Tichys Einblick

Der Diesel-Boom geht weiter – im Ausland

Die hysterische Debatte um Feinstaub, Stickoxyde und Fahrverbote lässt Restwerte sinken und das Ausland jubeln: Immer mehr gebrauchte, preiswerte Diesel werden exportiert. Die deutschen Besitzer verlieren dabei hunderte Millionen Euro.

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Die Diesel-Diskussion in Deutschland löst im europäischen Ausland nicht nur Verwunderung, sondern auch Freude aus: Denn während sich gebrauchte Diesel-Pkw bei den deutschen Autohändlern die Reifen platt stehen und die Restwerte vor allem für ältere Diesel dramatisch gesunken sind, greift das Ausland freudig zu: Im vergangenen Jahr wurden 239.541 gebrauchte Diesel-Pkw ins meist europäische Ausland exportiert, 20,5 Prozent mehr als 2016. Das geht aus dem Export-/Import-Seismographen hervor, den der Würzburger Logistik-Professor Christian Kille im Auftrag des Softwareunternehmens AEB erstellt.

Die Daten basieren auf den Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Sie zeigen, dass der Export-Boom im ersten Halbjahr dieses Jahres weitergeht: Frankreich, traditionell ein starker, Dieselmarkt, hat von Januar bis Juni 9.253 gebrauchte Fahrzeuge mit Selbstzünder aus Deutschland importiert. Im gleichen Zeitraum 2016 waren es nur 5.952. Ähnlich sieht es in Italien aus, wo im ersten Halbjahr ebenfalls mehr als 10.000 gebrauchte Diesel aus Deutschland landeten. In der Ukraine ist der Import innerhalb von zwei Jahren sogar von 1.446 auf 6.716 Fahrzeuge, jeweils im ersten Halbjahr, gestiegen. Starkes Wachstum zeigen auch Spanien (+30,8%) und Österreich (+41,3%). „Für Schnäppchenjäger im Ausland gibt es also aktuell eine gute Möglichkeit, günstig an einen Diesel zu kommen“, sagt Professor Kille. Geringe Logistik-Kosten und ein niedriger Zoll von 7,5 Prozent machten sogar den Export in die Ukraine interessant, so Kille.

Denn die Verbraucher in diesen Ländern profitieren von den sinkenden Restwerten der Autos in Deutschland. Die Preise für dreijährige Dieselmodelle sind im August binnen Jahresfrist um weitere 2,2 Prozent gefallen und liegen damit rund fünf Prozent unter dem Restwert vergleichbarer Benziner, hat der Marktbeobachter DAT in seinem Dieselbarometer festgestellt. Gleichzeitig entsteht bei deutschen Dieselbesitzern jedes Jahr ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe. Sie haben ihr Auto im guten Glauben an die Versprechungen von Politik und Autoindustrie gekauft haben, diese Fahrzeuge seien besonders umweltfreundlich. Jetzt müssen sie den Wertverlust tragen. Im Jahr werden hierzulande für über 82 Mrd. Euro Gebrauchtwagen verkauft, ein Drittel davon Diesel. Sinkt ihr Restwert um 2 Prozent, erlösen die Verkäufer insgesamt 500 Millionen Euro weniger für ihre Fahrzeuge.

Drohende oder bereits ausgesprochene Fahrverbote lassen auch die Standzeiten beim Händler steigen: Durchschnittlich braucht ein Händler derzeit 98 Tage, bis er für ein solches Fahrzeug einen neuen Besitzer gefunden hat. Beim Benziner sind es nur 75 Tage.

Mittlerweile ziehen professionelle Aufkäufer durch die Lande und nehmen den Händlern ihre schwer verkäuflichen Diesel ab, um sie ins Ausland zu exportieren. Ein einträgliches Geschäft: Die Autohändler freuen sich, einen schnellen und unkomplizierten Absatzkanal gefunden zu haben. Sie sind froh, dass die an Wert verlierenden Fahrzeuge aus den Büchern verschwinden. Im Ausland herrscht dagegen an Nachfrage nach Dieseln kein Mangel. In vielen europäischen Märkten sieht man die hysterische deutsche Debatte um Feinstaub, Stickoxyde und Fahrverbote mit Verwunderung. Selbst in Ländern mit hohen Umweltstandards wie den Niederlanden, werden in Umweltzonen nur Uraltdiesel ausgesperrt. In Österreichs Hauptstadt Wien muss ein Auto schon schlechter sein als Euro 3, um nicht mehr in die Stadt gelassen zu werden. Die Abgasnorm gilt seit 2001. Auch in Österreich sind die preiswerten Diesel aus Deutschland deshalb heiß begehrt: 12.431 kamen im ersten Halbjahr über die Alpen – eine Steigerung um zwei Drittel innerhalb von zwei Jahren.