. Ich leugne weder den Holocaust, noch die Erwärmung der Erdatmosphäre, noch die Existenz des Virus Covid 19. Dennoch muss ich Sie dringend darauf hinweisen, dass ich alle Kriterien eines Verdachtsfalls erfülle. Folgendes zur Begründung.

I.

Hätten Sie meine Behausung verwanzt, wozu ich dringend rate, könnten Sie feststellen, dass es mir nicht mehr gelingt, Mitteilungen und Maßnahmen der Staatsorgane zu akzeptieren. Ich bin schon so verroht, dass sich mir alles aufstellt, wenn ich nur den Fernsehapparat einschalte, um Nachrichten zu schauen. Schwere Ausbrüche von Zorn und Majestätsbeleidigung lassen die Wände meines Arrests beben. Ich rechne eigentlich längst damit, dass konforme Nachbarn die Polizei rufen. Da dies nicht geschieht, hege ich mittlerweile den Verdacht, von klammheimlichen Sympathisanten umzingelt zu sein. Meine lautstark geäußerten, anarchischen und alles andere als staatstragenden Ausbrüche erfüllen längst den Tatbestand der Hetze gegen Verfassungsorgane. Mich beunruhigt ja selbst, dass ich den Staat inzwischen nicht mehr nur als hinzunehmendes Schicksal empfinde, sondern als Feind, der mich enteignet, entrechtet und mir so gut wie alles verbietet, was ich für mich als lebensnotwendig erachte. Deshalb gelingt es mir leider auch nicht mehr, Amtsträger wie Steinmeier, Merkel, Spahn, Scholz, Söder, Müller etc. einfach bloß zu verachten. Ich nehme, was mir geschieht, persönlich. Persönliche Feinde verachtet man nicht nur. Wenn man sie nicht bekämpfen kann, muss man sie hassen.

II.

Zwar bin ich kein Reichsbürger – im Gegenteil, ich halte die Gründung des Deutschen Reichs mit militärischer Gewalt unter Preußens Knute für eine Katastrophe der deutschen Geschichte. Es ist viel schlimmer: Ich bin ein offener Anhänger der Bonner Republik! Damit, ich weiß, bin ich natürlich gefährlich vorgestrig und gesellschaftlich kaum noch vermittelbar. Nun ist es keineswegs so, dass ich die alten Kanzler Konrad oder Helmut (Schmidt) wiederhaben wollte. Es geht mir lediglich um das, was man früher einmal freiheitlich-demokratische-Grundordnung genannt hat. Von ihr ist nicht mehr viel übrig. Wäre ich nicht schon länger hier, dürfte mich heute keine Ausländerbehörde mehr einbürgern, denn ich lehne den herrschenden Geist der Berliner Republik ab. Er ist einer Ideologie verhaftet und nicht mehr der Vernunft. Scharf, aber keineswegs überspitzt formuliert: Ich fühle mich ausgebürgert.

III.

Natürlich irritiert mich das. Denn jahrzehntelang hatte ich mich für einen Verfassungspatrioten gehalten. Sie sollten, wenn ich mir diese Anregung erlauben darf, Verfassungspatrioten grundsätzlich in die Liste der Verdachtsfälle aufnehmen. Sie bestehen unangemessen auf ihren Rechten und halten Freiheit nicht für eine Gnade. Sie glauben, der Staat habe der Entfaltung des Individuums zu dienen, es zu schützen und zu fördern, nicht umgekehrt. Insofern ist ja eher Frau Merkel der klassische Fall einer preußisch-protestantischen Reichsbürgerin – aber lassen wird das.

IV.

Kann eigentlich eine Verfassung verfassungsfeindlich sein? Nein? Aber das Verfassungsgericht kann es. Den Beweis dafür hat es erst vorgestern geliefert, in dem es die Rettung des Weltklimas in dreißig Jahren zur obersten Maxime erklärte. Dieses Urteil ist in meinen Augen verfassungsfeindlich. Leider kann man dagegen nicht klagen. Im Grunde müssten Sie als Verfassungsschützer das Bundesverfassungsgericht beobachten. Das wäre natürlich absurd. Da ist es doch viel einfacher, meine Überzeugung für verfassungsfeindlich zu erklären. Die höchste Maxime in diesem Land lautet: Karriere macht nur, wer kontrollierbar ist. Das gilt für Verfassungsgerichtspräsidenten ebenso wie für Verfassungsschutzpräsidenten, aber natürlich auch für Professoren, Journalisten, Parteifunktionäre und Abgeordnete.

V.

„Jetzt ist Krise“, sagte etwa ein gewisser MdB Brinkhaus, CDU. Das ist die neue Methode, mit der wahre Verfassungsfeinde, deren Büttel Sie sind, sehr geehrter Herr Präsident, die Freiheit in diesem Land suspendieren. Deshalb wird dafür gesorgt, dass immer Krise ist. Dazu bedarf es keiner wirklichen Krise, es genügt schon die Feststellung einer künftigen Krise. Die Frage ist nur, was eine Krise ist, und wer das bestimmt? Auf wen beruft sich das Krisenregime? Auf leicht manipulierbare, vermeintlich wissenschaftlich unanfechtbare Zahlen, Inzidenzwert 100 hier, 1,5 Grad Celsius dort. Ich lasse mich nicht gern verarschen. Ergo habe ich keine Wahl. Ich bin ein Fall für den Verfassungsschutz.

Tun Sie endlich was!